„Hallo Mannheim!“ hieß es am Donnerstagabend in der Alten Feuerwache gleich von drei verschiedenen Acts. Gemein ist ihnen aber allen, dass sie sich ein Zuhause teilen – Erased Tapes Records. A Winged Victory For The Sullen sowie die Pianisten Ólafur Arnalds und Nils Frahm erklommen nacheinander die Bühne, um den fünften Geburtstag ihres Labels zu feiern. Allesamt unterstützt von der Cellistin Anne Müller.
Eine dynamische Steigerung prägte den Ablauf des stimmigen Abends im Rahmen des Enjoy Jazz Festivals in Mannheim. Begonnen wurde der Abend durch ein Set von A Winged Victory For The Sullen, die nur in das nötigste Licht getaucht, zwischen kraftvollen und zarten Tönen changierten. Dustin O’Halloran fand gemeinsam mit seinen Bandkollegen die richtige Mischung aus laut und leise, um den Labelabend in der ausverkauften Alten Feuerwache passend zu eröffnen. Vom ersten Set an machte sich eine Stille im Raum breit, die nur durch vorbeirauschende Autos und klirrende Flaschen gestört werden konnte. Dass es an diesem Abend aber nicht nur Zeit zum Träumen gab, sondern auch genügend Raum für einige auflockernde Lacher war, wurde den erwartungsvollen Zuhörern spätestens beim zweiten Set des Abends klar.
Ólafur Arnalds ließ sein Publikum nämlich erstmal arbeiten und erteilte eine kleine Lektion im Singen, indem er ein paar Töne aufzeichnete und diese im Anschluss in seinen Song einfließen ließ. Interaktivität auf einem neuen Level! Begleitet von einer einzigen Violine und einem Cello spielte der Isländer im Anschluss unter anderem Songs aus „… And They Escaped The Weight Of Darkness“ und seiner letzten Auskopplung „Living Room Songs“. Zwischen seinen Songs glänzte Ólafur vor allem mit Charme und Witz. Zum Beispiel als er erläuterte, dass traurige Lieder nicht zwangsweise von Herzschmerz herrühren müssen. „Poland“ vom Another Happy Day Soundtrack enstand etwa nicht wegen gebrochenener Herzen, sondern ist geprägt von durchzechten Nächten mit zu viel Vodka auf den Irrwegen der unzumutbaren Straßen Polens. Ein leises und wunderschönes Ende findet das zweite Set dann mit Ólafur solo am Klavier und dem Stück „Tomorrow’s Song“.
Nils Frahm ließ scherzeshalber durchblicken, dass er nur zum Schluss spiele, weil er das Klavier regelmäßig malträtiere und keiner auf einem verstimmten Klavier spielen wolle. Man mochte es ihm gerne glauben, als er mit seinem ersten Song begann. Dies war nämlich ein recht komplexes Stück, das den Pianisten in einer etwas ungewöhnlichen Rolle zeigte, mit Klöppeln in den Händen auf die Saiten des Flügels hämmernd. Anschließend nutzte er die komplette Instrumentenschar, um unter anderem Stücke seines Albums „Felt“ darzubieten, und bespielte teilweise zwei Flügel gleichzeitig, nur um später mit Hilfe von Ólafur Arnalds sogar alle drei Tasteninstrumente zur selben Zeit erklingen zu lassen. Natürlich nicht ohne vorher mit einem guten Glas Wein angestoßen zu haben.
Dass nicht nur der wertvolle Steinway, sondern auch die alten Klaviere aus Zeiten nicht mehr gültiger Währungen mit ihrem Klang die Gedanken schweifen lassen können, stellte er zudem unter Beweis. Genauso experimentell angehaucht wie sein Anfang, beendete Nils Frahm auch seine 45 Minuten des Abends mit einer virtuosen Odyssee auf den Tasten.
Nach Applaus und Standing Ovations versammeln sich alle drei Bands nach und nach nochmals gemeinsam auf der Bühne, um die verschiedenen Stile aus dem Hause Erased Tapes in einem abschließenden Song zu verflechten. Das Gefühl, das hier nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde gemeinsam auf der Bühne musizieren, strahlt durch den ganzen Saal. Schöner hätte man den Abend nicht beenden können.