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Bobby Long & Alex Starling | 24. 10. 2011 | Café Koeppen, Greifswald

Wenn das Café Koeppen zum Konzert lädt, erscheint die kulturelle Avanatgarde der kleinen Hansestadt im Norden Vorpommerns in Scharen. An sich nichts Ungewöhnliches, aber heute nötigt der Zuschauerzuspruch selbst Veranstalter Jens Leuteritz ein verschmitztes Lächeln ab. Er könne sich nicht daran, dass es bereits vor Einlassbeginn zu einer Schlangenbildung vor der Eingangstür gekommen sei.

Das kleine Bistro im Geburtshaus des Schriftstellers Wolfgang Koeppen platzt früh aus allen Nähten. 60 Leute fänden bequem Platz. Heute sind es nahezu 100 Besucher, überwiegend Mädchen Anfang 20. Einige von ihnen haben offensichtlich ihren Freund im Schlepptau. Bobby Long bekommt von dem ganzen Trubel wenig mit. Er hat andere Probleme. Seit mehreren Tagen sei er bereits unterwegs und gestern habe schließlich die Waschmaschine ihren Geist aufgegeben. So erklärt sich der etwas komische Anblick von triefenden Kleidungsstücken, die im Backstage fein säuberlich zum Trocknen über eine Balustrade gehängt sind. Der 25-jährige Long hat auf seinem Weg durch Europa schon etliche Kilometer abgerissen. Gestern war er in Hamburg. Morgen wird er in Kopenhagen sein. Zwischen all den Metropolen wirkt die Station Greifswald klein und unbedeutend. Für den unter Lampenfieber leidenden Musiker ist der heutige Auftritt jedoch alles andere als lästige Routine. „Ich bin in einer Stadt wie dieser aufgewachsen. Ich finde, solche Städte spiegeln das wirkliche Leben besser wieder, als die lärmenden Cities“, meint der zottelige Künstler. Es wirkt sympathisch, dass der Brite rein gar nichts mit dem geschniegelten Typen gemein hat, der auf seinen Tourplakaten zu sehen ist. Der dichte Vollbart, die strähnig ins Gesicht hängenden Haare wirken authentisch. Long hat sich stets seine Unabhängigkeit bewahrt, obschon es dem gefragten Künstler sicher leicht hätte fallen können, sich in den sicheren Hafen eines Majors ziehen zu lassen. Nach dem er gemeinsam mit Robert Pattinson einen Song für die Twillight-Saga beigesteuert hatte, schienen dem jungen Engländer keine Grenzen gesetzt. Allein Long will nicht zur gesichtslosen Massenware stilisiert werden. „Ich muss mit dem einverstanden sein, was ich mache“, sagt der hochaufgeschossene Brite und zuckt mit den Ackseln.

Um 20.30 Uhr erklimmt ein ungleich hagerer Mann mit Kurz-Haar-Frisur und lässigem Drei-Tage-Bart das kleine Podium. Es ist Alex Starling, langjähriger Wegbegleiter und Freund Longs. Die beiden haben sich in der englischen Haupstadt kennen und schätzen gelernt. Das Greifswalder Publikum, bekannt für seine andächtige Aufmerksamkeit, bedenkt Starling bereits vor dessen erstem Song mit herzlichem Applaus. Starling singt mit geschlossenen Augen und hält seine Gitarre dabei schützend im Arm. Fast so, als wolle er sie wärmen, während der Winter mit großen Schritten näher kommt.

Booby Long tigert schon nervös auf der hölzernen Treppe des Koeppen auf und ab, bis ihn Leuteritz auf die Bühne ruft. Natürlich seien Leute wie Long ein Glücksfall für das Café Koeppen und man müsse zugreifen, wenn man die Chance hätte, solche Musiker nach Greifswald zu locken, wird der Organisator im Anschluss an das Konzert zu Protokoll geben. Long scheint das allerdings noch nicht bewusst zu sein, als er sich seinen Weg durch die erwartungsfrohe Menge bahnt. „Ich bin ganz schön aufgeregt“, gesteht der Sänger sogleich. Da hilft nur eins: Augen zu und durch. Auch Long nimmt dieses Credo offenbar allzu wörtlich, denn während seiner Songs ist nicht einmal ein Blinzeln seinerseits zu erkennen. Der Brite arbeitet sich durch sein Repertoire. Den Hals seiner Gitarre fest umschlugen. Der Kopf wippt vor und wieder zurück. Der Fuß stampft auf die Bühnenelemnte und die Reibeisenstimme singt den Blues. Während sich der Sänger durch sein Liedgut kämpft, wirken seine Pickings mal aufreizend feinfühlig., dann wieder brachial. Ein Facettenreichtum, der ob der spartanischsten Instrumetierung überhaupt umso mehr begeistert. Hin und wieder untermalt Long sein Gitarrenspiel mit der Mundharmonika und kommt seinem großen Vorbild Bob Dylan ganz nahe. Singen kann Long allerdings deutlich besser.

Nach über einer Stunde kündigt Bobby Long seine letzten beiden Songs an. Einer davon ist „Penance Fire Blues“, den er sehr zum Leidwesen seiner Freundin kontinuierlich spielt. „I have a girl in New Orleans“ heißt es darin. „Ja, meine Freundin mag den Song auch nicht“, gesteht der Musiker, in Reaktion auf einen empört klingenden Lacher aus dem Publikum. Ohnehin hat er die Menge fest im Griff. „Ich wünschte, ich könnte jeden Abend für Euch spielen!“. Was wie eine Flosskell klingt, erscheint in diesem Fall einfach nur aufrichtig. Bleibt zu hoffen, dass Bobby Long diesen besonderen Abend in einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern nicht so schnell vergisst.

 

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