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Sonnet: Musikalische Selbsthilfe zwischen Tocotronic und den Get Up Kids

Nach fünf Jahren Bandgeschichte gelang es der Kasseler Band Sonnet nun endlich, ihr lang ersehntes Debut aufzunehmen und auch zu veröffentlichen. Wir liessen uns in diesem Interview unter anderem über die Wurzeln zwischen den Get Up Kids und Tocotronic aufklären. Das Sonnet aber etwas komplett eigenständiges ist, warum das mit dem Album so lange gedauert hat und wie man ein möglichst ausführliches Interview macht, ohne viele Fragen stellen zu müssen, erklärten uns Sonnet nach ihrer Releaseparty in der Kasseler Barracuda Bar.

<b>Da unsere geneigte Leserschaft euch größtenteils wohl noch nicht so kennt, stellt die Geschichte von Sonnet doch einmal kurz vor.</b>

Michael: Also angefangen hat es am Silvesterabend 1998, als der Matthias und ich uns zufällig in Bad Karlshafen auf einer der legendären Hallenparties kennengelernt haben, durch ein Mädchen.
Matthias: Wir kannten uns damals natürlich noch nicht. Das war ’98, also die schwerste Tocotronic Phase und da war es halt so, dass ich genau so aussah wie er. Ich hatte so ’ne Schlaghose und ’nen Seitenscheitel, genau wie er. Die Sandra Spieker aus Karlshafen hat zu mir gesagt ?Matthis, da drin ist einer, der Spormann, den musste mal kennen lernen. Der sieht genau so aus wie du und der hört genau die gleiche Musik wie du, Tocotronic und so.? Dann hat sie uns vorgestellt und er war wie immer total besoffen. Dann war da irgendwie ’ne Gitarre und dann haben wir uns in ein Auto gesetzt und den ganzen Abend nur Tocotronic-Lieder gespielt. Danach haben wir gesagt ?Wir beide müssen jetzt ’ne Band gründen?
Frank: Nach einigen netten, nach anderen weniger netten Konzerten sind wir jetzt vier junge Menschen, die mit viel Liebe Musik machen.
Michael: …und die zeigen wollen, dass man auch Rockmusik machen kann, ohne den Teufelsfinger in die Luft zu strecken!
Matthias: Dazu kommt jetzt natürlich das zeite große Thema neben Tocotronic. Man muss es ja erwähnen, es geht ja nicht anders, auch wenn es sehr ungerne gesagt wird. Das zweite große Thema ist ja das ?E-Thema?. Das war auch ’98, ich hatte da mal so ’ne Freundin, die hat das nur gehört, so mit Get Up Kids und so. Also am Anfang, viel früher, als das dann wirklich gekommen ist. Da bin ich dann so dazu gekommen. Viel später erst haben wir das dann auch dazu genommen. Das war immer da, aber wir haben uns immer die ganze Zeit nach Tocotronic angehört. Irgendwann haben wir uns dann gedacht, dass wir das auch einbauen, das war nach 2000.
Michael: Dazu möchte ich jetzt sagen, dass hier so viel über andere Bands oder andere Musikrichtungen geredet wurde… das ist ja eigentlich ganz egal! Wir denken, wir haben unser eigenes Ding gefunden. Hat sich was mit Tocotronic oder sonstwas… alles coole Bands. Aber wir sind hier, wir sind Sonnet, wir machen Musik. Sag ja zu Musik!<b>

Ihr habt irgendwann diesen Schreigesang dazu genommen, wie du gerade schon erwähnt hast. Stellt sich mir die Frage nach dem ?warum?. </b>

Roman: Eigentlich war das ja noch, bevor das alle toll fanden. Und eigentlich muss ich ja auch sagen, dass es im Deutschen immer schwer ist, den Leuten klar zu machen, dass wir eigentlich das gleiche machen wie englische Bands, nur auf deutsch. Das wird dann immer erst mit Hamburger Schule in Verbindung gebracht, weils halt deutsch ist.
Die Idee mit dem Schreigesang kam halt dadurch, dass wir verschiedene Backgrounds hatten und mit der deutschen Musik angefangen hatten, dass aber gar nicht mehr alle unbedingt gehört haben. Daraus ist das dann irgendwie entstanden. Es war eigentlich am Anfang, was uns jetzt im Nachhinein immer zu Gute gehalten wird, aber es war am Anfang schon schwer, dass es auf der einen Seite noch so poppig klingt und auf der anderen Seite den Leuten klar zu machen, dass wir halt nicht die Super-Emo-Band. Das wollen wir auch gar nicht sein, wir sind auch keine Super-Hamburger-Schule-Band, wir sind halt Sonnet und wir haben Schreien da drin, weil es teilweise echt gut in die Lieder rein passt, sich einfügt und auch irgendwie zu der Stimmung passt.
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Michael, du hast eben was vom Teufel gesagt und da fällt mir ein, dass der erste, der in eurem Booklet gegrüsst wird, Gott ist. Setzt das vorraus, dass ihr alle streng gläubige Menschen seid?</b>

Michael: Nein das überhaupt nicht und da legen die anderen auch wert drauf, dass ich das sage. Ich glaube ziemlich stark an Gott und glaube auch, dass er uns viel geholfen hat, aber wegen den anderen hätte der Satz da nicht stehen müssen. Der Matthias studiert Theologie, sei an dieser Stelle gesagt und der fand das auch gut. Aber die anderen nicht.
Roman: Wir widersprechen uns da eigentlich nicht, weil wir immer gesagt haben, dass wir für das Gute kämpfen und nicht für das Schlechte. Und nur weil Frank und ich jetzt sagen ?Wir vertreten das nicht so und sind auch nicht in der Kirche? heisst das noch lange nicht, dass wir dagegen sind.
Frank: Jeder hat seinen Glauben und das ist sehr gut so, von daher können wir dagegen gar nichts sagen.
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Womit wir übers Booklet nun die Brücke zu eurem Album geschlagen hätten. Es hat ja recht lange gedauert, bis es nun endlich erhältlich war ? was ja seine Gründe hat, welche ihr bitte mal ausführt.</b>

Roman: Ich muss, weil ich so’n Trollo bin, jetzt dafür gerade stehen… Meine Festplatte ist einmal kaputt gegangen, im Zuge des Sommers, der Baustelle, die gegenüber war und einfach der viel zu heissen Festplatte. Dadurch konnten wir bis auf das Schlagzeug alles nochmal machen. Was irgendwo auch gut war, weil wir immer wieder Neuerungen reinbringen konnten.Was natürlich dadurch ein bisschen länger gedauert hat, weil wir ? oder gerade ich da ziemlich perfektionistisch bin und so immer alles ziemlich lange gedauert hat, bis überhaupt mal was fertig war.
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Bedeutet das, dass jetzt, 1 ½ Jahre nachdem ihr das Album das erste Mal aufgenommen habt, die Songs auf dem Album alle schon 1 ½ Jahre alt sind, oder habt ihr da nach dem Festplattencrash neue Songs reingebracht oder habt ihr die Songs verändert….?</b>

Matthias: Die hören sich jetzt alle zumindest anders an, als vorher. Hätte man die Platte von vor 1 ½ Jahren neben der von jetzt gehört, hätte man es nicht wieder erkannt. Also wir haben in bestimmten Liedern völlig andere Gesangslinien reingebracht. Ganz andere Gitarren, es hat sich alles völlig verändert, andere Melodien und alles mögliche… Wir konnten immer weiter dran feilen, das war halt gut. Das war der Vorteil vom Ganzen. Am Ende waren wir echt froh, im Nachhinein, dass die Festplatte abgeschmiert ist. Auch wenn es natürlich genervt hat, dass es so lange gedauert hat.
Frank: Ich denke Mal, jetzt sind wir musikalisch da, wo wir schon immer hin wollten. Von daher war es wirklich gut, dass diese Platte nicht auf Anhieb in 2, 3 Monaten fertig geworden ist.
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Wie läuft das Songwriting bei Sonnet ab und worum dreht es sich in den Texten?
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Michael: Jeder schreibt zu Hause seine Texte, bringt die dann mit und die besten Lieder werden dann ausgewählt. Wer die letztendlich schreibt, ist ja hier nicht relevant. Wenn du zu einem Text was wissen willst, frag‘ halt speziell…
Frank: Was wir ziemlich oft schon gesagt haben und was ich auch sehr gerne sage ist, dass wir mit dem Schwert der Liebe kämpfen und dass für mich die Liebe und andere Sachen, die damit zu tun haben, eine ziemlich große Inspiration sind.
Matthias: Wir sind ja auch auf gar keinen Fall eine politische Band ? und das ist auch beabsichtigt. Erstens können das andere machen, das brauchen wir nicht machen. Das war auch nie unser Ding. Mich haben immer andere Sachen beschäftigt. Wir hatten alle mit bestimmten Sachen zu kämpfen, Depressionen und so. Politik war einfach nie unser Ding.
Roman: Da kann man auch sehen, wo die Prioritäten bei uns allen sind. Weil wenn es einem von uns irgendwie schlecht geht, dann hat das nie was mit Politik zu tun. Deswegen würde ich auch keinen von uns als unpolitisch betrachten, aber wir sind einfach ein anderer Typ Mensch, als diejenigen, die sich morgens schlechtgelaunt in die Uni setzten, weil sie meinen, unterdrückt zu werden.
Frank: Politik ist schon wichtig, aber wir beschäftigen uns eher mit den interessanteren Sachen…
Michael: Was heisst ?interessanter?, das Weltgeschehen ist ja schon doof, aber es lohnt sich für uns nicht, drüber zu singen. Ich denke, damit kann man nichts veändern, wir können uns nur selber Helfen, wenn wir unsere Lieder schreiben.Und den der’s mag natürlich mit der Musik erfreuen, aber in erster Linie helfen wir uns nur selber.<b>

Seid ihr komplett eine DIY-Band? Das Album habt ihr ja auch komplett alleine aufgenommen. Oder gibt es irgendwelche Aussichten auf ein Label oder jemand, der mit euch ’ne Tour machen will oder wie auch immer?</b>

Roman: Das ist ja nicht so, als wollten wir uns nicht helfen lassen oder so. Mit der CD gehen wir jetzt auch zum ersten Mal auf Labelsuche, aber letztendlich war es bei uns immer so, dass wir die Erfahrung gemacht haben, dass wir als Team unheimlich gut zusammen arbeiten. Es war bei aussenstehenden immer schwer, die so einzufügen, dass es uns allen gepasst hat. Wir können so alles alleine machen und regeln können, sodass uns allen das Recht ist. Das ist auch was, woran wir über die Jahre auch gewachsen sind.
Michael: Aber wir hätten natürlich gerne jemanden, der uns dabei hilft!
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Wie macht ihr das mit der Labelsuche? Und wenn ihr euch bislang immer so darüber gefreut habt, alles alleine machen zu können, warum plötzlich anders?
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Michael: Wie wir das machen… wir nehmen ’nen Briefumschlag, kleben ’ne Marke drauf und schicken das an Firmen.
Roman: Zu dem ?warum?… das ist eigentlich ganz einfach. Ich finde immer, dass ganz viele Leute, die mit der Band bis zu dem Zeitpunkt nichts zu tun hatten und dann eine Aufgabe gestellt bekommen oder meinen, sie müssten irgendwas machen, sich dann aber soweit einmischen, dass sie meinen, sie wüssten, was das Beste für die Band ist. Damit sind wir auch nicht alleine, damit haben viele Bands Probleme, dass Aussestehende immer meinen erklären zu müssen, wie man berühmt wird und was man alles falsch macht. Deswegen machen wir das alles alleine. Bei ’nem Label ist das ja was komplett anderes, unser primäres Ziel ist ja erstmal, ein Label zu finden, das uns soweit unterstützt.
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Ihr meintet vorhin, dass das euer zweites Interview ist. Kann man daraus schliessen, dass das Interesse an den Medien nicht so groß ist und wenn ja, woran liegt das?</b>

Roman: Ich glaube ganz einfach, dass wir die Prioritäten noch ganz anders setzen, als andere Bands. Wir machen nicht drei neue Lieder und gehen damit groß auf Tour, sondern wir versuchen das immer, anders rum zu machen. Also ein Set so perfekt wie möglich zu machen und daran zu arbeiten und dann spielen wir ein, zwei Konzerte. Darauf ist die Resonanz für uns gesehen auch immer ziemlich gut, nur dass wir nicht so an die Öffentlichkeit damit gehen.
Wenn das Interesse an den Medien erfragt wird, können wir natürlich jetzt groß mit unseren tollen E-Mails kontern…
Matthias: Es haben sich bestimmte Leute zu der Platte positiv geäussert. Unter anderem der Kavka von MTV und der Typ von Pittiplatsch. Die meinten, dass es sehr gut klappen könnte und wir uns mal ein Label suchen sollten…
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Wenn alles so klappt, wie ihr euch das vorstellt, wo seht ihr euch dann in einem halben Jahr?
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Matthias: Bei Rock am Ring!
Nein, alsowie gesagt, es geht erstmal darum, dass wir überhaupt etwas finden. Es denkt natürlich jeder irgendwann, wir wollen natürlich mal irgendwas damit machen, das wäre ganz toll. Also ich hab keine Lust, weiter zu studieren, der Michel hat mir eben im Auto auch gesagt, dass es keinen Bock macht… es ist schon unser Ding.
Das ist ja immer so eine Sache, ich glaube, dass man mit Musik einer bestimmten Gruppe etwas gibt. Wir sind nicht die Unterhalter, wir sind nicht die Spaßmacher. Das ist noch so’n bisschen von damals hängen geblieben, auch wenn wir sonst gar nichts mehr damit zu tun haben, mit Tocotronic. Aber trotzdem kann man damit etwas aussagen.
Frank: Das grösste haben wir natürlich schon geschafft: Spaß an der Musik zu haben und Spaß daran zu haben, was wir im Moment machen.
Michael: Ja und wir sind zwar ’ne Indieband, aber wir wollen trotzdem 10 Millionen Euro verdienen.

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