Zahnräder greifen ineinander, setzen Maschinen in Kraft, die uns jeden Tag vorantreiben. An die Orte, an denen wir nicht sein wollen, mit Menschen an der Seite und Gedanken im Kopf, denen wir nur zur gerne aus dem Weg gehen würden. Ein Leben, das mehr verspricht, als es hält. Wie man da rauskommt, wissen Karamel auch nicht, aber sie zeigen uns, wie man aus diesem Schmerz grandiose Kunst machen kann.
Es war einmal einer namens Harry, genannt der Steppenwolf. Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlich war er doch eben ein Steppenwolf. Er hatte vieles von dem gelernt, was Menschen mit gutem Verstande lernen können, und war ein ziemlich kluger Mann. Was er aber nicht gelernt hatte, war dies: mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein.
(aus Hermann Hesse: Der Steppenwolf)
So süß wie die ähnlich geschriebene Zuckerspeise ist die Musik, die Johann Scheerer macht keineswegs. Bereits mit seinen beiden Alben Komm besser ins Haus (2005) und Schafft Eisland (2007) begann er unter dem Pseudonym Karamel einen roten Faden aus Tristesse und Weltschmerz zu spinnen, den er nun auch durch seine dritte Veröffentlichung Maschinen zieht. Zusammen mit dem musikalischen Partner Sebastian Nagel und den Gastmusikern Kraków Loves Adana und Gisbert zu Knyphausen, leisten alle Beteiligten hier ihren Beitrag zu einem Album, das man nicht anders als einen Höhepunkt bezeichnen kann.
Anfangs sind es noch dunkle und ruhige Melodien, die einem selbst Schutz vor dem Sturm vortäuschen, doch sobald man sich erst in Sicherheit wiegt, beginnen Karamel damit alles niederzureißen – sowohl textlich als auch musikalisch, mit einer emotionalen Härte, die sich jede Hardcore-Kapelle wünschen würde. Der Kampf, mit dem eigenen Steppenwolf an den Grenzen der Schizophrenie und der Konsequenz, dass man sich nie sicher fühlen kann. Auf elf Stücke verteilt, zeigen Karamel hier die schon gewohnte Qualität der beiden Vorgänger, doch dieses Mal schaffen sie eine unbändige Nähe, die einen selbst zum Protagonisten werden lässt. So wird man beispielsweise bei „Ein Leben im Kreis“ – das man sich gar nicht „erste Single des Albums“ zu nennen traut – zum Teilnehmer einer Expedition auf einen musikalischen Vulkan, der schon von Beginn an brodelt, dann nach der Hälfte zum Ausbruch kommt, wenn der durch Effektgeräte verstärkte Gitarrenklang auf die vom Singen ins Schreien gewandelte Stimme Johann Scheerers trifft und man eigentlich nur noch mitleiden kann. Dies ist zwar anstrengend und schmerzt manchmal, aber lässt einen selbst im Gegenzug aus diesen Liedern etwas Eigenes machen.
Du sprichst von Schmerzen im Kopf. Du sprichst von Bildern und von kargen Illusionen. Und von den Wehen davor und danach und natürlich auch dabei. Und du malst Welten aus Eis – voll mit Idioten aus grauen Illusionen. Und Füßen aus Stein und aus Lügen mit kurzen Beinen.
(aus „Lauf noch ein Stück“)
Auf Maschinen trifft eine ungemeine Frustration auf Musik, die sich erst langsam und seicht an den Körper anschmiegt, dort eine Zeit lang unbemerkt verweilt, um dann plötzlich auszubrechen und alle Brücken hinter sich niederzubrennen. Dies ist keineswegs optimistisch, euphorisch oder gar motivierend, aber so ist das Leben eben auch nicht. Höhenflüge müssen hart erkämpft werden und schlussendlich kommt dann doch wieder der Fall, von dem wir uns wieder lernen müssen, zu erholen und die nötigen Konsequenzen zu akzeptieren. Karamel schaffen es hier erneut, den Hörer auf den Boden der Realität zurück zu holen und das mit einer Wahrheit, die erschreckend bekannt erscheint, weil wir sie jeden Tag leben. Und wie auch Harry Haller steht man vor jedem Auflegen dieser Platte selber außerhalb dieses Magischen Theaters und darf selber entscheiden, ob man das Eintreten wagen will – aber Achtung: „Eintritt nicht für jedermann. Nur für Verrückte.“
„Maschinen“ erscheint am 17. April 2009 auf DevilDuck Records.
Zusätzlich zu dieser Rezension standen uns Karamel in einem Interview mit Chrissie Rede und Antwort und gaben auch noch eine kleine exklusive Akustik-Session.
Gute Rezension zu einem sehr guten Album, Christopher!
abslolut super!
Depressionen!
Monoman
Kann helfen oder gerade wie man in Stimmung ist
Gut wenn es mal ernst genommen wird.
Welch eine Preis wieder und doch mit der Angst
Momentsache?
Wo leben wir
Gruß