Man betritt das Foyer, zahlt an der Kasse den ermäßigten Studentenpreis, lässt seine Jacke kostenfrei in der Garderobe und geht marmorne Treppenstufen empor. Ein normaler Theaterbesuch. Doch das Leipziger Centraltheater ist anders. Langsam nimmt man dumpfe Beats in der Ferne wahr, schlängelt sich durch enge Seitenkorridore, schließlich steht man auf der Bühne. Das weite Rund der Ränge breitet sich aus, auf einem Podest zwei Männer, die die Spielstätte heute in elektronisches Happening verwandeln: Booka Shade.
Atmosphärisch hat das Centraltheater heute also die Sympathien auf seiner Seite. Über dem Publikum steigt einige Dutzend Meter der von Scheinwerfern erhellte Bühnenschacht auf. Man fühlt sich eher in einer Fabrikhalle, denn in einem altehrwürdigen Theater. Zu verdanken hat man diesen Rollentausch dem aktuellen Intendanten Sebastian Hartmann, der bereits seit einiger Zeit mit provokanten Inszenierungen für kontroverses Aufsehen sorgt. Nun also Elektro in der Ex-Skala.
Fast zwei Stunden nach offiziellem Beginn betreten Walter Merzinger und Wolfgang Kammermeier alias Booka Shade die „Bühne“. Die Lautstärke wird nach oben gefahren und es kann losgehen. „More!“, so heißt das neue Album der Berliner, das heute Abend ausgiebig vorgestellt wird. Während Merzinger die zahlreichen Synthesizer und Effekte bedient, drischt Kammermeier unaufhörig auf eine halbelektronisches Drumset ein und verleiht den Songs (Ja, bei Booka Shade trifft die Bezeichnung zu) zusätzlichen Verve. So entsteht eine spezielle „Band“-Atmosphäre – für Elektro-Acts eher unüblich.
Tanzwut ist beim Publikum in der ersten halben Stunde allerdings noch nicht fest zu stellen. Zu unbekannt wohl die Titel des neuen Albums, einschließlich der Single „Regenerate“. Das ändert sich jedoch, sobald erste Töne aus dem 2006-er „Movements“ erklingen. Zu „Night Falls“ und „Darko“ sind quer durchs Publikum ekstatische Schreie und abenteuerliche Verrenkungen zu beobachen. Die dazu passenden Visuals rücken die Theaterbühne endgültig in ein abenteuerliches Licht. Auch die Interaktionen mit dem Publikum erinnern dann eher an klassische Band-Konzert. Leider vermögen nur die einzelnen bekannten Songs, das Publikum wirklich zu begeistern. So entsteht ein bisweilen ein etwas steriler Eindruck, den die lustigen Animationsschreie der Beiden auf der Bühne auch nicht wett machen können.
Trotz sichtlichem Spaß an ihrer Arbeit und zwei Zugaben ist das Konzert bereits Eineinviertel-Stunden vorbei. Es kam einem geschätzt doppelt so lang vor – trotzdem gefühlt kein schlechtes Zeichen. Eine weitere beruhigende Einsicht: hinter den weltbekannten, ominösen Booka Shade stehen zwei sympathisch wirkende Familienväter. Relativ passend, dass der letzte Ton des Konzerts schon um Punkt Mitternacht erklingt. Beim Verlassen des Theaters erzittern Stuck und Kronleuchter des Foyers unter den rumpelnden Bassschleifen der After-Show-DJs. Eine besondere Erfahrung. Feierabend.