Der Musiker Susanne Blech aus Düsseldorf veröffentlicht im September 2008 sein erstes Studioalbum – es trägt den verheißungsvollen Namen Deutsche Renaissance – Ein Kanon. In einem Interview erklärt er weder den Titel seines Albums, noch irgend etwas anderes. Ein sehr aufschlussreiches Gespräch.
Sehr geehrter Herr Blech, viele mag verwundern, dass sie sich als augenscheinlich männlicher Musiker einen Frauennamen zugelegt haben. Gibt es dazu irgend etwas zu sagen?
Nein, im Grunde gibt es da nichts erwähnenswertes. Vielleicht könnte man sagen, dass es sich dabei zwar nicht um ein Versehen handelte, dies aber wiederum auch nicht bedeuten muss, dass der Name für irgendetwas stehen könnte.
Oder besser gesagt, sicher steht er für irgendetwas, aber leider kenne ich dieses etwas auch nicht. Es ist also hochkant egal.
Gut, kommt es denn gelegentlich zu Verwirrungen bezüglich des Namens?
Mag sein, aber für mich klingt der Name ja auch nicht mehr nach Frau. Er ist vielmehr eine durchsichtig sterile Gesichtshaube, hinter der man sich noch nicht einmal mehr verstecken kann. Ich denke, daran sind die Kommunisten schuld, oder die anderen.
Stimmt es denn, dass sie nachts kein Fleisch essen?
Nein, aber dieses Gerücht höre ich jetzt auch zum ersten Mal.
Dann lassen wir das. Ihr Album – Deutsche Renaissance, Ein Kanon – ist soeben erschienen. Würden Sie sagen, dass ihr Album philosophisch ist? Viele finden, dass ihre Texte sehr komplex und tiefgründig sind. Haben Sie studiert?
Ich kann Ihnen versichern, dass meine Musik absolut substanzlos ist. Jede Spur einer möglichen Intention gilt es zu bekämpfen. Die Texte speisen sich – wenn überhaupt – aus einer Ästhetik, die sich ausschließlich auf sich selbst beziehen will. Ich lehne jede Form der Botschaft ab, Emotionen sind nie gewollt, es herrscht eine ultra-positive Untergangsstimmung. Das ist es, was ich die deutsche Renaissance nennen würde. Und deren Kanon ist eben dann noch die maßgebende Einheit des Ganzen. Verstehen Sie?
Gibt es denn daran etwas zu verstehen?
Das weiß ich nicht.
Wollen Sie denn wirklich die Renaissance einer westdeutschen Idylle heraufbeschwören, wie es in der Presseerklärung zu Ihrem Album heißt?
Ich will zumindest, dass etwas neues entsteht. Es ist mal wieder Zeit für einen revolutionären Umbruch, der alle Teile der Gesellschaft mit sich reißt. Dieser Umbruch kann aber natürlich auch darin bestehen, dass alles ganz genau so bleibt, wie es gerade ist. Das wäre auch Revolution, vielleicht die radikalste. Vielleicht auch die neutralste.
Würden Sie denn für Ihre Revolution auch den Waffeneinsatz empfehlen? Schließlich ziert ja Ihr Plattencover ebenfalls eine Schusswaffe – um was für ein Gewehr handelt es sich dabei eigentlich?
Das ist ein klassischer Karabiner, nichts besonderes. Wehrmacht. Ziemlich schwer, aber liegt schön in der Hand. Ich habe es allerdings noch nie abfeuern können, dafür putze ich es regelmäßig. Nunja, in meinem Manifest heißt es ja, dass wir den rücksichtslosen Schusswaffengebrauch fordern. Dann ist das wohl so. Ich hoffe aber natürlich, dass nicht auf mich geschossen wird. Zum Beispiel weil die Leute meine Musik scheiße finden – das wäre ja möglich. John Lennon wurde ja auch erschossen, andererseits lag das bei ihm ja wahrscheinlich eher daran, dass er eine so schöne Wohnung hatte. Die habe ich nicht.
Vergleichen Sie sich jetzt schon mit John Lennon?
Nein, ich würde niemals ein Lied für den Weltfrieden machen. Obwohl, ich bin mir jetzt nicht sicher, ob John Lennon eines gemacht hat. Aber ich traue es ihm zu… Ah, war denn nicht dieser Imagine-Song von ihm? Wenn ja, dann stimmt alles, was ich hier gerade gesagt habe. Nein, der Kerl ist schrecklich.
Also eine weitere Frage hätte…
Warten Sie, eins noch. Wissen Sie, wer noch unerträglich ist? Ich verrate es Ihnen, die schlimmsten Musiker, die ich kenne, ich sage es jetzt. Grundsätzlich ist für mich die Band Queen das schlimmste, was die Popmusik jemals hervorgebracht hat. Eine so durch und durch widerliche Erscheinung, ich habe nie verstanden, wie kaputt man sein muss, um deren Musik in Ordnung zu finden. Ich habe immer große Übelkeit erlebt, sobald mir Freddy Mercury mir mit seinen Songs näher gekommen ist. Das ist echter Hass. Aber gut, die gibt es ja jetzt nicht mehr, ok, es gibt da ja glaube ich ein Musical, aber das darf man denen nicht verübeln, das ist nur logisch. Jedenfalls ist auch die aktuelle Musik voll mit schlimmsten Streichen. Roger Cicero ist ein so langweiliger schmieriger Hanswurst, das ist nicht zu ertragen. Die Leute klatschen da ja immer an den richtigen Stellen, wie kommt sowas? Und auch Rosenstolz könnte nur schwer noch schlimmere Musik machen. Das aller unerträglichste ist ja immer, wenn einem die Leute mit Ihrer Musik was erklären wollen. Oder wenn da was witzig sein soll. Das verbietet sich ja.
Ist das Ihr Hund auf dem Plattencover?
Nein, der gehört unseren Nachbarn. Das ist übrigens ein Jagdhund, deswegen sitzt der da auch so ruhig, das wurde ihm befohlen in Jägersprache. Die versteht der, ich konnte nur ahnen, was gemeint war.
Auf Ihren Konzerten tragen Sie immer peinliche Outfits. Ist das auch logisch für Sie?
Ich trage Kostüme, weil ich hoffe, dass die Musik dann besser klingt. Ich habe immer große Angst vor einem Konzert, dass die Leute nicht total durchdrehen bei den Songs. Sobald ich das erste Konzert spielen sollte, bei dem die Leute etwas gelangweilt schauen, höre ich sofort auf und trete von meinem Posten zurück. Wenn das schon bald sein sollte, dann war das eben eine recht kurze Episode im Musikgeschäft. Im Grunde ist es auch ein großer Schwindel, den wir da veranstalten – ich warte bei jedem Auftritt darauf, dass das Licht angeht, und die Menschen erkennen, dass da sechs hässliche Raupen mit übergroßen, verbogenen Instrumenten auf der Bühne stehen. Dann stelle ich mir vor, gäbe es ein großes Gelächter, es erklängen nur schiefe Töne, und wir Raupen würden ein letztes Mal von der Bühne kriechen. Draußen würden wir dann direkt an einen Angelhaken geheftet und verködert, für den Schmetterling reicht ja allein schon das Talent nicht.
Sind sie denn so pessimistisch?
Ich weiß nicht, was ich bin. In jedem Fall immer eher Raupe, ich glaube das raupenhafte steht mir.
Gibt es denn nichts, was in ihren Texten drinsteckt? Keine Wahrheit?
Wenn etwas drin ist, dann will ich das nicht wissen. Der eine fühlt sich durch die Songs vielleicht ermuntert, ein Auto zu verbrennen. Der andere kauft seiner Oma neue Strümpfe oder mäht den Rasen am Wochenende nicht. Aber sie wissen ja, was Bachtin dazu sagen würde. Wir hatten das alles schon, jetzt ist es nur anders. Sehen Sie das mal so: Stellen Sie sich drei identisch aussehende rote Quadrate vor, 20 x 20 Zentimeter. Von denen kann eines ein Kunstwerk sein, das zweite ist keines, sondern einfach nur ein rotes Quadrat, und das dritte ist auch ein Kunstwerk, aber ein völlig anderes als das erste. Das so etwas möglich ist, ist doch phantastisch, oder etwa nicht? Darauf sollten wir in die Luft schießen.
Sie machen also Kunst, darauf wollen Sie hinaus!
Zumindest mag ich diese tolle Aufnahme von Sadam Hussein. Sie wissen schon – er steht auf dem Balkon seines Palastes und feuert einarmig mit einem Gewehr mehrmals in die Luft. Alles zum Zeichen seiner unbestrittenen Herrschaft. Es hat funktioniert. Genauso wie der Plan der Scorpions, die Band. Ohne sie wäre die Wiedervereinigung ja garnicht möglich gewesen. Das wird ja heute leider oft vergessen, die Scorpions haben die Wiedervereinigung ermöglicht. Heute wird diese Band ja zu unrecht fast vollständig missachtet – das ist der eigentliche Skandal dieser Republik.
Ich verstehe.