Wäre das Musikbusiness ein Ozean, dann wäre Miss Platnum wahrscheinlich ein Regenbogenfisch, der diverse Haifischgrinsen aus den Gesichtern fegt, weil alle Münder vor Staunen offen stehen. Die gebürtige Rumänin ist immer wandelbar und bleibt sich dennoch selber treu. Genau das hört man mehr denn je auf ihrem neuen Album „The Sweetest Hangover“. Gleichzeitig back to the roots und trotzdem so ganz anders? Für Miss Platnum kein Problem.
Es ist ein weiter Weg von Rumänien nach Deutschland. Die ca. 1700 km legt Ruth Maria Renner 1989 im Alter von acht Jahren zurück und landet in Berlin. Dort stößt das kleine Mädchen zunächst auf ganz eigene Barrieren aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse. Musik, vor allem Gesang, wird schnell zu einem Zufluchtsort.
Die ersten Schritte in Richtung Musikkarriere, ein wenig beachtetes R&B-Album, sind eher ein Stolpern. Rückblickend leicht zu sagen, dass die Musik nicht zu der Person dahinter passt und dass der Weg Ruth Maria deshalb in eine andere Richtung führt. In den eher traditionellen Klängen ihres ursprünglichen Heimatlandes, verknüpft mit Elementen der westeuropäischen Musik, findet sie schließlich den Weg, dem es zu folgen lohnt, und so wird die Sängerin zu Miss Platnum – zugleich Alter Ego wie wohl auch einfach ein Stück Selbstfindung, ist doch die Musik in ihrer Zusammensetzung Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
2007 gelingt mit ihrem eigentlichen Debütalbum „Chefa“ der große Durchbruch und es folgen Support-Auftritte für die Berliner Dancehall-Combo Seeed, mit denen sie inzwischen eine enge Freundschaft verbindet, wie auch den Fantastischen Vier. Zunächst steht Miss Platnum diesen Konzerten eher misstrauisch gegenüber, aber schon bald stellt sich heraus, dass die Herausforderung, ein fremdes Publikum für sich zu gewinnen, durchaus lohnenswert ist. Hits wie „Come Marry Me“ (mit Peter Fox) oder, vor allem, die Hymne „Give Me The Food“ bringen der Wahlberlinerin gleichermaßen die Aufmerksamkeit sämtlicher Medien wie auch die größten Erfolge.
Ein großes Stück Arbeit liegt nun hinter der Miss und der Crew drumrum. Produziert wurde „The Sweetest Hangover“ genau wie der Vorgänger zusammen mit DJ Illvibe und Monk aka „The Krauts“, deren Arbeit und Zusammenarbeit als Producerteam mit Seeed, Peter Fox, den Beatsteaks und den Fantastischen Vier längst bekannt ist. Im Gegensatz jedoch zum letzten Werk merkt man bereits beim ersten Reinhören die Balkan-Affinität sofort. Das mag daran liegen, dass die Platte weit weniger Samples enthält. Zusammen mit dem Team reist Miss Platnum nach Rumänien und Serbien, um mit Boban und Marko Markovic, zwei Koryphäen der Roma-Blasmusik, und deren Orchester zusammenzuarbeiten. Weder Sprachbarrieren noch Zeitdruck spielen dabei eine große Rolle; konzentriert und effektiv entsteht das Grundgerüst der neuen Miss Platnum-Platte.
Der Rest, der zuhause in Berlin dazugebaut wird, macht „The Sweetest Hangover“ zu dem einzigartigen Werk, das es nun ist: Eine Mischung aus völlig verschiedenen Musikstilen – Soul, Hip Hop, R&B und Balkan-Beats, verknüpft zu einem stilsicheren Klangteppich, bestickt mit den typischen lauten, direkten Slogans und Aussagen in den Lyrics. Trotz englischer Texte „Berliner Schnauze“ satt. Miss Platnum sagt gerade heraus und stimmgewaltig, was sie denkt und wie sie fühlt, so dass man einfach hinhören muss.
Die Themen: natürlich große Gefühle. Liebe, Eifersucht, Wut. Auch Trauer. Oder einfach Feiern, ohne an morgen zu denken.
Die Musik ist massentauglich, aber keineswegs Mainstream, und hitverdächtig ist so gut wie jeder Song. Die Vorab-Single „She Moved In“ zeigt das schon überdeutlich. Hier wäre übrigens kurz anzumerken, dass der Regisseur des zugehörigen Videos niemand geringeres als Peter Fox ist, der hier im Regiestuhl seine Premiere feiert. Vielleicht ein kleines Dankeschön, dass Miss Platnum ihm live als Background-Sängerin assistierte?
Ebenso bemerkenswert beispielsweise das irrsinnig clubtaugliche Stück „Bollywood Movie„, gefolgt vom zärtlich anmutenden und ja, für die so starke Frau beinahe verletzlichen „Don’t Go To Strangers„:
„please don’t go to strangers
when you need a little more tenderness
remember who’s here waiting
so patiently
another bed can’t be warm
without me layin‘ in it“
„Where Did You Go Boy“ erzählt eine etwas augenzwinkernde Geschichte von Eifersucht und dem typischen Zigaretten holen. Mit „Cumpletely Happy“ findet sich sogar ein Dancesong auf dem Album, begleitet von Madonna-eskem Gesang, und einer der schönsten Spätsommer-Hits ist eindeutig „Drink Sister, Drink„, der von der ersten bis zur letzten Zeile zum Feiern einlädt.
Miss Platnum geht souverän ihren Weg und bleibt dabei vollkommen authentisch, eröffnet dem Hörer sogar einen etwas tieferen Blick in Richtung ihrer eigentlichen Wurzeln. „The Sweetest Hangover“ ist ein Glanzstück, auf dem sich sowohl der Bezug zum Debütalbum wie auch eine deutliche Weiterentwicklung erkennen lässt.
Selbst wenn das Motto Fressen oder gefressen werden heißt, sieht man Miss Platnum dazu nur keck lächeln. Die großen Fische zappeln doch ohnehin schon an ihrem Haken. Die Frau weiß einfach, wie es geht.
The Sweetest Hangover (Four Music) ist seit dem 04.09.2009 bei jedem guten Plattendealer zu finden.
…es vergeht kein tag ohne dass ich nicht für sie werbung mache und anderen von ihr erzähle…!!! :-)
danke ruth, dass du deine musik zur unseren gemacht hast!