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John Niven – Kill Your Friends

Es ist zweifelsohne nicht übertrieben, wenn ich nun behaupte, dass für Außenstehende die Musikwelt unserer Zeit nicht mehr allzu übersichtlich sein sollte. Labels und Bands wie Sand am Meer – Und selbst Musikmagazine, die dabei helfen sollen, einen Überblick zu verschaffen, platzen aus allen Nähten. Der Roman „Kill Your Friends“ von John Niven spielt zu einer Zeit, in der Musik noch eine leichte Möglichkeit war, unfassbare Mengen Geld zu scheffeln und macht die dunklen Seiten, die dieses Business mit sich bringt, ungeschminkt deutlich. Kein Buch könnte den Untergang der Musikindustrie der 90er Jahre passender begleiten.

„Besorg dir einen richtigen Job, du dämlicher Arsch!“

Dass das hier glaubwürdiges Material ist, wird bei einem näheren Blick auf den Autor deutlich: Der Schotte John Niven war selbst A&R bei einer großen Plattenfirma (sprich, er war dafür verantwortlich, welche Bands fürs Label zugelassen werden und welche nicht) und hat die Höhen und Tiefen des Jobs miterlebt. Natürlich hat er nicht alles richtig gemacht, Coldplay hatte er besipielsweise seinerzeit abgelehnt. Dass er sich nun als Autor versuchte, ist hoch anzurechnen, denn dieser Roman hat es wahrlich in sich.

Niven beschreibt das Leben eines Majorlabel A&R Managers, Steven Stelfox, in den 90er Jahren, mitten in der Phase des New Labour. Das Internet ist bis dato nur eine unbekannte Möglichkeit, illegale Raubkopien aus dem Internet zu ziehen und die Plattenfirmen scheffeln noch umgemein viel Geld. Das Prinzip der großen geldmachenden Majormaschinen: Möglichst billig Platten von möglichst billigen Artists produzieren und dabei größtmögliche Gewinne machen. Mit einem horrenden Erfolg. Dabei man mag nur hoffen, dass Niven selbst mit seinem Protagonisten nicht allzu viel gemein hat. Dieser ist nämlich Teil dieser verschwenderischen Welt, Teil des luxuriösen Lebens von hohen Labeltieren, in welchem die massenhafte Verschwendung von Geld kein Ende zu nehmen scheint. Doch ermöglicht es der Roman, das Dasein der Plattenfirmen und deren Umfeld auch mal von der anderen Seite zu betrachten: Nämlich als ewiger Zwang zwischen Drogen und Sex, der das Leben außer Kontrolle geraten lässt. Als dem egomanischen und selbstüberzeugten Steven Stelfox immer häufiger Fehltritte im Business unterlaufen, verfängt er sich in einer auswegslosen Situation und ein immer intensiverer Hass und eine Reihe einer aus Karriere – und Egodruck resultierenden wahnhaften Morden schlägt dem Leser entgegen. Stelfox beschreibt das Leben so kalt und klar, dass man ihm seine Desillusioniertheit und den Irrsinn direkt abkauft.

Was ich beim Lesen als störend empfand: 400 Seiten lang auf nahezu jeder Seite von „Ficken“ und „Kokain“ und Schimpfwörtern ohne Ende lesen zu müssen, ist auf Dauer doch etwas ermüdend. Doch den trockenen Humor und die Schnodderigkeit des Protagonisten kann man Niven hoch anrechnen, selbst wenn zärter besaitete Seelen sich stellenweise vor Ekel vom Buch abwinden werden. Ja, lesenswert ist der Roman allemal, Einblick in das Geschehen der Musikwelt gibt er jedem und denen, die bereits Ahnung haben, ändert er gewiss die Sichtweise. Solange man dieses Buch nicht als gedruckte Anleitung für die Zerstörung des eigenen Lebens ansieht, ist ja auch alles bestens.


VÖ: „Kill Your Friends“ ist seit März 2008 auf Heyne Hardcore erhältlich.

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