Vom 5.7 – 6.7.2019 fand in Chemnitz nun schon zum siebten Mal das Kosmonaut-Festival statt. Und dieses Mal gab es einen Zugabetag: das Kosmos Chemnitz.
Der Tag davor – Donnerstag
Felix und Steffen von Kraftklub haben in ihren Podcast „Radio mit K“ bereits vor Wochen dringend und völlig unverschlüsselt empfohlen, bereits am Donnerstag anzureisen. Es würde eine kleine Party zum 30. Geburtstag von Felix geben, die man nicht verpassen sollte.
Das war nicht der einzige Grund, einen Tag vor dem offiziellen Start des Festivals sein Zelt am Ufer des Stausees Rabenstein aufzuschlagen. In Anlehnung an das #wirsindmehr-Konzert gegen Rassismus und Fremdenhass im vorigen Jahr, fand am Donnerstag vor dem Kosmonaut-Festival nun erstmals das Kosmos Chemnitz, eine stadtweite kostenfreie Veranstaltung unter dem Motto #wirbleibenmehr statt. Dabei spielte nicht nur Musik, u.a. von Herbert Grönemeyer, Joris, Tocotronic, Fatoni, Alligatoah und vielen anderen eine Rolle, sondern auch Galerien und Museen öffneten ihre Tore, das Basketball-Team der Niners Chemnitz bouncte und in Lesungen und Diskussionsrunden präsentierten sich die Kulturschaffenden der Stadt so bunt, wie es für Chemnitz immer wünschenswert wäre.
Am Abend fand ein bisschen versteckt, aber nicht unauffindbar, dann tatsächlich die angekündigte Party von Felix statt. Das Weltecho, ein winziger Club in der Chemnitzer Innenstadt, verwandelte sich in eine Mischung aus Sardinenbüchse und Tropfsteinhöhle. Wer nicht Schweißtropfen abschüttelte, war nicht dabei. Auf der Bühne hatte sich Felix einen kleinen musikalischen Freundeskreis eingeladen. Einige waren ja sowieso wegen des Festivals da, andere kamen extra dazu. Mit dabei waren Casper, K.I.Z, Nura, Blond, Alligatoah, Zugezogen Maskulin und natürlich Bandkollegen von Kraftklub, die alle auf der kleinen Bühne zusammen mit Felix performten oder sich gegenseitig in den klatschnassen Armen zu lagen und feierten.
Tag 1 – Freitag
Am Freitag ging es dann mit dem eigentlichen Kosmonaut-Festival los. Der Shuttle-Service von der Innenstadt funktionierte reibungslos und wenn man einmal vor Ort war, ist das Kosmonaut wirklich ein Festival der kurzen Wege. Der Zeltplatz liegt direkt am Festival-Gelände. Da dort sonst ein Strandbad in Betrieb ist, stehen richtige Duschen und WCs zu Verfügung – ein nicht zu unterschätzender Komfort.
Falls einmal auf den sechs Bühnen gerade nichts passiert, was das musikalische Fan-Herz flattern lässt, kann man baden gehen, Mini-Golf spielen, sich einmal durch die Gastro-Buden futtern (Raclette und Mandarinen-Eis kann ich sehr empfehlen) oder am Postamt eine Karte an Mutti schreiben. Es ist genug Platz, um einfach mal nur auf der Liegewiese am See zu verweilen und trotzdem noch der Musik von der Hauptbühne zu lauschen. Logistisch hab ich selten ein so gut durchdachtes und wirklich liebevoll gestaltetes Festivalgelände gesehen.
Und natürlich gab es jede Menge Bands auf sechs Bühnen. Hier meine musikalischen Highlights.
Am Freitag spielten Die Nerven auf der mittelgroßen Atomino-Bühne unter den Kameralinsen der arte.tv, die live streamten. Scheinbar getrieben vom Wahnsinn ging es mit „Niemals“ los. In einer Mischung aus Postpunk und Hardcore schrammelten Max Rieger, Julian Knoth und Kevin Kuhn ihre Lieder herunter, mitunter so dicht und laut, dass man den Text kaum verstehen konnte. Dafür muss man sich wohl das Album holen, das erstaunlich vielfältig daher kommt. Im Publikum zappelten aufgrund der noch frühen Stunde eher mäßig verteilt einige Fans, aber auch Neugierige blieben stehen und schauten sich das Spektakel an. Bei „Der letzte Tanzende“ verlässt Kevin sein Schlagzeug und schreit so laut ins Mikro, als dürfte er das sonst nicht und will es jetzt endlich mal ausgiebig nutzen. Ich hoffe, alle Jungvögel der umliegenden Bäume sind vorab evakuiert worden. Derweil hat sich Drangsal auf die Bühne geschlichen und bearbeitet konzentriert das Schlagzeug, bis Kevin ihn wieder von seinem angestammten Platz vertreibt. Was für eine Show.
Ich bin froh, mir direkt danach bei Bosse wieder die Daunen glätten zu können. Bosse könnte auch ein Baby in den Schlaf wiegen, etwas Besseres zur Regeneration hätte jetzt gar nicht kommen können. Jetzt ist es voll vor der Hauptbühne. Junge Pärchen verschlingen sich ineinander, Eltern tragen Kinder mit riesigen bunten Kopfhörern auf den Schultern, die mit den Armen gen Himmel im Takt klatschen. Und wenn Bosse von ersten Küssen singt, die nach Erdbeerbowle und Spucke schmecken, bewegen sich Tausenden Hände nach links und rechts, als würde der Wind sie wiegen. Wie schön.
Gegen Ende des ersten Festival-Tages treten Kraftklub auf die Bühne und lüften das Geheimnis um den Geheimen Headliner. Die Spekulationen sind wild und gut. Es ist allerdings Scooter. Viele bleiben. Ich gehe.
Tag 2 – Samstag
Der Samstag verspricht Großes, denn heute reihen sich wunderbare Bands dicht an dicht. Los geht es mit den großartigen Giant Rooks.
Die fünf Jungs aus Hamm sind mittlerweile nach Berlin gezogen, aber eigentlich zur Zeit auf Festivalbühnen zuhause. Gerade haben sie ein UK-und Italien-Tour hinter sich, demnächst folgt ein Gig in Paris. Auf Englisch zu singen, hat ganz klar seine Vorteile. Hinzu kommt, dass die Melodien nicht typisch Deutsch klingen, sondern eher mit Songs von Bands wie Alt J oder Arcade Fire verglichen werden. Giant Rooks haben ein Gespür für eingängige, intensive Melodien. Hinzu kommt eine leidenschaftliche Live-Show. An Frederik, dem Lead-Sänger ist ein Drummer verloren gegangen, immer wieder greift er zu den Sticks und explodiert wie ein Vulkan an den Trommeln, um Sekunden später wieder ganz zärtlich und leise ins Mikro zu singen. Und das Erstaunliche ist, dass es noch gar kein Album gibt, bisher sind nur 3 EPs erschienen. Man darf also gespannt sein.
Direkt danach wurde es leider etwas leerer, so viele kennen Parcels scheinbar noch nicht, obwohl die Band aus Australien schon einmal auf dem Kosmonaut gespielt hat. Los geht es mit „Everyday“, das hier fast ausschliesslich instrumentalisiert geboten wird. Gefolgt von My Enemy und dem Hit Be Myself taut das Publikum auf. Spätestens bei Comedown mit seinen unwiderstehlichen synthiegetränkten Hooks tanzen die Leute.
Auf der Kosmo-Wash-Bühne, die übrigens insgesamt einem erfreulich hohen Frauenanteil eine Bühne bot, spielen derweil Steiner&Madlaina.
Das Duo aus der Schweiz, heute in Begleitung ihrer Band, hat in diesem Jahr mit „Cheers“ ihr Debüt veröffentlicht und wird nun völlig zurecht von Festival zu Festival weitergereicht. Niemand will die charmante Show verpassen, in der mal zarte, mal energiegeladene Songs in (mindestens) drei Sprachen dargeboten werden. Das musikalische Spektrum ist an Vielfältigkeit kaum zu überbieten. Zu dem Pop-Song „Das Schöne Leben“ wird enthusiastisch mitgetanzt, bei leisen Balladen wie „Groß geträumt“ wird still gelauscht. Auch ein paar neue Lieder werden ins Programm gestreut und getestet. Das macht Hoffnung auf eine baldige zweite Platte.
Von Wegen Lisbeth, mit der es auf der Hauptbühne weitergeht, sind eine vorbildliche Festivalband. Sie nehmen alles mit, was an Aktivitäten geboten wird: Bootfahren, Liegestuhlhopping, Flunky Ball spielen. Herausforderer beim Flunky Ball waren traditionell Kraftklub als Gastgeber. Ich war zu so früher Morgenstunde noch nicht dabei, aber mir ist überliefert worden, dass Von Wegen Lisbeth als Sieger hervorgegangen sind. Glauben wir es mal.
Auf der Bühne liefern sie zuverlässig eine der Größe angemessene, aber unaufdringliche Show. Der immer noch extraschöne Hüftschwung von Matze bringt Mädchen zum Jauchzen und Jungs nicken im Takt. Alles nice.
Der Headliner auf der Hauptbühne sind am Samstag Abend K.I.Z., bei „Hurra, die Welt geht unter“ kommt unter großem Jubel Henning May von AnnenMayKantereit dazu.
Danach gab es auf verschiedene Bühnen noch DJs, die für eine Party bis in den Morgen sorgten, darunter auch Drunken Masters, bei denen mal wieder auch Felix Kummer mitrappte. Mit ein bißchen Planung war also für (fast) jeden Geschmack etwas dabei.
Hier noch das offizielle Rückblicksfilmchen und wem das nicht reichen sollte, stöbert einfach noch ein bisschen auf der Kosmonauten-Seite herum: www.kosmonaut-festival.de