Lilly Among Clouds spielt ein kleines Konzert bei einem Radiosender in Berlin, es sind nur noch wenige Tage bis zum Release ihres zweites Albums „Green Flash“. Wir haben uns nicht nur ihr neues Album angehört, sondern auch mit Lilly gesprochen – über das Musikmachen, die Besonderheiten ihrer neuen Platte und ihre neu gewonnenen Liebe zum Bass.
Die Holzplanken der Terrasse am Fluxbau sind nass vom Regen, die Leute stehen draußen in der Kälte und schauen auf die Stadtlichter, die sich in den Wellen der Spree spiegeln. Man hört Kussgeräusche und das Klirren von Gläsern, als ignoriere man einfach den Herbstanfang. Mit dem Konzert stellt Lilly Among Clouds ihr neues Album „Green Flash“ (VÖ: 27.09.2019 via Pias Recordings Germany/Rough Trade) vor. Am Nachmittag unterhalten wir uns kurz darüber.
Lilly freut sich mich zu sehen und ich bin überrascht, dass sie sich überhaupt noch an mich erinnern kann. Immerhin haben wir uns vor zwei Jahren das letzte Mal gesehen. Sie wirkt fröhlich und aufgeregt, man merkt ihr an, dass Musik zu machen immer noch etwas ganz Besonderes für sie ist. Mit ihrer neuen Platte „Green Flash“ knüpft sie ihr erstes Albums „Aerial Perspective“ an, das ebenfalls nach einem seltenen Himmelsphänomen benannt ist. Dazu passt auch ihr Künstlername „Lilly Among Clouds“ – das findet sie gut und will es auch so beibehalten. Ganz nebenbei passt die Farbe Grün auch zu ihrem Leben auf dem Land: Sie liebt es draußen in der Natur zu sein und kann auch mal zwei Wochen gar nicht am Klavier sein. Dann werkelt sie im Garten oder ist auf dem Wasser. Das besondere Naturphänomen des grünen Leuchtens symbolisiert auch ihre besondere Wertschätzung zur Musik: Dass sie nicht selbstverständlich ist, ein Album wie dieses und Musik so professionell machen zu können, wie sie es gerade tut.
Die Leidenschaft hört man dem Album an: Schon der erste Track „Closeness“ nimmt mit den wuchtigen Klavierakkorden den ganzen Raum ein, um dann mit Lillys zarten und doch kraftvollen Stimme an Intensität zu gewinnen. Das Lied mag sie besonders, denn da wurde das Klavier so benutzt wie sie es immer im Kopf hatte. Es verbindet in gewisser Weise beide Alben, denn es gibt zwar einen ganz anderen Upbeat, aber das Klavier trotzdem noch als Leitlinie.
„Look at the Earth“ ist eine Liebeserklärung an die Schönheit der Erde. Lilly besingt den schmalen Grad zur Zerstörung, auf der die Menschheit balanciert. Die beeindruckenden Bilder im Video sind eine Mischung aus Aufnahmen des Regisseur Maximilian Solarkow aus Alaska und Drohnenaufnahmen mit Lilly, die in Australien entstanden sind. „Was mir so ein bisschen fehlt, aber echt schwer zu filmen ist,“ sagt Lilly dazu, “sind Tiere. Denn eigentlich ist für mich die Schönheit der Erde, wenn da irgendwas wuselt, wenn sich was bewegt – selbst wenn es nur ein Vogelschwarm ist. Aber selbst die haben wir die paar Tage, die wir in Tasmanien waren, nicht gesehen.“
Lilly Among Clouds kommt durch die Musik viel herum in der Welt. In Australien, Amerika und Europa spielt sie Konzerte, die verschiedener nicht sein könnten. Was sie neben der Live-Erfahrung mitgenommen hat von ihren Reisen, sind die Begegnungen mit den Menschen. Oft übernachtet sie privat bei Leuten, die die Konzerte organisieren. Da merkt sie dann wie unsinnig Vorurteile sind, und wie eins die Welt geworden ist – denn ganz ähnlich sind Probleme, Hoffnungen und Wünsche. Und sie wünscht solche Begegnungen auch denjenigen Menschen, die manchmal ganz seltsame Ansichten von der Welt haben.
Obwohl die Auswahl der Lieder keinem speziellen Konzept folgt und man einfach gemacht hat, worauf man Lust hatte, fügt sich das Album harmonisch zusammen. Thematisch geht es oft um zwischenmenschliche Beziehungen, um Nähe und Distanz. „Oft ist Nähe ja nicht nur schön,“ meint Lilly, “sondern bringt auch deine Schwächen hervor und das, was richtig weh tut. Wenn du Angst vor Nähe hast, dann brauchst du nicht auf eine glückliche Beziehung hoffen. Auf der anderen Seite zieht es uns an, jemanden nah zu sein. Das ist so ein Paradox, da könnte man endlos psychologisch darüber philosophieren.“
Ihr zweites Album ist musikalisch gereift, ohne an Verspieltheit zu verlieren. Das Experimentieren tut den Liedern gut, die Sounds sind vielschichtiger geworden, insgesamt hat die Musik an Tempo gewonnen. Von tanzbarem Elektropop bis zum chilligen R’n’B sind alle Stilemente auf der Platte zu finden. Mittlerweile spielt sie auch total gerne Bass, sagt sie. Sozialisiert durch die Musik aus dem Zimmer ihres Bruders, aus dem Lauryn Hill und Freundeskreis schallen, hat sie immer überlegt, ob und wie das zu ihren Liedern passen würde. Sie mag die Nähe des Instruments. Den Bass spürt man immer über den Körper: „Das ist das Instrument, das dich in ein Lied reinholt und gleichzeitig so demütig ist. Man hört es nicht gleich, aber wenn es fehlt, fehlt es gleich jedem.“ So steht sie an diesem Abend im Fluxbau auch mit dem Bass über der Schulter auf der Bühne, als die Leute draußen von der Terrasse kommen und näher heranrücken, um ihr zu lauschen. Es wird ein schönes Konzert und wir bedanken uns bei Lilly für das wunderbare Gespräch!
Wer die ganze Vielfalt ihrer aktuellen Platte einmal live hören will, der sollte sich den November vormerken, da geht Lilly Among Clouds auf Tour:
14.11. Erfurt – Museumskeller
15.11. Rostock – Helgas Stadtpalast
16.11. Dresden – Beatpol
17.11. Frankfurt – raumfabrik
19.11. Bochum – Bahnhof Langendreer
20.11. Bremen – Tower
21.11. Bielefeld – Movie
22.11. Köln – Artheater
23.11. Schorndorf – Manufaktur
11.12. Hamburg- Mojo
12.12. Hannover – Kulturzentrum Faust (Mephisto)
13.12. Leipzig – Kupfersaal
14.12. Nürnberg – Club Stereo
16.12. Berlin – Lido
17.12. Gera – 1880 Alte Brauerei
18.12. Heidelberg – halle02
19.12. Würzburg – Posthalle
20.12. Freiburg – Jazzhaus
21.12. München – Ampere
Mehr Infos unter auf der Website von Lilly Amoung Clouds.