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Kreisky – Meine Schuld, Meine Schuld, Meine Grosse Schuld

Es war von vornherein klar, dass man es bei Kreisky mit keiner gewöhnlichen Band zu tun hat. Benannt haben sie sich nach dem Ex-Bundeskanzler Österreichs, auf ihrem Debütalbum grinsen einem die vier Wiener mit verzerrten Gesichtern entgegen und bei ihrem Zweitling dichten sie mit „Meine Schuld, Meine Schuld, Meine Grosse Schuld“ kurzerhand das Schuldbekenntnis der katholischen Kirche in ihre ganz eigene Religion um.

Und das darf man sich ungefähr so vorstellen: Die Bibel ist zusammengesetzt aus erlesenen soziophoben Texten der letzten Jahrzehnte, anstatt Obladen und Wein gibt es Zigaretten und Absinth auf den Tisch, der Gottesdienst läuft maximal nach Mitternacht ab und predigen darf nur, wer eine ordentliche Wut im Bauch spürt. Es sind die Extreme, die diese Band liebt. Aber immerhin eines haben sie der guten alten Kirche abgeguckt: Die Orgel ist auch bei der Musik von Kreisky dabei.

Zugeben, ich höre ja auch kein Metal, aber trotzdem: So ein rasanter Opener wie „Die Motoren“ ist mir bis dato auf noch keinem Album begegnet. Ab der ersten Sekunde poltern Schlagzeug, Gitarre, Orgel und Bass um die Wette, dass es einem nur so Rückgrat bricht. Die Band um Sänger Franz Wenzl hat anscheinend noch einiges an Fahrt dazu gewonnen seit dem selbstbetitelten Vorgänger und das steht der Band bildhübsch zu Gesicht. Nichts desto trotz mangelt es der Musik nicht an eingängigen Melodien und den geliebten zuckenden Gitarrenriffs. Das hier ist nichts anderes als Rock/Pop, aber eben um einiges intensiver und kreativer, als man es normalerweise gewöhnt ist – Die guten Österreicher halt wieder, dieses Land ist eine Goldgrube.

Was die Musik noch besonders interessant macht, sind die Texte – sprich die Einstellung – von Franz Wenzl. Der Albumtitel als bestes Beispiel: Hinter der selbstlosen Aussage steckt den Lyrics zufolge nichts weiter als eine Situation an Karneval, bei der Konfetti ins Auto geriet. Franz Wenzl stellt dieses aber als eine Katastrophe höchsten Ausmaßes dar und ertränkt sich fast in seiner Einsicht darüber, dass es „seine Schuld, seine Schuld, seine grosse Schuld“ sei, dass das „glitzernde Zeug“ nun nie wieder aus seinem Wagen herauszubekommen sei, denn er wollte ja schließlich diesen Weg fahren… Manch einer mag solche Texte absurd oder gar anmaßend finden, aber nichts ist folgerichtiger, als selbst ein wenig aus dem Rahmen zu fallen zu sein in dieser gestörten Welt.

„Du hast so schöne Zähne, wenn du lachst.
Zweiunddreißig wunderschöne Zähne!
Wenn du beißt, hast du auch schöne Zähne.
Also beiß zu, beiß zu, beiß zu, beiß zu…“

Alles in allem kann man nur den Hut ziehen vor diesem Album. Eine beachtliche Leistung in Anbetracht der eigentlichen Beschränktheit, die ein Quartett bietet. Und das Beste an dem Album: Genügend Slogans für die nächste Alltagsauseinandersetzung hat man nach dem Durchhören dieser Platte auch in petto. Was ist schöner, als der alten Dame, die an der Kasse bereits seit fünf Minuten ihre Moneten zählt, endlich mal entgegen zu schmettern, was man sich schon immer dachte: „Wer hat das Programm installiert, nach dem du Depp funktionierst?!“


VÖ: „Meine Schuld…“ erscheint am 24.04.2009 auf Wohnzimmer.

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