Vor zwei Jahren zog sich ein tiefer Riss durch unsere Musiklandschaft. Blumfeld haben sich aufgelöst und damit ging ein wichtiger Anhaltspunkt der deutschen Musikszene verloren. Es war aber bereits kurze Zeit später klar, dass Jochen Distelmeyer, seines Zeichens Sänger und Texter der Band, trotzdem weiterhin Musik machen will und den Solopfad beschreiten wird. Und nun ist es endlich soweit: Sein Debütalbum, „Heavy“, hat den Weg in die Läden gefunden.
Aber um das gleich klar zu stellen: Ganz allein ist er nicht unterwegs auf der Platte. Musik und Texte stammen von ihm, aber die Aufnahmen haben mit Band im Rücken stattgefunden und auch live wird er unterstützt werden. In der Band ist unter anderem Henning Watkinson an der Gitarre, der vor etwa einem Jahr bei Jeans Team ausgestiegen ist. Doch gerade dadurch, dass noch immer fast alles mit Band stattfindet, mag man jetzt vorschnell urteilen und den Vorwurf aussprechen, dass sich Blumfeld dann ja gar nicht hätten auflösen müssen.
Aber die Antwortet lautet: Doch, das mussten sie wirklich. Man merkt auf diesem Album nahezu, wie befreit sich Jochen fühlt und welch neue Energie er getankt hat. Die Musik ist vielfältig, das Album ist zweigeteilt. Das machten auch schon die beiden ersten Teaser deutlich. „Lass uns Liebe sein“ der perfekte Popsong – „Wohin mit dem Hass?“ der düstere Rocksong. Und dieses Muster zieht sich auch auf dem Rest von „Heavy“ weiter durch. Es ist klar: Sie sind schön, die ruhigen Songs. Der Vocal-Opener „Regen“ führt einem vor Augen, was für ein begnadeter Sänger Jochen Distelmeyer doch ist. „Nur mit dir“ ist der Soundtrack für jeden, der grad eine gescheiterte Liebe hinter sich hat. Und „Jenfeld Mädchen“ lässt jeden wieder Hoffnung schöpfen, wenn eine neue Liebe entsteht. Aber so ähnlich klangen die letzten Blumfeld-Alben eben auch schon. Richtig erfrischend ist „Heavy“ eben genau dann, wenn es wirklich heavy zugeht! Stromgitarren angeschlossen und die Wut aus dem Ranzen gepackt. Die unangefochten besten Songs der Platte sind „Hiob“ (!), „Hinter der Musik“ und das bereits erwähnte „Wohin mit dem Hass?“. Jochen Distelmeyer mag noch immer (oder wieder?) die Gitarren verzerren, den Verstärker anpacken und mit der Faust auf den Tisch hauen. Tut gut, sowas mal wieder zu hören von ihm.
Genau so ambivalent wie die Musik ist, sind auch die Texte. Er sagt es selbst: Seine Worte sind „ungestümer Wind, geschrieben in den Staub der Erde“. Es ist verwirrend. Auf der einen Seite singt er mit süßester Stimme von den positiven Seiten des Lebens, dass man denkt, es hier mit dem zufriedensten Menschen des Planeten zu tun zu haben („Ich bin am Ziel, weiß was ich will und brauch nicht viel“). Und auf der anderen Seite dichtet er zutiefst verbittert Weisheiten zusammen und greift direkt an den Wurzeln an, wo es weh tut. Ein exemplarisches Beispiel aus „Hinter Der Musik“, dem Song, der die Musikindustrie hemmungslos in Brand setzt.
„Hinter der Musik, totales Kapital.
Warten auf den Kick, bring das Ding nochmal.
Abgesang der Dämmerungen, Leben im Zitat.
Muttersohn mit Engelszungen, auf dem Psychopfad.
Und die Nacht hat den Blick geleert.
Klappe zu und durch, mit dem Flammenschwert.
Irrsinn! Blitzt aus Kameraaugen.“
Doch was soll dieses ganze Herumgerede immer, wenn Distelmeyer die Situation in seinen Texten wieder einmal am besten auf den Punkt bringt: „Ein Oldie feiert sein Comeback, die Leute finden’s funky, denn es macht ihnen Mut“ – Ganz so sieht es nämlich aus. Wir finden’s funky und gerade das zweischneidige Schwert macht die Platte auch so interessant. Das Warten hat sich wirklich gelohnt.
VÖ: 25.09.2009 auf Columbia.
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