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Im Gespräch mit pandoras.box

Von pandoras.box konnte man in letzter Zeit schon einiges bei uns lesen. Nach der Tourpräsentation und einer Rezension zum aktuellen Album „Monomeet“ sollte noch ein Interview folgen. Gesagt, getan: Johannes, Martin, André und Markus haben sich unseren Fragen gestellt. Ein Gespräch über Musik, Politik, Gegenwart und Zukunft.

Nach eurem erfolgreichen Erstling wird auch „Monomeet“ jetzt in höchsten Tönen gelobt. Habt ihr mit einem solchen Anklang gerechnet, als ihr die Band gegründet habt?

Johannes: Bei der Gründung einer Band steht man ganz am Anfang, weiß weder, wie sich die eigene Musik im Detail anhören, noch wie es sie anderen Leuten ankommen wird. Auf solch einen Anklang kann man da nur hoffen, aber sicher nicht damit rechnen.
Martin: Das Feedback und die Außenwirkung waren nie wirklich der Antrieb hinter pandoras.box, wir machen das in erster Linie für uns selbst. Musikalische Egotherapie/Gruppentherapie, um zu reflektieren und klarzukommen in diesen Zeiten, dementsprechend haben wir auch nie mit einem derartigen Zuspruch gerechnet…

Der Song „1910“ ist interessant und springt aus dem restlichen Raster des Albums heraus. Was hat euch dazu bewogen, solch einen rein instrumentalen Streicher-Track mit auf das Album zu nehmen?

Johannes: „1910“ dient als perfektes Interlude, das das Album in zwei stylistisch verschiedene Hälften trennt.
Markus: Ein großer Grund war mit Sicherheit auch die Lust und der Spaß, so etwas auf die Platte zu hauen. Insgesamt fügt sich, unserer Meinung nach, „1910“ perfekt in das Ganze ein und bietet, für sich alleine betrachtet, einen eigenen Höhepunkt im Album, speziell im Kontext zu dem gewählten Songtitel.
André: Das Streichquintett war ursprünglich gar nicht speziell als Intro oder überhaupt in den Bandkontext geplant. Eher empfand ich große Lust, ein Streichquintett zu schreiben, das episodenhaft Ideen aus der zeitgenössischen Klassik aufzeigt, und dabei unsere Einflüsse widerspiegelt. Manche behaupten, dass „1910“ willkürlich daherkommt. Das kann man von außen gesehen nicht dementieren, es gibt kein Kompositionsprinzip oder Ähnliches – aber vielmehr ist es ein kleines Experiment, das Klänge ’sucht‘ und sich während dessen Entwicklung zu „Severn Suzuki“ hinbewegt.
Martin: Der konzeptionelle Ansatz des Albums war ja auch unter anderem, die Parallelitäten zwischen den Jahren 1910 und 2010, die in jeglicher Hinsicht viel Veränderungen für den Menschen mit sich brachten und bringen. So gesehen spielt „1910“ eine wichtige Rolle, wenn man das Album als Ganzes sieht. Das Stück wurde auch noch mit Samples angereichert, z.B. einem Kinderkarussell vor einem Supermarkt und dem Sound vom Tanken eines Autos. Es kommt meiner Meinung nach die Atmosphäre und der Spirit eines zeitlosen, verlassenen Themenparks oder einer verlassenen Weltaustellung rüber, die seit 100 Jahren nicht betreten wurde. Eine Art Zwischenwelt zwischen Klassik und Moderne. Es liegt eine Spannung, Nervosität und Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft in der Luft, die schwer in Worte zu fassen ist. Das Instrumental „1910“ vermittelt dieses Gefühl, vor allem wenn man die Intention kennt und sich hineinversetzt.

„Severn Suzuki“ ist nicht nur ein Song von euch, sondern auch der Name einer kanadischen Umwelt-Aktivistin. Warum habt ihr einen Track nach ihr benannt?

Martin: Dieses Mädchen und Ihre bewegende damalige Rede aus dem Jahre 1992 vor dem UN Earth Summit in Rio de Janeiro bringen das menschliche Dilemma und die immergleichen vom Menschen verursachten Missstände perfekt auf den Punkt! Deshalb kam auch nur dieser Titel in Frage. Im Moment versuchen wir die mittlerweile 31-jährige Dame zu kontaktieren und Ihr den Song zu schicken.
Markus: Der Umweltgedanke, genauer gesagt Umweltschutz, ist mit Sicherheit ein Thema, das jeden von uns beschäftigt. Jeder von uns hat seine Kindheit in der Natur verbracht, da erscheint es nur logisch, dass wir die Umwelt schätzen und lieben. Noch nie zuvor wurde den Menschen in der Geschichte auf so deutliche Art und Weise klar gemacht, dass sie an der Zerstörung der Umwelt, des Klimas, der Tiere und Planzen schuld sind. Jeden Tag ereilt einen eine neue Schreckensnachricht. Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, weltweite Chemieunfälle (Bsp. Ungarn), unbekanntes Vogel- und Fischsterben, jüngst Dioxinskandal und so weiter… Die Rede hat eine sehr starke Aussagekraft und berührt einen immer wieder aufs Neue. Die Worte des 12-jährigen Mädchens sind so ehrlich, so direkt und so einfach. Jeder Mensch, insofern in ihm noch etwas Menschliches steckt, bzw. sein Gewissen und Verstand noch intakt sind, muss sich durch diese Rede angesprochen fühlen. Wir wollen in unserer Musik, speziell in den Texten von Martin, mit Sicherheit auch auf Missstände und die innerste Zerrissenheit in der heutigen Zeit aufmerksam machen und die Leute bewegen. Als wir diese Rede gesehen haben, war klar: Wir müssen damit etwas machen. Da wir auch gerne mit Sprachsamples arbeiten, ist so der Trank „Severn Suzuki“ entstanden.
André: Ich hab das Gefühl, jeder von uns fünf kann sich mit der Rednerin identifizieren, jedem würde es große Freude machen, den ‚Großen‘ mal klar die Wahrheit unverblümt ins Gesicht sagen, jedoch fehlt uns dazu die Plattform. Severn Cullis – Suzuki hatte als 12-jährige die Möglichkeit und auch die Fähigkeit, alles auf den Punkt zu bringen und dabei ‚erlesenes‘ Gehör zu bekommen. Und sie hat es genau so gemacht, wie es sich jede verlorene Seele einer post-materialistischen Gegenwart wünscht. Deshalb sind ihre Worte primär und unsere Musik versucht, es zu unterstützen.

Ihr kommt aus dem kleinen bayrischen Städtchen Geisenhausen. Wie habt ihr dort zusammen gefunden und gemerkt, dass ihr zusammen Musik machen wollt?

Martin: Ja, wir kommen alle aus dem niederbayrischen Wasteland… Konservatives, katholisches Outback. 6000 Seelen Mittelschicht. Wir kennen uns seit mehr als zehn Jahren und teilten eine leidenschaftliche Jugend und sind eigentlich durchs Skateboardfahren so mit 13 oder 14 Jahren richtig zusammengekommen. Wir waren am Ort die zweite Generation an Skatern und haben schon immer irgendwie angeeckt, waren immer irgendwie verspult und – ja, ‚anders‘ – was in so einer Provinz mit all seinen gleichgeschalteten Gestalten nicht unbedingt schwierig war. Mit der Band in der jetzigen Konstellation ging es 2003 los. Um mich, der davor schon, frühpupertär getrieben von Nirvana, Pearl Jam und Oasis, in Bands aktiv war und das Ganze auch immer vorrangetrieben hat, hat sich die Band dann formiert. In dieser Zeit haben sich auch die musikalischen Vorlieben angeglichen, unter anderem auch durch Skateboardvideoeinflüsse (Transworld, Birdhouse, On Video,…) die Musiksammlungen unserer Brüder und die kollektive Entdeckung von Radiohead. Wir sind verquere, verkiffte, latent depressive 00er Jahre Wohlstandskinder, die eine eigentlich unbeschwerte Jugend genossen, die dennoch begleitet war durch persönliche Probleme, Enttäuschungen, Verlust, Scheitern, Zweifel und Krisen, die sich in den Köpfen und dann auch in der Musik festsetzten um irgendeine Erklärung oder einen Sinn in diesem ganzen Wahnsinn zu finden. Wir stehen alle mit beiden Beiden im Leben, können aber trotzdem nicht, wie so viele, fremdgesteuert einfach so dahinleben und funktionieren. Es geht auch darum, unsere Jugend und Kindheit und unser jetziges Leben aufzuarbeiten und zu hinterfragen, mit all den Höhen und Tiefen, manisch – die ganze verdammte Zeit.

Inzwischen wohnt ihr alle in unterschiedlichen Städten im ganzen Land verteilt. Wie schafft ihr es, weiterhin neue Songs zu entwickeln oder zu proben?

Johannes: Alle Mitglieder besitzen einen Mac und Logic. Songideen werden von den einzelnen Mitgliedern, am häufigsten André und Martin, als Demoversionen aufgenommen. Die Demos sind teilweise von der jeweiligen Person bereits zu ganzen Songs ausgearbeitet, mit komplettem Aufbau und Instrumentierung. Die Demos werden den anderen Mitgliedern geschickt. Bei der nächsten Probe, welche teilweise Monate auseinander liegen können, kennt jeder den Song gut genug, kann seinen Part bereits spielen oder hat einen eigenen Part ausgearbeitet. So können die Songs dann in kurzer Zeit bandtauglich gemacht werden. Als wir noch alle in Geisenhausen lebten, arbeiteten wir die Songs komplett gemeinsam aus. Das kommt heute notgedrungen seltener vor.
Martin: Uns verbindet eine tiefe Freundschaft und die gleiche Leidenschaft für Musik. Unser Proberaum, der ‚Bunker‘ im ‚Dörfchen‘ Geisenhausen ist wie ein Magnet, der uns immer wieder zusammenbringt. Man kann nicht ohne. Irgendwann wird die Anziehungskraft zu stark und wir finden uns nach Monaten wieder zusammen im Proberaum, als ob wir nie getrennt gewesen wären.

Die Verbindung zu Frittenbude ist wegen Martin stets unweigerlich da. Stört es euch, dass das die Menschen im Kopf haben, da die Musik ja doch eine ganz andere ist, oder seht ihr es eher als einen Vorteil?

Johannes: Insgesamt haben wir viele Vorteile durch diese Verbindung und Martins Bekanntheit. Dadurch haben sich gute Kontakte ergeben, z.B. der Labeldeal mit Noisolution. Artur, der Booker von Audiolith, der mittlerweile auch unser Booking macht, sitzt im selben Büro in Berlin wie Arne von Noisolution und hat ihm letzen Sommer mal „Monomeet“ rübergeschoben. Dennoch sind pandoras.box und Frittenbude ganz klar zwei autarke und voneinander unabhängige musikalische Projekte, jedes steht für sich und das ist auch gut so. Das Wichtigste ist, dass alle Mitglieder von Frittenbude und pandoras.box gute Freunde sind, miteinander aufwuchsen und viel miteinander teilen. Daher stellt das ganze auch überhaupt kein Problem dar.
Markus: Grundsätzlich, wenn uns das stören sollte, würde das bedeuten, man gibt dem ganzen Band-Ding, der Musik schon wieder eine Wertung, sprich als sei das eine ist besser oder schlechter als das andere. Das ist nicht die Sicht, die wir auf Musik haben und die uns antreibt. Die Basis von Musik und Kunst ist doch unter anderem Respekt. Es stört uns natürlich nicht, im Gegenteil, es macht uns stolz, dass Freunde von uns solche Erfolge feiern können. Die Musik von Frittenbude hat sehr viel Zeitgeist und beschäftigt die Leute. Alles Dinge, die wir mit unserer Musik auch erreichen wollen.

Ihr seid im Februar auf Tour unterwegs – Wie soll es danach weitergehen, gibt es bereits Pläne für ein neues Album?

Johannes: Songwriting findet ständig statt. Wenn genügend Songs zusammen sind, alle Mitglieder Zeit haben, Geld fürs Studio vorhanden ist und alles sonstige auch stimmt, sollte einem neuen Album nichts im Wege stehen. Wir planen für Herbst eine Tour durch Kinos und Theater und wollen „Monomeet“ in einer Art audiovisuellen Musik/Film/Theaterperformance in einem besonderen Stil auf die Bühnen bringen, dazu auch eine Art Sammlung an zusammenhängenden Kurzgeschichten in verschiedenen Sprachen veröffentlichen und diese Geschichten wiederum verfilmen und im Web einen „Monomeet“ Film veröffentlichen.
André: Album? Always!
Martin: Sun!

Wir bedanken uns für das Interview!


Hier entlang zu unserer Rezension von „Monomeet“.

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