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Im Gespräch mit Fritz Kalkbrenner

Fritz Kalkbrenner hat diesen Freitag sein Debütalbum „Here Today, Gone Tomorrow“ auf dem Berliner Label suol herausgebracht. Im August war er aber bereits in Hamburg beim Dockville Festival zu Gast und wir hatten dort die Chance genutzt, mit ihm ein Interview zu führen. Jetzt, wo das Album released wurde, ist es endlich an der Zeit, das Gespräch öffentlich zu machen. Ein Interview über das Debütalbum, sein Leben als Musiker und sein Leben davor…

Du spielst heute Nacht auf dem Dockville Festival in Hamburg. Ich würde dich eher als typischen Club-Act einstufen. Wie ist es denn für dich, auf Festivals zu spielen?

Fritz: Es gibt schon Unterschiede, das ist klar. Aber beides hat seine Vor-und Nachteile. Gerade bei so großen Festivals wie dem Dockville ist es toll, das ganze Tohuwabohu drum herum mitzubekommen. In den Künstlerbereichen ist immer viel los. Und da läuft man dann auch einigen bekannten Gesichtern und Kollegen über den Weg. Das bringt Spaß, erinnert mich dann immer an Kindergeburtstage. Wär ich gestern schon auf dem Festival gewesen, hätte ich noch mehr Leute gekannt, aber so kann ich zumindest mit dem Phono nachher noch High Five machen! Aber natürlich gibt es auch einiges bei Festivals, was man vermisst. In den Clubs ist es kleiner und kompakter und man ist dichter am Publikum. Aber missen wollen würd ich beides nicht. Ist ja auch gut, wenn es Abwechslung gibt.

Mir kam zu Ohren, dass du privat eigentlich kaum elektronische Musik hörst. Wie ist es denn passiert, dass du dich selbst in dem Bereich wiedergefunden hast?

Fritz: Natürlich hat Techno mich schon immer begleitet. Ich mach Musik, seit ich 17 Jahre alt bin. Aber es gibt einen Unterschied zwischen dem, was reingeht und dem, was dann rauskommt. Für mich war es schon immer klar, dass ich elektronische Tanzmusik machen möchte, weil das mein ureigenster und ehrlichster Ausdruck ist. Dabei brauch ich mich nicht verstellen. Ich bin ja auch ein großer Hip Hop Freund, ich mag dieses East Coast Zeug. Aber ich würde den Leuten ja die Hucke zulügen, wenn ich mich in dieser Art und Weise auf die Bühne stellen würde. Und zu dem Punkt, dass ich selbst kaum elektronische Musik höre: Ich denke, dass man aufpassen sollte, nicht zu inzenztuös in seinem eigenen Sud vor sich hinzudünsten. Wo sollen sonst noch neue Einflüsse herkommen? Die kann man nicht aus sich selbst schöpfen. Wenn du die ganze Zeit nur Klickerklacker hörst, dann kommt bei dir selbst nicht mehr so viel rum. Die Bandbreite von dem, dem ich offen gegenüber bin, muss maximal sein! Ich muss mich jeder Ausschließlichkeit verschließen, denn es sollte alles möglich sein. Ich hör mir vieles an, bevor ich entscheide, ob es gute oder schlechte Musik ist. Man muss alles ausprobieren.

Dein Debütalbum erscheint Mitte Oktober und trägt den Titel „Here Today, Gone Tomorrow“. Ist das bereits im Namen eine Hommage an das Jetset-Leben eines Musikers?

Fritz: Der Ursprung ist ein Titel von den Ohio Players aus 1986. Da hieß es auf ihrem ersten Album ‚Here today, gone tomorrow. Everytime you leave, you leave a little sorrow‘ – Das ist ein toller Titel, den mag ich sehr. Und daher hab ich das übernommen. Und es ist gar nicht so sehr auf das Jetset-Leben bezogen, dass du ansprichst, sondern eigentlich viel allgemeiner gefasst. Als Künstler hinterfragt man sich ja ständig selbst und ist vielen Zerwürfnissen ausgesetzt. Wo führt mich das hin? Wohin soll mich dieser ganze Kram tragen? Wird mir das Freude geben, oder werden mir noch mehr graue Haare wachsen? Ich selbst fasse es auf wie eine große Präambel des sorgenvollen Denkens. Nichts ist von Beständigkeit und dessen sollte man sich gewahr sein. Wenn man einen Schritt näher dran ist, tut es am Ende nicht so weh.

Du bist für dein Debütalbum ja jetzt beim Label suol unter Vertrag, obwohl du auch mal bei Baalsaal veröffentlicht hast, oder?

Fritz: Das ist so, dass es den Baalsaal hier in Hamburg schon immer gegeben hat. Das ist ein Club und geschäftlich damit verbunden ist die Berliner Labelsektion Baalsaal. Da das beides in unterschiedlichen Städten stattfand, hat man sich dann irgendwann dazu entschlossen, das Ganze freundschaftlich aufzulösen. Und das Berliner Label suol ist jetzt der Relaunch von Baalsaal, wenn man so möchte.

Achso, also bist du gar nicht von Label zu Label gehüpft?

Fritz: Nee nee, kein Hopping!

Wenn man dein Album anhört, begegnet man sowohl minimalistischem Electro als auch funkigeren Sounds. Wie würdest du deine Musik selbst einordnen?

Fritz: Normalerweise würd ich sagen, dass man die Finger von jeglicher Deutungshoheit lassen sollte. Wie meine Musik sich anhört, sollen andere lieber sagen. Aber: Ich selbst finde auch, dass es eine Varietät gibt auf dem Album. In meiner Brust schlagen schon zwei Herzen. Es gibt einen Track, der sehr songlastig ist, mit fester Struktur, Gitarre und so weiter. Es gibt ja einige Tracks auf dem Album, bei denen ich auch zum Mikrofon greife. Und dann gibt es auf der anderen Seite auch wieder reine Bretter, die einfach nur durchziehen und zu denen es sich tanzen lässt. Auch in diesem Fall versuche ich also, definitiv alles offen zu lassen! Es ist weder ein vocal-, noch ein rein instrumentales Album. Hätte ich das gemacht, hätte ich eine Seite von mir vernachlässigen müssen. Ich hab versucht, alles auf 80 Minuten zu pressen und den Leuten meinen kleinen Tellerrand darzubieten. Für mich beißt sich da nichts. Kann sein, dass Leute das hören und sagen: ‚Oh Gott, von Titel 5 zu Titel 6 ist ja voll der Bruch drin!‘ – Aber für mich persönlich ist es homogen geworden. Mal schauen, wie andere das sehen werden!

Vor deiner musikalischen Karriere warst du als Journalist unterwegs, richtig? Für was denn?

Fritz: Ja, das stimmt. Ich war TV-Journalist unterwegs, für die Öffentlich-Rechtlichen. Sprich für ARD, RBB, MDR und die Deutsche Welle, also deutsches Auslandfernsehen. Also die typischen Sachen, die man sich Sonntag Abend so anschaut.

…Und wie ist es dann passiert, dass du von dort zur Musik gekommen bist?

Fritz: Musik war ja sowieso schon immer ein Hobby von mir. Nachmittags hatte ich frei und hab in meinem Heimstudio Musik gemacht. Tagsüber hab ich halt als Journalist mein Geld verdient. Und irgendwann hat es dann angefangen, ineinander überzugreifen. Das ist ja der Vorteil, dass das beides freischaffende, moderne Geschäftsmodelle sind. Somit musste ich nie wirklich kündigen, sondern hab den Journalismus eben erst einmal auf Eis gelegt, weil es mit der Musik so gut läuft. Aber ich hab niemals wirklich aufgehört, Journalist zu sein, aber es fehlt derzeit einfach die Zeit, einen TV-Beitrag zu machen. So lang man das in der Brieftasche nicht spürt, ist das ja aber nicht schlimm…

So sieht es aus. Vielen Dank für das Interview!

Fritz: Dankesehr!


Hier entlang zu unserer Rezension zu „Here Today Gone Tomorrow“.
Fotocredit: Dennis Dirksen

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