„Neo Disco“, „Space Jam“, „Modern Soul“ – alles Neologismen gewiefter Musikblogger, die versuchen den Sound, den Jungle machen, zu beschreiben. Wie auch immer man es benennt, das gleichnamige Debüt des mysteriösen Duos glänzt mit einer wild zusammengezimmerten, elektronischen Mischung aus Funk-, Trip Hop-, Old School Disco- und Jazzsounds, die zu spontanen durchchoreographierten Tanzeinlagen einladen.
Es ist wohl eine der bekanntesten Internetutopien, mit einem kleinen, aber feinen Track aus dem Nichts aufzutauchen, von null auf hundert die Aufmerksamkeit des versammelten Internets für sich zu gewinnen, um auf eine sich anbahnende Welle des Hypes, die Pitchfork, NME & Co. bestimmen, aufzuspringen, Album, Welt-Tournee und ewiger Ruhm inklusive.
Das eingängige, funkige „The Heat“, in dem zwei synchrontanzende Rollschuhfahrer im Partnerlook durch eine abgewetzte Tiefgarage skaten, war so ein Track, der 2013 ins Internet geworfen, von jetzt auf gleich abertausende Views hatte und alle Musik bloggende Spürhunde auf das „mysterious duo“ Jungle ansetzte. Mit dieser ersten Single brachte Jungle das moderne, urbane Feeling der so-called Generation Y, die zwischen der ultimativen Selbstverwirklichung in der Großstadt und nach Sinn suchenden Existenzkrisen schwebt, auf den Punkt.
Kaum ein dreiviertel Jahr später hat das vorfreudige Warten auf die erste Platte ein Ende. Die seit Kindertagen befreundeten Köpfe von Jungle haben zwar nicht mehr als das, aber immerhin ihre Namen – Joshua LLoyd Watson und Tom McFarland – Preis gegeben und nach der Veröffentlichung von „Platoon“ nun mit „Jungle“ ein phänomenales Debüt nachgelegt.
Nachdem (wie sollte es anders sein) „The Heat“ die Platte eröffnet, und sich der Trip-Hop-Track „Accelerate“ fast unbemerkt, nur etwas langsamer anschließt, läuft mit Fanfaren „Busy Earnin“, die dritte Single des Duos aus West-London, ein. Der von einem funkigen Horn und Slap Bass getragene Track besingt in den höchsten Falsettotönen das „liebe“ Großstadtleben: „damn, that’s a boring life/you can’t get enough/just busy earning”. Nach Rollschuhfahrern und der Hip Hop tanzenden B-girl Tara, findet sich nun eine Gruppe Mitzwanziger in einer leerstehenden Lagerhalle zusammen, um – man möchte fast meinen die großartigste – Choreographie seit Menschengedenken zu tanzen.
So wundert man sich nicht darüber, dass J und T in der jazzigen Downbeat-Nummer „Drops“ in noch schwindligere Höhen verschwinden, mit „Smoking Pixels“ einen kurzen, athmosphärischen und völlig gesanglosen Ausflug in psychedelischere, Western-Stimmung verbreitende Gefilde machen oder mit „Time“ allem dagewesenem beinahe für unmöglich gedachte Konkurrenz machen.
Bei allem Lobgesang muss man sich aber eingestehen, dass die benannten Tracks doch am allerbesten für sich funktioneren, weswegen „Lucky I Got What I Want“, „Julia„ oder „Crumbler“ eher hinten runter fallen. Alles in allem ist das Debüt von Jungle aber eine funkige, beinahe ekstatische „future pop“-Platte, die verdrängte, unheilvolle Gelüste danach, mit fremden Menschen „High School Musical“-artige Tanzeinlagen auf offener Straße zu vollführen, auslöst. Und das kann, man sieht es ja in den einzigartigen Videos der Band, auch etwas Gutes sein!
Man war wohl selten so gespannt auf die Tour einer Newcomer-Band, vor allem, wenn Jungle verlauten lassen, dass es nicht ihre äußere Erscheinung sein wird, die das große Aufsehen erregt:
„You’ll probably be able see our faces, but there are bigger things to look at. You don’t wanna look at our ugly mugs anyway!“
Was, wann, wo gibt’s hier nachzulesen.
VÖ: „Jungle“ erschien am 14. Juli 2014 via XL Recordings.