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Boysetsfire, Dear Tonight, The Blackout Argument / 11.05.2007 / Wiesbaden, Schlachthof

IMG_0702.JPGDas Wort „Abschiedstour“ hat immer so etwas ernüchterndes. Oft sind die Motive für eine solche, sich eine ordentliche Rente zu finanzieren oder einfach zu demonstrieren, dass man sich ja nicht zerstritten hat. Greatest Hits auf Bühne, irgendwie. Bei Boysetsfire möchte man behaupten, dass ihre Gründe andere sind.

Vor einem knappe Dreivierteljahr ließ die Band auf der Homepage verkünden, in Zukunft getrennte Wege gehen zu wollen. Die für kurz nach dieser Ankündigung angesetzten Abschiedskonzerte wurden nur Stunden vorher abgesagt, denn das Schicksal spielte nicht mit: Gitarrist Joshua Latshaw brach sich bei einem Arbeitsunfall u.a. das Genick. Und wie man das als Hardcoreband macht, wartet man, bis der Freund wieder (vollkommen) genesen ist und geht dann auf Tour. Das erste Konzert der europaweiten Kleintournee fand am 11.05. in Wiesbaden statt.
Angekommen im ausverkauften Schlachthof bekommen wir von der ersten Vorband, den Münchnern The Blackout Argument wenig mit (und das Wenige klingt auch nicht sonderlich gut), denn es ist Interview mit Sänger Nathan Gray. Der absolut entspannte Frontmann spielt Gameboy, aber wechselt mit uns sogar den Raum, damit das Gespräch ohne große Störgeräusche aufgenommen werden kann können. Drei Stunden später stellen wir fest, dass die Technik versagt hat, kein einziger Ton zu hören ist. Aus diesem Grund gibt es zum Interview keinen seperaten Artikel, die Erinnerungsfetzen sind jedoch im diesem Bericht untergebracht.
IMG_0425.JPGDirekt vom Backstageraum geht es in Richtung Bühne: Die zweite Vorband Dear Tonight spielt. Die Amerikaner sind sichtlich von der Kulisse beeindruckt. Später erzählen sie uns am Merchstand dann auch, dass sie zu Hause noch nie vor so vielen Leuten spielten und erstaunt waren, dass zwischen Bühne und Publikum noch Absperrungen sind. Jedoch kann sie das nicht davon abhalten, eine gute Mischung aus 90er-Emo und modernem Postcore darzubieten und das erste Moshpit zu eröffnen. Nachdem Dear Tonight ihr neues Album We’re Not Men in den USA betouren, kommen sie nächstes Jahr wohl wieder nach Europa – lasst das jetzt noch einen Geheimtipp sein.

Mainstage: Nathan, welche Bands begeistern dich im Moment?

Nathan: Ich muss zugeben, dass ich privat gar nicht so viel Hardcore höre. Ich weiß nicht, momentan höre ich verschiedenes, hätte ich jetzt meinen Ipod hier, könnte ich dir tausende Bands aufzählen. Josh hört im Moment die ganze Zeit Avril Lavigne, diesen Girlfriend-Song. Ist auch mittlerweile ein richtiger Ohrwurm bei mir geworden – so banal das alles ist, so catchy ist es doch auch.

Ich habe euch vor 3,5 Jahren vor 100 Leuten spielen sehen (Anm: Spot, Kassel), heute sind fast 2000 Leute hier, die Karten waren schon lange und sind auch für den Rest der Tour fast überall ausverkauft – was ist das für ein Gefühl?

In erster Linie bedeutet es, das Boysetsfire letzendlich auch anderen etwas bedeutet. Uns als Band selbst haben wir natürlich immer viel bedeutet und jetzt zu sehen, dass es auch anderen etwas bedeutet, ist ein gutes Gefühl.

In der Umbauphase sind wir wohl die einzigen beiden, welche nicht verwirrt schauen, als wirklich Avril Lavigne läuft. Nachdem durch paar „Boysetsfire“-Sprechchöre ein wenig Fußballatmosphäre den riesigen Raum füllt, kommen sie tatsächlich.
IMG_0903.JPGErstaunlich dabei, dass die fünf richtig gut harmonieren, haben sie sich doch ein gutes halbes Jahr kaum gesehen und erst zwei Tage vorher, wie uns Nathan verrät, im Schlachthof selbst wieder geprobt. Die Harmonie hat allerdings den Effekt, dass vieles zu sehr nach Platte klingt. Böse Zungen könnten von schlichtem Abarbeiten der Setlist sprechen, doch die Fans haben ihren Spaß. Dabei fällt (durch den angenehmen Platz im Graben) auf, dass die erste Reihe vor allem eins ist: weiblich. Und jung. Kollabiert auch mal gerne und hat sichtlich wenig Spaß daran, sich zwei Crowdsurfer pro Minute über den Kopf ziehen zu lassen – rein erste-Reihe-Publikums-mäßig eher die Kulisse für eine Boyband. Frühes Material bleibt aus, die auf ihre alten Tage unfreiwilligen BackstreetBoysetsfire (Steilvorlage, sorry) spielen Material der letzten drei Platten. Ein vereinzelter Ruf nach In Hope von Debütalbum wird schnell von „Nathaaaan“-Rufen erstickt. Dieser singt gut – gibt wenig darauf, seine für den melodischen Hardcore perfekte Stimme zu schonen und auch die anderen vier spielen ihre Instrumente fehlerlos, was man nach zwei Tagen Probe halt nicht erwarten kann. Rund eineinhalb Stunden stehen sie auf der großen Schlachthofbühne und anstatt sich selbst zu feiern und backstage auf „Zugabe“-Rufe zu warten, spielen sie am Stück. Mit After The Eulogy, dem Song, der sie den Massen bekannt machte und der auch den Metalkollegen neben mir erfreut, verabschieden sich die fünf von Wiesbaden.
Nicht alle fünf. Energiebündel und Publikumsliebling Nathan steht sofort nach der Show erst vor der Bühne, dann am Merchstand und sein Konterfei wird am nächsten Tag wohl rund 100 Mobiltelefone zum Prahlen zieren. Ein Mann, der wohl nie müde wird, wie auch sein Leben nach Boysetsfire beweist.

Wie sehen eure individuellen Zukunftspläne aus, nachdem ihr die Band offiziell aufgelöst habt?

Robert (Ehrenbrand, deutscher Bassist der Band) wird weiterhin mit Musik arbeiten, er lebt wieder in München und macht Onlinepromotion für Bands. Josh und ich haben schon eine neue Band, thecastingout. Diese wird im Gegensatz zu Boysetsfire nicht politisch motiviert sein und auch vom Sound her deutlich poppiger sein.

So catchy wie Avril Lavigne?

Oh ja, definitiv!

 

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4 comments

  1. betty page says:

    in nürnberg waren the blackout argument einfach nur geil…und das hat man dem publikum auch angemerkt: dear tonight hätte einen guten opener abgegeben, aber als zweite band hat sie die gute aufgebaute stimmung von the blackout argument wieder total platt gemacht.
    ansonsten war boy sets fire wirklih wahnsinn und hat einen bleibenden eindruck hinterlassen, wie schon immer!

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