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Karamel – Schafft Eisland

karamelWie weit gehen die Meinungen auseinander, wenn man über Werke von Goethe oder Schiller redet? Der, der eigentlich keine Ahnung hat, sie aber haben will, findet es meist grandios. Ein anderer gibt zu, keinen Zugang zu finden. Und wieder andere, sie verstehen die Kunst, diskutieren. Über Form und Inhalt. Darüber, ob es gelingt, das empfundene zu transportieren. Bei Karamels Zweitwerk Schafft Eisland wird es zweifelsfrei ähnlich sein.

Nun mag der geneigte Leser behaupten, der hier Schreibende greife ein wenig hoch. Das tut er ganz bewusst. Doch ist es keine Euphorie, die hier ausschlaggebend dafür ist, sondern lediglich die Tatsache, dass ein Vergleich auf niedrigerer Ebene nicht dieselbe Wirkung hätte.
Warum? Weil es hier tatsächlich um Lyrik geht. Nicht um lyrisch angehauchte Popmusik, nicht um leicht abstrahierte Gedankengänge in Kombination mit Popmusik. Nein. Karamel ist Lyrik.

In einem Sarg aus Waschbeton / sind wir ein letztes Mal davongekommen / haben uns dann eingegraben / unter Blumen vom Balkon. / Und unsere Träume waren gut genug / zu dienen als ein Überzug / von Schuhen aus zertretenen Schwärmereien – Erinnerst du dich? / Und alles, was wir aufgebaut / Aus Luft und Liebe, Zeit und Raum, war wertlos / da draußen pries man den Verstand – Erinnerst du dich?

Derart ausgeklügelte Worte des uns als Johann bekannten Verfassers gibt es nicht nur im als Kopf/Kristall benannten Song, nein, sie ziehen sich durch das gesamte Album. In diesem Falle werden sie von schönen Pianoklängen eines Herren begleitet, der nicht unbekannt dafür ist, jene zu produzieren: Thies Mynther (Superpunk, Phantom/Ghost, Stella), der Teil dessen ist, das inzwischen wirklich als Band bezeichnet werden darf. Neben nämlich jenem Tastenbespieler steuert Partner Sebastian Nagel die Gitarre bei, während es weiterhin ein Schlagzeug und teilweise weibliche Gesangsbeiträge gibt. Diese Zusammensetzung erklärt auch schon, wie man sich die Musik vorstellen kann: eher simpel, was hier aber mehr als notwendig ist, um kein einziges Wort Johanns untergehen zu lassen.

Elf Lieder und ein zehnsekündiges Intro zählt das Album. Elf Lieder also, allesamt gefüllt von Zeilen wie den oben angeführten. Der Hörer wird auf seine Durchhaltefähigkeit geprüft: Wie lange ist es auszuhalten? Schreit er schon nach Lied 2 oder verlangt er erst nach zwei Dritteln nach einem klaren Wort? Nach einem Textfragment, das nicht bis endlose abstrahiert und verkleidet wurde. Die Suche bleibt zumindest nicht ganz vergeblich. Hierbei stößt man auf ein Lied, das den Namen Sag mal, Johann trägt und es gelingt erstmals, den Kopf zumindest während großen Teilen des Liedes zurückzulegen, die Augen zu schließen und zu genießen. Zu verstehen, ohne dabei ständig hochkonzentriert sein zu müssen.

Sag mal, Johann, kann es sein, dass du ständig müde bist? Und ist es möglich, dass kein Schlaf hilft und du irgendwas vermisst? Keine Antwort, weil ich denk, dass es keine Frage ist und weil ich ständig müde bin und weil ich irgendwas vermiss.

Man verstehe den hier Schreibenden bitte nicht falsch. Jener ist kein Freund von simplen Worten, die so mirnichts, dirnichts herausgeblasen werden und es letztlich nicht schaffen, irgendeine Regung des Hörers zu erzeugen. Doch stellt sich die Frage, ob es denn sein muss, jedes Wort hinter 24 Vorhängen zu verstecken, jeden Satz zwölf Mal umzudrehen, bevor man ihn ausspricht?

Hier darf man geteilter Meinung sein, womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären. Eine konkrete Wertung jedoch wäre völlig unangebracht.

Was bleibt, ist Schmerz. Du nennst es Liebe, weil es sich besser anhört.

VÖ: 17.08.2007 (Devilduck Records)

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