Mikroboy haben in letzter Zeit viel erlebt. Erst der Auftritt beim Eurovision Song Contest, dann eine Tour im Vorprogramm von Lena Meyer-Landrut und last but not least letzte Woche die Veröffentlichung ihres zweiten Albums „Eine Frage der Zeit“. Mehr als genug Gründe also, mal ein paar Worte mit der Band zu wechseln. Wir trafen uns mit Sänger Michi Ludes zu einem Interview in Hamburg.
Euer neues Album kommt bereits in wenigen Tagen raus. Bist du noch aufgeregt, oder legt man das im Laufe der Zeit ab?
Michi: Aufgeregt nicht, aber sehr gespannt. Das Album ist ja schon lange fertig und man ist in erster Linie stolz darauf. Das war für uns das Wichtigste, das im Kasten zu haben. Wenn es den Leuten jetzt zusätzlich noch gefällt, dann ist es natürlich noch geiler.
Wie lange habt ihr da jetzt dran gesessen?
Michi: Zunächst schreib ich die Songs, das hat ca. vier Monate gedauert. Und dann setzt man sich dran, die auszufeilen und aufzunehmen, das hat auch noch Zeit in Anspruch genommen. Alles in allem war das sicherlich ein halbes Jahr. Danach geht man eben in den den Proberaum, um zu schauen, ob man die Songs überhaupt live spielen kann, das gehört auch dazu. Hat aber glücklicherweise alles geklappt!
Wenn man den Pressetext zum Album liest, hat man den Eindruck, dass du irgendwie alles alleine gemacht hast. Wie läuft das denn in Wirklichkeit ab, wie viel Einfluss haben die anderen Bandmitglieder?
Michi: Musikalisch ist das tatsächlich eher so meine Kiste. Aber ich hab den ganzen Kram ja auch ursprünglich alleine angefangen, von daher war das schon immer so. Da lass ich mir auch ungern reinreden, muss ich gestehen. Bzw. wollen die anderen da auch gar nicht großartig etwas dran verändern, sondern finden es meistens ohnehin gut. Doch was das ganze Bandkonstrukt, den Ablauf der Touren und das Drumherum betrifft, hat jedes Bandmitglied seinen festen, unersetzbaren Job. Steffen, der Bassist, ist auch Tontechniker und kümmert sich um die ganze Technik. Tobi macht den Merch-Kram. Also sind wir schon eine richtige Band, zu der jeder seinen Teil beiträgt. Und das Songwriting mache eben ich.
Was mir bei diesem Album noch mehr als zuvor auffiel: Die ‚Du‘-Ansprache in den Songs. Viele andere deutsche Bands singen ja gerne vom ‚Ich‘. Ist das so beabsichtigt von dir, oder passiert das einfach?
Michi: Das ist keine Absicht, das kommt einfach. Es ist auch gar nicht immer unbedingt so gemeint, dass ich damit den Hörer anspreche. Das kann man auch gerne so verstehen, dass ich außerhalb von mir stehe. Ich scheuche mich im Imperativ selbst durch die Gegend, wenn man so will. Doch das liegt letztendlich natürlich beim Zuhörer, wie er das deuten will. Aber das hat unser Produzent mir auch schon an den Kopf geworfen, ob ich denn nicht mal in einer anderen Person schreiben könne. Daraufhin entgegnete ich, dass ja auch an und an ein ‚Wir‘ passiert, das gleicht das doch aus… Aber du hast schon Recht, dieses typische ‚Ich‘ rutscht mir nur ganz selten raus.
Auf dem neuen Album gibt ein Lied namens „Herzen aus Holz“. Casper hat vor einer Weile einen Song herausgebracht, der „Herz aus Holz“ heißt. Ist das nur Zufall?
Michi: Das wusste ich gar nicht, krass. Also, wir sind tatsächlich gut befreundet, ich hab gestern erst einen Remix rausgeschickt, den ich zu der Casper-Single gemacht habe. Aber das mit dem Titel ist reiner Zufall.
Wie ist der Song eigentlich gemeint? Wenn man euch richtig einschätzt, bezieht sich das ja nicht auf euch selbst.
Michi: Ja, das handelt eher von den Herzen, zwischen denen man sich so bewegt. Es geht ganz klassisch um die Krankheit Depression, die viele Menschen haben. Auch ich sehe oft vieles aus einer pessimistischen Sicht, das muss ich ja zugeben. Da hat man oft das Gefühl, dass alle Leute um einen herum versteinerte Herzen haben und man sich nicht zugehörig fühlt. Darum geht es.
Vorweg hattet ihr „Wann bleibst du endlich“ als Single ausgekoppelt. Da hab ich ein wenig die Remixe vermisst. Früher habt ihr ja mit Der Tante Renate und vielen anderen Audiolith-Künstlern zusammengearbeitet. Keinen Bock mehr drauf?
Michi: Daran liegt das auf gar keinen Fall! Ich mag die Leute von Audiolith sehr gern. Aber es hat sich bei diesem Album einfach bisher nicht ergeben. Was ja aber nicht heißt, dass das noch passieren kann. Wär auf jeden Fall super, wenn das bei der nächsten Single klappt, denn da sind da ja immer gute Sachen bei rausgekommen. Der Zeitpunkt war einfach ein Schlechter. Wir sind erst ganz kurz, bevor die Single erscheinen sollte, überhaupt damit fertig geworden. Da hat einfach die Zeit gefehlt, noch großartig Remixe anzufragen. Aber immerhin einen gibt es auf der Single. Allerdings nicht von Audiolith, sondern von Computer.
Gibt es denn schon Pläne für eine zweite Singleauskopplung?
Michi: Da gibt es theoretisch schon Pläne, aber ganz entschieden haben wir uns noch nicht. Unser Label hat Präferenzen und wir müssen uns dann überlegen, ob wir das auch wollen. Aber fest steht: Ja, es wird eine zweite Single geben! Und man kann davon ausgehen, dass es einer der Songs sein wird, die auch auf der Platte drauf sind, schätze ich mal.
Wäre sinnvoll! Was letztens ein besonderes Ereignis für euch war: Der Bundesvision Song Contest 2010, bei dem ihr angetreten seid. Das war ja schon ein großer Schritt. Was hat sich seitdem für euch verändert?
Michi: Für uns selbst hat sich vom Gefühl her rein gar nichts verändert. Es ist jetzt aber so, dass es ein größeres Bewusstsein für unsere Band gibt. Wenn mich früher jemand gefragt hat, was ich so mache und ich antwortete, dass ich eine Band namens Mikroboy hab, dann war die Reaktion meistens: ‚Hab ich noch nie von gehört‘. Und inzwischen ist der Name bekannter. Wir haben nach dem Contest auch noch eine Clubtour gespielt und die war besser besucht. Auf der einen Seite hat es uns also mehr Bekanntheit gebracht und auf der anderen Seite war es natürlich auch eine tolle Erfahrung, mal so eine große Nummer mitzumachen. Gerade als Indie-Band zwischen den ganzen anderen Künstlern zu stehen, die mit Tänzern und riesigem Brimborium aufgelaufen sind. Wir haben uns da einfach hingestellt und unseren Song gespielt, wie wir es immer machen. So gut abgeschnitten haben wir dann ja auch nicht. Aber ein Wettbewerb, wo man schlechter platziert wird als Bernd Begemann… Da kann doch sowieso irgendwas nicht stimmen. Von daher war das für uns gar kein Problem und wir haben tolle Erfahrungen mitgenommen.
Vor kurzem seid ihr dann sogar im Vorprogramm von Lena Meyer-Landrut aufgetreten. Da hattet ihr es mit einem ungewöhnlich kommerziellen Publikum zu tun. Wie kamt ihr denn bei denen an?
Michi: Witzigerweise kamen wir total gut an, womit ich überhaupt nicht gerechnet hätte. Wir haben einfach aus Spaß an der Sache mitgemacht und auf einmal steht man in riesigen Hallen vor 10.000 Menschen. Was uns besonders auffiel, war, dass da fast nur Familien im Publikum waren. Mutter, Vater und Tochter gucken sich zusammen Mikroboy an. Das hatte schon so ein bisschen Popcorn und Wunderkerzen-Feeling. Aber die haben uns bejubelt und fanden das offensichtlich wirklich gut, das hat uns gefreut. Das war natürlich eine super Erkenntnis, zu merken, dass man sowohl jung als auch alt mit der Musik erreicht. Diese Tour mit Lena hat uns sogar noch mehr Schub gegeben als der Bundesvision Song Contest.
Gibt es denn inzwischen schon die typischen Teenie-Fans mit Autogrammwünschen?
Michi: Ja, tatsächlich. Wie nach jeder Show haben wir auch auf der Tour danach noch am Merch gestanden, um unsere Sachen zu verkaufen. Das war überwältigend, wie sich plötzlich Menschentrauben um uns herum gebildet haben, die Fotos mit uns machen und Autogramme haben wollten. Das ist uns bisher auch nicht passiert. Auf unseren Clubshows sind die Leute meist ‚zivilisierter‘. Da kommt es selten vor, dass uns jemand anquatscht. Ich kenn das ja von mir selbst auch. Wenn ich auf einem Konzert bin, würde ich danach niemals die Band zulabern, egal, wie gut ich die finde. Das macht man ja eigentlich nicht. Aber auf der Lena-Tour ging das halt ganz anders ab. Die haben sich wirklich drüber gefreut, etwas Persönliches von uns mit nach Hause zu nehmen. Da müssen wir uns erst noch dran gewöhnen, dass den Leuten etwas dran liegt, wenn wir unsere Namen auf ein Stück Papier kritzeln.
Wo wir beim Thema Erfolg sind: Jemals drüber nachgedacht, was deine Alternative wäre, wenn es plötzlich bergab geht mit Mikroboy?
Michi: Ich bin im April 30 geworden. Und ich muss zugeben: Je älter man wird, desto mehr denkt man drüber nach. Als ich Anfang 20 angefangen hab, mich auf Musik zu konzentrieren, fand ich die Idee ganz witzig, das einfach ein paar Jahre zu machen und dann später mal zu gucken, ob es gefruchtet hat. Jetzt ist man plötzlich 30 und merkt, dass es ja wirklich etwas gebracht hat und dass es gut läuft. Aber es ist trotzdem noch lange nicht so, dass wir in Saus und Braus leben können davon. Man fragt sich schon, ob das ewig so weitergehen kann, aber eine Alternative fällt mir einfach nicht ein. Wahrscheinlich würde ich weiterhin irgendetwas im Musikbereich machen. Künstlerbetreuung, Tourbegleitung, es gibt ja viele Möglichkeiten.
Oder einfach hinter der Bar stehen.
Michi: Das find ich prinzipiell natürlich auch geil, aber ich schätze, da fehlen mir die motorischen Fähigkeiten zu. Ich würde permanent Sachen kaputtmachen, Gläser zerbrechen und mich selbst schneiden, das wär ja nicht so schön…
In unserem letzten Interview haben wir euch nach euren Lastern gefragt. Da hast du gesagt, das Rauchen wäre ein Problem. Es ist etwas Zeit ist Land gezogen, wie sieht es inzwischen aus?
Michi: Ich rauche weniger auf jeden Fall! Ich bin soweit, dass ich Rauchen total scheiße finde. Eigentlich. Und wenn ich zuhause bin, schaff ich es sogar, einfach mal ein oder zwei Wochen gar nicht zu rauchen. Aber sobald wir wieder in der Gruppe sind, wird es schwierig. Wir sind auch echt eine Raucherband, in der jeder total viel qualmt. Da ist es dann kompliziert, da selbst Abstand von zu gewinnen. Vor allem, wenn man Alkohol dazu trinkt, was auf Tour ja definitiv regelmäßig passiert. Also ist es eigentlich alles gleich geblieben. Immerhin kamen keine neue schlimmen Ticks dazu!
Das stimmt wohl. Vielen Dank für das Interview!
Michi: Danke!
Hier entlang zu unserem Interview mit der Mikroboy aus 2009.