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Immergut Festival 2006

Seit Jahren wollten wir zum Immergut Festival fahren, seit Jahren ist in Neustrelitz gutes Wetter, hört man von Waldbrandgefahr auf dem Festivalgelände. 2006 schaffen wir endlich den weiten Weg ins nordostdeutsche Outback – und es ist kalt und regnet. Tut uns leid Immergut, offensichtlich sind wir schuld am schlechten Wetter. Ihr dafür an jeder Menge guter Musik und toller Atmosphäre.

Unser jahrelanges Streben hatte ja seinen Grund: alle Mythen und Sagen um das Festival hörten sich einfach zu verlockend an, um sie gänzlich an uns vorbei gehen zu lassen: immer schönes Wetter, nie zu viele Leute, immer tolle Bands, überall nette Menschen. Nun ja, das mit dem Wetter ging schonmal in die Hose und auch auf dem Immergut kann man zwischen Deutschlandfahnen und Onkelz gröhlenden Dummschwätzern zelten, aber die Bands waren in der Tat alle toll, die allermeissten Leute auch nett und die Atmosphäre dürfte in der deutschen Festivallandschaft ihresgleichen suchen. Letzteres dürfte vornehmlich an der idyllischen Lage des Areals inmitten vieler Waldstücke sowie der mit 6000 durchaus überschaubaren Anzahl der Besucher liegen. Aber auch das liebevolle Element der Macher, die Blümchen an der Bühne befestigten und überall kleine Hingucker platzierten hinterlässt einen sehr angenehmen Eindruck.

Doch kommen wir zum an sich wesentlichen, den vielen großartigen Bands. PALE mussten auf der kleineren Zeltbühne spielen – ob ihres Deals mit dem Grand Hotel wohl auch zum letzten Mal – und waren irgendwie wie immer. Wie immer sorgten sie größtenteils für gute Laune und wussten durch ein abwechslungsreiches Set wie immer zu überzeugen, wenngleich die neueren Stücke ein wenig argwöhnisch auf das im Herbst erscheinende neue Album blicken lassen: die zündeten nämlich nicht so richtig.

Ebenfalls BLUMFELD zeigten sich von ihrer besten Seite, die zumindest auf dem Immergut in der Vergangenheit zu suchen war. „L’etat et moi“ liess Grüßen, aber auch aktuellere Stücke wussten zu gefallen. Wer zu der Zeit lieber im Zelt lag, hat auf jeden Fall einiges verpasst.

„Kaum eine andere Band repräsentiert die Immergut Philosophie so gut wie diese!“ So oder zumindest so ähnlich wurden die YEAH YEAH YEAHs als Hauptact des ersten Tages angekündigt. Ganz zutreffend war diese Ansage wohl nicht, denn mit dem Immergut verbindet man dann doch anderes als T-Shirts für unverschämte 22 Euro. Nichts desto Trotz zeigte sich die Band auf der Bühne von ihrer besten Seite und spielte alles relevante von „Show Your Bones“ und „Fever to Tell“. Gute Show, die gute bis sehr gute Laune machte.

GREGOR SAMSA schickten sich um 1 Uhr nachts, mit nur wenigen – aber dafür langen – Songs den bis zu dieser Stelle besten Auftritt des Festivals aufs Parkett zu legen. Die sich stetig aufbauenden Meisterwerke konnten absolut überzeugen und das Geigenspiel zu später Stunde war das absoulte Highlight des ersten Immerguttages.

Und damit nicht genug. Eine weitere, sehr positive Überraschung gelang dem den ersten Immergut-Tag abschließenden Act: Dem „Projekt“, dessen Sänger den meisten wohl nur als Frontmann der Hamburger Band TOCOTRONIC bekannt ist: PHANTOM/GHOST. Es scheint, als sei es ein sehr ausgelassener, ruhiger Dirk von Lowtzow gewesen, dem es in Verbindung mit seinem Kollegen, Thies Mynther, gelang, die einnehmende, energetische Wirkung der intelligent strukturiert wirkenden Songs auch live zu vermitteln, was zweifelsfrei auch an seinen an Tanzeinlagen grenzenden Bewegungen lag, die wohl den ein oder anderen nahezu hypnotisierten.

Am Samstag Vormittag hätte man sich wahrscheinlich das Immergut Fußballturnier nicht entgehen lassen sollen. Viele sahen sich aber doch dazu gezwungen, war das Wetter doch einfach tierisch beschissen. Das sollte sich aber irgendwannzum Besseren wenden und mit großer Freude konnte man auf einen ganz im Zeichen des schnieken Arts & Crafts Labels stehenden Festivaltag blicken.

Erst einmal aber machten sich MEW zur Überraschung des Festivals. Gregor Samsa gar nicht unähnlich bliesen sie einem kurz vor 17 Uhr auch noch auf dem Zeltplatz den Staub aus den Ohren. Die allseits hochgelobten FOTOS hingegen konnten nicht wirklich überzeugen. Nicht die deutsche Antwort auf Hot Hot Heat, nein, der deutsche Abklatsch von Hot Hot Heat mischte die Zeltbühne auf, hinterliess aber unter anderem bei Kevin Drew von Broken Social Scene einen bleibenden Eindruck, der seinen Ausdruck in einer wahren Lobeshymne wähjrend des Auftritts am Abend fand.

AMY MILAN, die Sängerin der Stars, durfte anschliessend als erstes aus dem Hause Arts & Crafts auftreten. Ihr deutlich countryesk geprägtes Soloprojekt wusste durchaus zu gefallen. Es folgte ihr JASON COLLET, welcher die Backband fast gänzlich einfach übernahm und ebenso wie Amy nicht müde wurde, den Zusammenhang der Musiker zu betonen.

Um etwa 22.30 Uhr war es dann soweit: Die immer noch sympathischen Jungs der inzwischen mehr Berliner als Hamburger Band TOMTE betraten die Hauptbühne des Festivals, dem es irgendwie doch gelingt, diese „Zuhause-Fühl“-Stimmung unter das Publikum zu mischen. Ein leicht nervös wirkender Thees Uhlmann, der mit der Ansage des lange nicht mehr live gespielten „Mit dem Mofa nach England“ einem sicherlich großen Teil des Publikums ein von Herzen kommendes Lächeln aufs Gesicht zaubert. Und sowieso ein ein sehr schön gemischtes Set, das wie gewohnt mit der Hymne abgeschlossen wird, die noch besser klingt, wenn sie von eben jenen immerguten Menschen im Chor begleitet wird: Die Schönheit der Chance. Thees hat also doch wieder recht gehabt. Das Leben zu lieben. Es geht nämlich tatsächlich. Und die Vorfreude auf den Abschlussact des Immergut Festivals steigt nach diesem Auftritt noch höher.

Zu Guter letzt fanden sich viele Musiker des Nachmittages in BROKEN SOCIAL SCENE zusammen um das zu tun, was ein Headliner zu tun hat: den besten und womöglich auch Auftritt des ganzen Festivals abzuliefern. Ein wirklich würdiger Abschied des Immerguts 2006.

Kritik gibt’s an dieser Stelle nur für die Einladung der politisch (und eigentlich auch musikalisch) inakzeptablen MIA sowie die Tatsache, dass keine Getränke mit auf das Festivalgelände genommen werden durften. Die Preise waren zwar mehr als fair, aber der eine oder andere Tetrapack – sei es nur mit Wasser gefüllt – wäre nett gewesen. Für das Wetter konntet ihr nix, da waren bekanntlich wir dran schuld. Ansonsten eine sehr schöne Festivalerfahrung, die sicherlich zu wiederholen sein wird.

(Benni + Alex)

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