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Pressebild BOY Debora Mittelstädt

BOY | 23.09.2016 | St. Michaelis, Reeperbahn-Festival

Das Konzert von BOY im Hamburger Michel ist das heimliche Highlight des 11. Reeperbahn Festivals. Die barocke Kirche mit ihren vielen goldenen Schnörkeln und Rundungen bietet einen besonderen Resonanzraum für Musik. Es ist ruhig und gemütlich, ein Ort der Andacht und um einen Moment innezuhalten.

Etwas Skepsis könnte man schon bekommen, wenn man bedenkt wie laut und bewegt es sonst vor den Bühnen auf der Reeperbahn zugeht. BOY kennen auch diese Seite. Schon 2010 spielten sie beim Reeperbahn-Festival, damals noch im Angie’s, das zu ihrem Erstaunen richtig voll wurde. Etwas später spielten sie in der Großen Freiheit 36 ihr erstes großes Konzert in Hamburg. Sie kennen ihren Kiez, Sonja wohnt nur einen Katzensprung vom Michel entfernt. Da werden sie heute spielen. Nicht einfach so, sondern mit einem dem Ort angepassten neu arrangierten Repertoire. Auch für sie ist es etwas Besonderes.

Man muss den Weg von der Reeperbahn zum Michel gar nicht so genau kennen, man muss nur dem Strom der Festivalbesucher folgen. Alle wollen scheinbar dahin. Es ist 23.00 Uhr, man hat schon ein oder zwei Konzerte hinter sich, da ist die Aussicht auf einen Sitzplatz verlockend. Vor dem Hauptportal bildet sich eine große Traube Menschen. Das letzte Bier wird noch schnell runtergekippt, Trinken und Rauchen sind in der Kirche tabu, darauf achtet die Einlasskontrolle. Gut, wer ein Festivalband um das Handgelenk trägt, ohne geht gar nichts. Ich werde in eine Bankreihe geschoben, neben mir sitzen zwei Herren, auf dessen Bändchen „Artist“ steht. Ich wühle neugierig in meinem Künstlergedächtnis, kann sie aber nicht zuordnen. Schade. Von der Tür hört man ein Lautes: „Nichts geht mehr! Macht zu, ist alles voll!“ und ein enttäuschtes Stöhnen der draußen gebliebenen. Später werden sie dann peu à peu doch noch rein gelassen und auf die nicht störenden Stehplätze am Rand verteilt. Wäre ja auch zu schade. Es erfolgt eine Ansage, dass man bitte nicht vergessen soll, dass man in einer Kirche sei und man Platz behalten und nicht aufstehen oder herumlaufen solle. In den Gängen stehen Senioren in Anzügen, die scheinbar zu Kirche gehören. Sie passen auf und lächeln milde und unaufgeregt. Auf ein Zeichen wird es etwas dunkler und sehr still. Es geht los.

BOY werden mit viel Applaus begrüßt. Schon mit den ersten Tönen füllt sich der gesamte Kircheninnenraum mit Wärme. Die Melodien durchfluten den Ort bis in die kleinste verwinkelte Ecke. Die Akustik ist einmalig. BOY starten mit einem Song aus ihrem ersten Album „Mutual Friends“, das in ihrer Gesamtheit Fokus auf Einfachheit und Akustik legt und daher sehr gut passt. Der Song braucht gar nicht mehr als diese Kirche. „Drive Darling“ wirkt noch größer als es sowieso schon ist und es fällt schwer Platz zu behalten. Die Leute lauschen andächtig den herrlichen, feinen Pop-Songs und saugen die Atmosphäre auf. Das bleibt auch bei den Künstlern nicht unbeobachtet. „Ihr seid so leise“ flüstert Valeska in einer Mischung aus Erstaunen und Verunsicherung ins Mikrofon und sogleich macht sich das Publikum durch empathisches Raunen und Applaus bemerkbar.

BOY im Hamburger Michel 2016

Dass es auch opulenter geht, zeigen Sonja Glass und Valeska Steinke im Laufe des Abends, denn sie haben sich Gäste eingeladen. Das Kaiser Quartett aus Hamburg unterstützt sie nun mit Streichinstrumenten. Der Klangteppich wird noch flauschiger, „Rivers or Oceans“ bekommt fast Hymnencharakter. Am Ende ertönt nach etwa einer Stunde das vielleicht bekannteste Lied „Little numbers“ und dann wird doch ein bisschen mitgesungen und begeistert geklatscht. Viel zu schnell geht es vorbei. Die relative Kürze macht das Erlebnis intensiv und besonders. Das Publikum wird mit dem wohligen Gefühl entlassen, ein außergewöhnlich schönes Konzert miterlebt zu haben.

Die Besucher treten neugierig heraus, was die Hamburger Nacht wohl noch bringen würde. Den kleine Laden gegenüber freut es, Bier war innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft. Das Reeperbahn-Festival hatte sein gewohntes Publikum zurück. Kultur macht durstig.

 

 

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