Grund zur Freude: Nach einiger Zeit des Wartens meldet sich das Jeans Team aus Berlin mit einem neuen Tonträger zurück. Ausschließlich auf Vinyl erscheint die EP „Totes Kino / Cocktailständer“ und präsentiert zwei neue Lieder der Gruppe, nebst dazugehörigen Remix-Versionen.
Vor einiger Zeit äußerten die Musiker Reimo Herfort und Franz Schütte bereits, dass man es in naher Zukunft nicht anstrebe, ein komplettes Studioalbum aufzunehmen, sondern vielmehr neues Song-Material in kürzeren Abständen als Singles oder EPs veröffentlichen wolle. Diesen flexibleren Weg, der mit der EP „Waffenladen Platin“ bereits eingeschlagen wurde, verfolgen die beiden Musiker nun weiter und bewegen sich damit mehr und mehr weg von Diktaten des Pop- und Indie-Sektors (woraus immer dieser Sektor heute noch bestehen mag) und damit gerade hin zu ursprünglicheren Ideen von Popmusik.
„Totes Kino / Cocktailständer“ ist die erste Veröffentlichung auf der neu begründeten Distributionsplattform, „Alkomerz„, die am 10.10. das Licht der virtuellen Welt erblickte und künftig die Basisstation (Label) der Band bildet, die von nun an über die Rechte an den eigenen Werken selbst verfügt und grundlegende Entscheidungen unabhängiger treffen kann. Ein Weg, der angesichts stetiger Entmaterialisierung des Musikmarkts und den damit verbundenen einschneidenden Veränderungen in der Musikindustrie in den letzten Jahren vermehrt von Musikern gegangen wird – und angesichts ökonomischer Entwicklungen auch gegangen werden muss.
Dass die Begründung der Plattform „Alkomerz“ nicht bloß Ausdruck struktureller und organisatorischer Veränderungen ist, sondern sich damit ein musikalischer Wandlungsprozess abzeichnet, welchen Jeans Team seit dem letzten Studioalbum durchmachte, wird mit dieser ersten EP deutlich. So konnte man sich auf Live-Konzerten in der Zwischenzeit davon überzeugen, dass die mittlerweile zum Duo geschrumpfte Formation ihr musikalisches Interesse verlagert hat. (Mehrere Touren in China und Japan dürften ihrerseits den Input erhöht haben.)
Vom melodiösen Album „Kopf auf„, mit dem Hit „Das Zelt„, bis zum neuen Release liegt ein Stück Weg, das man mit dem Etikett der Rückbesinnung ebenso versehen könnte wie man es als Neuentwicklung werten könnte. Ohne das entscheiden zu wollen, wird auf der Platte der zurückgelegte Weg jedenfalls deutlich hörbar. Der lakonische Zweizeiler mit eingängigem Disco-Beat löst die electro-poppige Ballade vorerst ab. Gleichzeitig wird bewusst, dass Jeans Team seit frühesten Tagen zwischen diesen zwei Polen changierten und dabei ihre eigene musikalische Vision äußerst vielfältig dazwischen entfalten konnten. Immer mit dem Schalk im Nacken, immer mit dem Sinn für das augenzwinkernde Zitat, die Neueinbettung und Kontextualisierung.
So werden Arrangements einerseits minimalistischer, bleiben aber gleichzeitig gewohnt verspielt: Psycho-Techno wäre auch ein guter Stempel für einen Song wie „Totes Kino„, der im Refrain ein babylonisches Sprachgewirr entfaltet. „Cocktailständer“ hat den dreckigen Beat, den wir mögen und erzählt in wenigen Worten eine schmutzige Geschichte voller Assoziationsreichtum – die uns letztendlich allen bekannt ist: „Ich bin zwar nur dein Cocktailständer, aber ich bin dankbar, dass ich hier sein darf„. Im Remix von Riley Reinhold, „Cocktailsandwich“ wird dieser Disco-Beat, der für die tiefsten Nachtstunden bestimmt zu sein scheint, zum einem Minimal-Stück für die nächste verschalerte Afterhour im Licht des Sonnenaufgangs.
In diesem Sinne darf man sich auf weitere kommende Veränderungen freuen – und bis dahin mit einem Herrengedeck im Gepäck ein „Prost!“ zur Labelgründung und zum ersten Release zurufen.
VÖ: „Totes Kino / Cocktailständer“ erscheint am 15.11.2010 auf Alkomerz.
Release-Party: 22.10.2010 im Stadtbad Wedding / Berlin.
Nähere Informationen zu finden unter www.alkomerz.com