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Bon Iver – i,i

Im Juli verkündeten Bon Iver, dass dieneue Platte – „i,i“ – am 30. August erscheinen und als vierte Platte den Vier-Jahreszeiten-Zyklus beenden würde. Am Ende veröffentlichten sie „i,i“ via Jagjaguwar/Cargo in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bereits drei Wochen vorher – wie immer für eine Überraschung gut.

Vier der Songs kennen wir bereits, denn auf unkonventionelle Weise hatte Bon Iver „Hey, Ma“, „U (Man Like)“, „Faith“ und „Jelmore“ bereits in den Monaten vor Release des Albums veröffentlicht – um uns damit wie wir nun wissen in die Irre zu führen. Die Songs sind reduzierter, weniger experimentell als es die Stücke auf dem zuletzt veröffentlichten „22, A Million“ (2016) waren. Das passte zu dem, was Justin Vernon im Vorfeld ankündigte: Im Vier-Jahreszeiten-Zyklus seiner erschienenen Platten sei „For Emma, Forever Ago“ (2008) der jähe Winter, „Bon Iver, Bon Iver“ (2011) der frenetische Frühling, „22, A Million“ der überhitze Sommer und „i,i“ folglich der erwachsene, gediegene Herbst. Doch darf man den Herbst keinesfalls unterschätzen – ebenso wenig wie die Schaffenskraft der Ausnahmekünstler Bon Iver.

Zunächst dampft und hustet es 32 Sekunden lang, Bon Iver nennen es „Yi“. Daran an schließt sich nicht weniger kryptisch „iMi“, das zusammen mit James Blake einen Blick zurück in die alten Folk-Gospel-Zeiten wirft. Auch „We“ und „Holyfields,“ erinnern an die älteren Vernon-Werke, in denen er mit seiner verfremdeten Stimme, (sehr hohen) Tönen und Keyboardflächen experimentiert – während es immer mal wieder dampft, hustet und schnarrt. Gefällig ist das Album  keinesfalls, denn weder fällt es gänzlich in alte Gewohnheiten zurück („For Emma, Forever Ago“ vs. „22, A Million“), noch betritt es sich gänzlich neue Klanglandschaften. Stattdessen macht es sich „i,i“ auf etwas unbequeme Weise dazwischen gemütlich.

Das klingt nicht nach einem Kompliment, ist es tatsächlich aber: Bon Iver spielen mit ihren eigenen Extremen, sezieren ihr eigenes Klangspektrum, in welchem sich Folk, Gospel, Soul, Funk und Klassik manchmal sehr unvermittelt gegenüberstehen, und setzen die Zwischentöne mit einer besonderen Ernsthaftigkeit, die wirklich erwachsen, selbstsicher und geerdet wirkt, wieder zusammen. Dabei schält sich ein Track besonders hervor: Das fast vierminütige „Salem“ hat die geliebte Kopfstimme Justin Vernons, äthernde Soundflächen und einen der besten Bon Iver-Refrains.

Damit ist die Platte wirklich etwas so wie der Herbst, der die Brücke zwischen heißen, langen Sommernächten und dem anstehenden kalten, kargen Winter schlägt – und eben dies poetisiert. Wie die letzten warmen Sonnenstrahlen, die alles in ein goldgelbes Licht tauchen, kurz bevor uns die graue, windige Herbstdepression einnimmt. Genau an dieser Schwelle steht „i,i“, spielt mit den Hell-Dunkel-Kontrasten und schafft Grautöne, für die man genauer hinhören muss. Für den einen mag das nicht Fisch, nicht Fleisch sein, für den anderen ist der Herbst die schönste der Jahreszeiten.

Nun fragt man sich, ob das Ende eines Jahres auch das Ende einer Band bedeuten. Umso mehr will man wissen, wie sich die vier Jahreszeiten live zusammenfügen. Leider sind Bon Iver auf ihrer Europa-Tour aber nur für einen Termin in Deutschland: am 20. April 2020 in der Mercedes-Benz Arena, Berlin. Alle anderen Termine finden sich hier. Unsere Empfehlung: Gebt euch allen Lyric-Videos auf YouTube!

 VÖ: "i,i" erschien am 08. August 2019 via Jagjaguwar/Cargo

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