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Escapado – Montgomery Mundtot

Escapado schwimmen sich frei. Frei von allen Erwartungen. Frei von allen Unkenrufen. Frei von allen Befürchtungen. Frei von allen Vorurteilen und frei von der Selbst-Aufgabe. Die auf dem Weg verloren gegangenen Sänger und Bassist wurden adäquat ersetzt. Und Escapado klingen besser denn je, weil sie eben nicht(!) den sicheren Weg wählten. Sie wollten den risikoreichen neuen Schritt. Warum sollte man sich auch von den Urteilen Außenstehender manipulieren lassen? Gute Frage.

Kompromisslos. Wütend. Teils episch, zu großen Teilen aber direkter und etwas eingängiger präsentiert sich das neu sortierte Quartett aus dem Hause Grand Hotel Van Cleef.
Escapado, die deutsch-sprachige Hardcore Wuchtbrumme aus Flensburg, haben mit Montgomery Mundtot ein vielschichtiges Statement abgeliefert. Allen Kritikern zum Trotz, die der Band einen Neuanfang nicht zugetraut oder nicht gegönnt haben. Aber grundlos war all die Sorge natürlich nicht, denn die Stimme von Sänger Helge war ein unverkennbares Element, das vielen Hörern ans Herz gewachsen ist. Seine Stimme vollbrachte den Schritt zwischen wütenden Gekeife und emotionalen Gesang, der in einem gesunden Maß die Grenzen des Pathos auslotete, ohne es jedoch zu übertreiben. Eingebettet in die kantigen Gitarrenanschläge von Sebastian Henkelmann und das quirlige und unberechenbare Songwriting gelang es Helge und Sebastian Escapado Texte auf den Leib zu schneidern, die den direkten Weg in den Kopf suchten und nichts verschleiern wollten. Sie projizierten Bilder von menschlichen Verstrickungen und alltäglichen Fallgruben und wandte sich in einer Art von (jugendhaften) Frust. Mit dem neuen Sänger ist alles ganz anders.

Aber fangen wir ganz vorne an zu erzählen: Sänger Helge Jensen und Bassist Gunnar Vosgröne hat nichts mehr halten können. Zumindest nicht bei Escapado. Beide widmen sich nun dem Projekt Grand Griffon, das ganz anders tickt als Escapado und die Lage der Interessen deutlich macht.
Um Escapado wieder auf Kurs zu bringen hielten die verbliebenen zwei ein erfolgloses Casting ab. Über drei Ecken und etwas Hilfestellung aus dem Hause Turbostaat kam schließlich Felix Schönfuss zuerst als Bassist hinzu und wurde wenig später zum Sänger befördert. Während des ganzen Prozess des Songwritings schien diese Option in ihm gereift zu sein. Seine Identifikation mit dem wofür Escapado steht, war der springende Punkt, der allen anderen Bewerbern gefehlt hatte.
Seine Stimme ist kraftvoll und kerniger und auch sein textlicher Ansatz ist ein anders und somit ist auch der Blick auf Montgomery Mundtot ein neuer. Die Ansätze sind kritischer und die Perspektive ist eine objektivere. Sie greifen Prozesse auf und sezieren mit fast pathologischer Genauigkeit gesellschaftliche Vorgänge, wie wir sie jeden Tag vor Augen haben. Felix Gesangsstil erinnert nebenbei sehr an die skandierende Art, in der auch Turbostaat ihre Texte vortragen. Vielleicht auch ein Grund dafür, warum man sich so schnell auf den neuen Sänger einlassen kann?
Letztendlich ist der oben als risikoreich gekennzeichnet Schritt eine logische Konsequenz einer Band die Erwachsen geworden ist. Zu diesem Erwachsen werden gehört auch, dass die Band mehr denn je weiß, was sie will. Sie scheuen die eingängigen und geradezu poppigen Momente nicht. Vermischen Hardcore-lastige Gitarren mit altbekannter Verspieltheit und sparen die Momente aus, in denen es auf früheren Songs mal ganz ruhig geworden ist. Das Energielevel ist hoch. „Es ist egal was andere von einem denken“ ist das selbstreflexive Fazit dieser Platte. Der Sound ist übrigens immer noch typisch Escapado. Ob das jedoch noch (Post)-Hardcore im eigentlichen Sinne ist, muss in Frage gestellt werden. Escapado jedenfalls machen nicht den Eindruck, als würden sie solche Einordnungen noch interessieren. Vielleicht der Schlüssel zum Erfolg.
Deutlich wird aber auch, dass Sebastian Henkelmann mit seinem Songwriting und seinem Gitarrenspiel seit Jahren den entschiedensten Anteil am Erfolg der Flensburger hat. Es macht schlichtweg Spaß seinem ideen- und facettenreichen Spiel zuzuhören. Besser kann man einen Umbruch nicht gestalten. Escapado leben und klingen frischer denn je.

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