Mit einer Träne im Knopfloch nahmen wir die kurzfristige Tour-Absage der aufstrebendsten deutschen Indie-Formation zur Kenntnis. Nun endlich beginnt das Quintett in kleinen Episoden die Termine nachzuholen. Umso erfreuter finden wir uns in der imposanten Kulisse des Münchener Muffat Werks ein um den Auftakt des Konzertreigens der Kilians mit zu erleben.
Die Geschichte des Kollektivs aus der westfälischen Provinz schien nahezu perfekt zu verlaufen- positive Resonanz sämtlicher führender Musik-Gazetten, gute Besprechungen des neuen Werks „They’re Calling You’re Name“ und darüber hinaus eine kurz bevor stehende, umfassende Deutschland Tournee. Kurz um, die Band befand sich auf der Überholspur. Zeitlich denkbar ungünstig ereilte Sänger Simon den Hartog jedoch eine schmerzhafte Stimmbandentzündung, welche den Tour-Tross bereits vor Beginn der Konzert-Reise zum Erliegen brachte. Nachdem einige Festivals gespielt wurden, schickt sich die Formation nun an, die Clubs im gesamten Bundesgebiet zu füllen. Und dies gelingt den Jungspunden am heutigen Abend beachtlich gut: Das im Muffat Werk befindliche Ampere ist ausverkauft. 450 überwiegend weibliche Besucher, warten in einer gleichermaßen historisch wie futuristischen Atmosphäre. Das Ampere wirkt ein wenig wie eine neuzeitliche Lagerhalle, erinnert durch seine Balken-Verstrebungen an der Decke allerdings auch an eine altertümliche Scheune. Im Ganzen, jedoch ist dieser Veranstaltungsort mit seiner auf die hölzerne Bühne gerichteten Empore sowie seinen mit Neon-Leuchtschildern gespickten Bars perfekt konzipiert.
Um 20.10 Uhr eröffnen Leo Can Dive. Die vier Duisburger geben sich verbal zurückhaltend, musikalisch hingegen brachial. Eine Mixtur, die vor allem bei den zahlenmäßig in der Minderheit anwesenden Jungs auf fruchtbaren Boden trifft. Mit zunehmender Dauer des Auftritts des Quartetts nehmen die Interaktionen des Publikums stetig zu. Was zunächst mit vereinzelten, rhythmischen Bewegungen der ersten Reihen beginnt, erwächst schließlich zu einer tanzenden Meute im Zentrum des Auditoriums. Abschließend spendet die Zuhörerschaft für die Maßstäbe einer Vorband gar überwältigenden Applaus und dies ist durchaus verdient.
Der Abend verspricht nach diesem Beginn also Großes und in der Tat soll das Nachfolgende auf ganzer Linie überzeugen. In vollkommener Dunkelheit schleichen sich die fünf Kilians förmlich auf die Bühne. Was dann folgt ist schier eine Demonstration, dass sich diese Band durch den Rückschlag im Mai, den Hartogs Erkrankung betreffend, keinesfalls hat irritieren lassen.
Das Quintett beginnt mit „The Lights Went Off“ und geht nahtlos in das temporeiche, rastlose „Tackern“ über. Ein furioser Auftakt. Es folgt ein Song des Erstlings „Kill The Kilians“, die bereits früh das Gespür der Formation für eingängige Melodien unter Beweis stellen. Das Publikum setzt sich in Bewegung und wird in den kommenden 90 Minuten nicht wieder zum Stillstand kommen. Vielmehr wird frenetisch mit geklatscht wenn es nur die geringste Gelegenheit dazu gibt.
Darüber hinaus präsentieren sich die Kilians ausgeruht und übermäßig spielfreudig. Den Hartogs Stimme wirkt dabei wieder voll und gefestigt. Er steht wieder an vorderster Front seiner Band, nie um einen Spruch, getränkt mit einem kräftigen Schuss Selbstironie und schon gar nicht um eine geschmeidige Tanzeinlage verlegen. Um ihn herum wirken seine Mitstreiter nicht mit überzogener Ernsthaftigkeit, aber dennoch konzentriert. Gerade diese jungenhafte Leichtigkeit auf der einen, die musikalische Professionalität auf der anderen Seite zeichnen dieses aufstrebende Quintett aus.
Es wirkt gerade so, als habe das Kollektiv viel zu lange nicht auf der Bühne gestanden und sei nun begierig all die versäumten Minuten nachzuholen. Längst vergeben ist dabei der Fakt, dass die Band eigentlich schon im Mai ihre Hörerschaft in der bayerischen Landeshauptstadt mit einem Gastspiel beglücken wollte und wenn sich jemand so überaus ehrlich zu entschuldigen weiß wie Sänger den Hartog, ist diese Verspätung doch schnell verschmerzt. „Wir sind wirklich froh, dass ihr uns offensichtlich deswegen nicht böse seid. Schließlich seid ihr hier.“, lächelt er ins Publikum. Im Verlauf des Abends ergießen sich weitere Belobigungen seitens der Band über das konditionell beachtliche Publikum. Zweifelsohne wollen Kilians genau an diesem Abend in München genau dieses Konzert spielen. Die Gesichter der Musiker verleihen ihrer Freude Ausdruck und die Ansagen den Hartogs wirken sympathisch natürlich. Keine Frage, diese jungen Herren haben ihre Bodenhaftung nicht verloren, sonder wissen noch sehr genau, wo sie herkommen. Dies zielt jedoch nicht in die geografische Richtung, denn dass Kilians aus Dinslaken kommen ist wohl mittlerweile so ziemlich jedem bekannt. „Ja, wir kommen aus Dinslaken, jeder der heute hier ist weiß das. Uns ist ehrlich gesagt egal wo eine Band herkommt. Trotzdem kommen wir gerne von dort und haben ein Lied darüber gemacht.“, kündigt der in ein einfaches schwarzes Shirt und eine schlichte Blue-Jeans gekleidete Sänger den Song „Hometown“ an.
Und so bestreitet die Band ihren Auftritt mit bewundernswerter Hingabe. Es darf diesbezüglich durchaus von einem Hit-Portfolio gesprochen werden, denn die Melodien dieser talentierten Formation weisen einen eindeutigen Wiedererkennungswert auf und die Songs bleiben somit im Gedächtnis. Nach 60 energetischen Minuten endet das reguläre Set, die Band verabschiedet sich provisorisch, um kurz darauf für eine ausgiebige Zugabe erneut die Bühne zu betreten. Selbst die äußerst kurze Pause zwischen Haupt- und Zugabenteil des Konzerts verdeutlicht erneut, dass die fünf Jungs aus Nordrhein-Westfalen absolut gewillt sind, ihre Musik den Menschen vorzutragen. Dementsprechend lang gestalten sie die Zugabe. Vier weitere Songs beschließen einen wunderbaren Abend.
Tosender Beifall verabschiedet das Quintett, welches sich artig und mit einem Lächeln vor seinem Publikum verbeugt. Wir konstatieren derweil ein bemerkenswertes Konzert, einer Band, die zu Recht im Aufstieg begriffen ist. Ein Auftritt der keine Wünsche offen ließ. Aus der sich entspannenden Atmosphäre des Amperes treten wir hinaus in die laue Münchener Sommernacht. Das nächtliche Muffat Werk wirkt prächtig illuminiert noch imposanter als bei Tageslicht. Gleiches gilt für Kilians. Zuvor erschien die Band interessant, im Nachhinein können wir jedoch eine eindrucksvolle Vorstellung resümieren, in deren Genuss demnächst hoffentlich möglichst viele ebenfalls beeindruckte Konzert-Besucher dieser vor Elan strotzenden, sympathischen jungen Formation kommen werden.
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Setlist
1. When The Lights Went Off, 2. Tackern, 3. Inside Outside, 4. Legally Fly, 5. Said And Done, 6. Innocence, 7. Enforce Yourself, 8. ?, 9. Hometown, 10. Fight The Start, 11. 12 Boxes, 12. When Will I Ever Get Home, 13. Sunday, 14. Used To Pretend, 15. Dizzy, 16. ?
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Kilians auf Tour.
10. Jul. 09 Northeim, Waldbühne – Fest van Cleef
11. Jul. 09 Freiburg, ZMF – Fest van Cleef
12. Jul. 09 Essen, Delta Park Open Air – Fest van Cleef
16. Jul. 09 Wiesbaden, Schlachthof
17. Jul. 09 Reutlingen, KuRT
18. Jul. 09 Rudolstadt, Festival
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