Dass die Schweiz deutschsprachigen Pop, der für ein jüngeres Publikum interessant ist, über ihre Ländergrenzen hinaus spült, ist neu. Faber hat es geschafft. Die Welle der Begeisterung für deutschsprachige Popmusik, die gerade mal wieder ihren Höhepunkt zu haben scheint, hat ihn mitgerissen oder er ist aufgesprungen – wie auch immer, Faber ist dabei. Nicht ganz unschuldig daran ist die Schweizerin Sophie Hunger, die auch in Deutschland bekannt und erfolgreich ist. Faber durfte ihr seine Lieder vorspielen, nachdem er sie auf einem Konzert, wo sie sich zufällig über den Weg liefen, angesprochen hat. Sophie war so begeistert, dass sie ihn als Support mit auf Tour nahm. Schweizer halten eben zusammen. Mittlerweile füllt Faber, zumindest in Deutschland, ganz allein die Clubs. Eine Station davon war das wunderschöne Täubchenthal in Leipzig und wir waren dabei.
Es ist Samstag, der klassische Ausgehtag. Schon früh windet sich eine lange Schlange vor dem Täubchenthal und wartet auf den Einlass. Es ist ausverkauft, der Club fasst 1200 Leute, das braucht Zeit und Geduld. Drinnen wiederholen sich die Schlangen: Vor der Garderobe, vor der Bar, vor den Unisex-Toiletten. Von einem Balkon aus kann man sich das Geschehen im Konzertsaal anschauen und hat einen guten Überblick auf die Bühne, wenn nicht gerade zwei große Kronleuchter mit Neonröhren und Diskokugel die Sicht versperren.
Pünktlich 20:00 Uhr tritt der Support Mariachi de Jesús Guatemala mit großen Sombreros auf die Bühne und lösen genau das ein, was die Kostümierung verspricht: Sie bieten mexikanische Folklore, klatschen in die Hände, stampfen mit den Füßen und singen La Cucaracha. Das Publikum geht wohlwollend mit, teilweise wissend, dass es sich um Schweizer Kollegen des Künstlers handelt, wegen dem sie eigentlich hier sind.
Eine Ouvertüre erklingt, Faber betritt die Bühne. Da sind seine Band, die so außergewöhnlich instrumentiert ist (u.a. mit phantastischer Posaune) und daher mehr nach Folk, als nach Pop oder Rock klingt und dann natürlich Faber, der eigentlich Julian heißt. Ein Junge mit dichtem schwarzen Haar, Grübchen in den Wangen und einer rauchig-rauen Stimme, die ihn älter und geheimnisvoller macht und vermutlich das Produkt von Stoffen ist, die zu viel und zu früh inhaliert wurden. Und wie zum Beweis gehört die Zigarette, zumindest kurz angezündet, fast schon zum Bühnenprogramm.
Bei den ersten Liedern „Es könnte schöner sein“ und „Nichts“ wird bereits getanzt, die Leute sind erstaunlich textsicher und schreien spätestens bei „Sei ein Faber im Wind“ und „Alles Gute“ die Worte lauthals Richtung Bühne, sodass Faber mitunter selbst verblüfft vom Mikro zurücktritt und dem Publikum den Gesang überlässt. Dass die Texte, die sich abseits jeglicher politischer Korrektheit bewegen, die nicht schön und weichgespült, sondern provokativ, schmerzhaft und verletzend sind, so gut ankommen, ist kaum erklärbar. Nicht einmal für Faber selbst. Er singt so, wie er vermutlich auch hinter der Bühne mit den Bandkollegen redet. Ob seine oft sexualisierten Stories Wahrheit oder Phantasie sind, weiß nur er. Allein die außergewöhnlich harten und oft an den Grenzen des Chauvinismus schrammenden Texte können den Erfolg nicht erklären.
Doch was den Live-Erfolg ausmacht, liegt auf der Hand: Es sind die wirklich guten Musiker, die sich sichtlich Mühe geben, den Leuten einen guten Abend zu bereiten. Es funktioniert hervorragend. Die Melodien sind mitreißend und emotional, gleichzeitig eingängig und oft gut tanzbar. Genau das machen die Besucher im Leipziger Täubchenthal dann auch – sie tanzen.
In Liedern wie „Züri“ oder Widerstand reflektiert er seine Heimat, die er – wie er immer wieder betont – liebt. Trotzdem sieht er sie mit den kritischen Augen seiner Generation. In „Züri“ von seiner EP „Alles Gute“ heißt es: Zürich brennt nicht mehr / Zürich kauft jetzt ein / Baut hohe Häuser um ’ne Großstadt zu sein. Oder in „Widerstand“, das er an diesem Abend auch singt: „Machs genau wie unser Land/ Sei eine Fahne im Wind/ Eine Stimme im Chor/ Nur die wirklich blöden Fische schwimmen gegen den Strom.“ Faber kann unaufgeregt politisch sein.
Nach knapp 1,5 Stunden Show kommt Faber nicht ohne ganze drei Zugaben davon. Ganz am Schluss wird es noch mal richtig still, als er „In Paris brennen Autos (und in Zürich mein Kamin)“ singt.
Es ist ein spannendes Debütalbum des Schweizers, mit dem er da gerade auf Tour ist – und auch 2018 noch sein wird. Der Konzertabend in Leipzig war ein großes Vergnügen. Man darf gespannt sein, wie es musikalisch mit ihm weitergeht. Wir freuen uns darauf!
Foto: Alex David