Sie bezeichnen ihr Debüt mit fünfzig Minuten Spieldauer als „Mini-Album“. Keine Frage: Die Musik der Newocmer Her Name is Calla steht ganz im Zeichen des Post Rocks. Schon nach den ersten Minuten soll sich dieser durch Äußerlichkeiten entstandene Verdacht bestätigen. Die Herren aus Leicester, Leeds und York zaubern auf „The Heritage“ elegische Gitarrenwände herbei, die vor Dunkelheit nur so strotzen.
Dass sie bei ihren sechs Songs nicht ganz unwesentlich vom Gothic-Genre beeinflusst worden sind, lässt nicht nur das abtrunnige bis abschreckende Cover vermuten. Dunkle Mollakkorde schleppen sich nicht nur durch den Opener „Nylon“ und werden dabei kontrastiert von Tom Morris‚ gebrechlichem Gesang, der sich bis ins Ekstatische steigert. Wer an Post Rock ala Sigur Rós denkt, wird hier enttäuscht. Unverdauerlicher und düsterer sind die Klangentwürfe der Briten. Das zeigt auch die epische Nummer „New England„. Sie steigert sich von verhallten Vocals bishin zum brachialen Soundgewitter, das von Streichern begleitet wird.
Die Songs der Newcomer Her Name is Calla vereinen allesamt schleppende Melodien, verhallt verwehte Stimmungen, sie sind dabei gekennzeichnet von melancholischen bis depressiven Grundtönen. (Wer sich die Herren allerdings in schwarzen Gewändern gekleidet vorstellt, liegt ebenfalls falsch.) Auffallend häufig bedienen sie sich in ihren Songs dem Stilmittel der Steigerung: War als geflüsterter Grabgesang beginnt, endet in wütenden Schreien, wie im Song „Motherfucker! It’s Alive and It’s Bleeding„, der textlich alle anderen Stücke in sich vereint.
Am Ende der Platte stellen sich zwei Missverständnisse heraus: Nicht sechs, sondern sieben Songs finden sich auf „The Heritage„. „Long Distance Runner“ versteckt sich am Ende und zeigt sich als wundervolle akustische Nummer, die befreiend wirkt. Gerne hätte man mehr solcher Lieder gehört. Hier spürt man das Potential, die bleierne bisweilen monotone düstere Stimmung aufzuhellen. Dafür muss man der Platte aber auch zehn Minuten Hidden-Track-Stille abziehen. (Also doch ein echtes Mini-Album?)
„The Heritage“ ist ein beeindruckendes Erstlingswerk, das aber noch Spielraum nach oben offen lässt und deshalb nicht bedingungslos begeistert. Keine Frage, wenn man „Nylon“ hört, kann einem nur in den Sinn kommen: „Diese Stimme geht unter die Haut und diese Musik nimmt gefangen!“ „Aber die restlichen Weltschmerz-Hymnen kreisen auf dieser Platte noch oftmals um sich selbst, sodass Abwechslung und weitere Höhepunkte bisweilen ausbleiben – bis auf „Long Distance Runner„. Aber sollte man einer Band nach ihrem Debüt wirklich eine Entwicklung in eine andere Stilrichtung, wie sie in diesem Song angedeutet wird, auf den Hals wünschen? Es bleibt auf jeden Fall spannend, die Entwicklung dieser Band zu verfolgen.
„The Heritage“ erschien auf dem deutschen Markt am 11. Juli 2008.