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Autechre – Oversteps

Autechre ist wohl die undurchsichtigste Band, die Warp Records zu bieten hat. Während Labelkolegen andauernd auf sich aufmerksam machen und jede Gelegenheit dazu nutzen, zeigen Sean Booth und Rob Brown sich eher antizyklisch. Es ist zwei Jahre her, dass das letzte Album „Quaristice“ erschien und seitdem sah man sie nur vereinzelt im kleinen Rahmen live auftreten. 2009 herrschte komplette Funkstille. Nun sind sie plötzlich wieder da – Und bringen mit „Oversteps“ ein Album mit, das wie üblich alle Grenzen auf den Kopf stellt.

Wir erinnern uns an „Quaristice“… Ein Album, dass eine aggressive Grundstimmung in sich trug. Es hat sich in der kreativen Pause anscheinend einiges getan bei den beiden Briten, denn die Aggression ist fast vollständig aus den Songs verschwunden. Man kann nicht sagen, dass „Oversteps“ ein ruhiges Album wäre, denn ‚ruhig‘ ist ein Begriff, den Autechre nicht kennen. Die konstante, unterschwellige Unruhe in den Tracks ist schließlich ihre Geheimwaffe. Aber das Album ist weniger hektisch als noch zuvor. Autechre haben sich diesmal noch mehr Freiraum gelassen und loten in der Tiefe der Musik ihre eigene Auffassung elektronischer Musik und die Belastungsfähigkeit des Hörers aus.

Im Song „D-Sho Qub“ (nur einer der kryptischen Titelnamen) wird die Art und Weise, wie Autechre mit dem Hörer spielen, besonders deutlich. Anfangs ein Gewirr aus etlichen Sequenzern und Sounds. Zwischendurch setzt von 0 auf 100 ein Beat ein, der aber nur angedeutet wird. Für jeden, der an elektronische Musik gewöhnt ist, ist dies nahezu unerträglich, da an den Tanzsensoren gerüttelt wird und keine Erfüllung eintritt. Autechre wollen den Hörer aber nicht enttäuschen, sondern an seine Grenzen führen. Und das gelingt ihnen im Verlauf des Albums andauernd. Diese Musik ist nicht tanzbar und man kann sie keinesfalls auf Dauerschleife hören. Autechre ist eben ein Erlebnis und keine Band im klassischen Sinne.

Wer sich auf die Musik von Autechre einlässt, durchlebt Klangwelten, die es so sonst nirgends gibt. Man mag es fast ‚therapeutisch‘ nennen. Wären Sean Booth und Rob Brown nicht Musiker geworden, wären sie jetzt entweder Mathematiker oder verrückte Ärzte. Dies merkt man auch bei „Oversteps“ wieder, selbst wenn dieses Album etwas greifbarer scheint als sein Vorgänger. Doch eines ist ist wie immer bei Autechre: Entweder man liebt sie, oder man versteht sie nicht.


VÖ: „Oversteps“ erschien am 19.03.2010 auf Warp.
Unsere Rezension zu „Quaristice“.

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