Da ist diese Band, der man nachsagte, dass sie mit ihrem Schaffen ein neues Musikgenre aus dem Boden gestampft hätten. Da ist diese Band, die ein Jahrzehnt von der Bildfläche verschwand und nun nach langem Sehnen der Fans ihr drittes Studioalbum veröffentlicht. Und nun verbringen alle die Zeit damit, zu analysieren, was sich verändert hat, wie sich die drei Engländer Beth Gibbons, Geoff Barrow und Adrian Utley angeblich entwickelt oder verwandelt haben, wie sich die Musik von Portishead zu Meilensteilenalben „Dummy“ und „Portishead“ unterscheidet. „Third“ hat es aber verdient, unabhängig von diesen immer gleichen verkrampften Diskussionen gehört und betrachtet zu werden.
Dass dies schwer fällt, merkt man nicht nur beim ersten Hinhören, sondern auch nach ersten gelesenen Interviews und Statements der Band. Sie scheint sich selbst in ihrer eigenen Biografie gefangen zu sehen. Man will nicht Musik früher Tage reproduzieren, man will nicht als Trip-Hop-Band verstanden werden, man will keine Ansprüche erfüllen müssen.
Empty in our hearts
Crying out in silence
Wandered out of reach
Too far to speak
Drifting unable
Dabei fühlt man sich doch als Fan bei dem Opener „Silence“ einfach nur wie zuhause. Alle Ängste, Erwartungen und Vergleiche sind vergessen. Hier wird unvermittelt Angst und Leere ausgelebt. Ein Song, mit treibenden monotonen Percussions und Streichersamples, die den Hörer sofort gefangen nehmen. Es spielt dabei keine Rolle, ob das nun innovativ ist oder nicht. Ebenso atemberaubend ist auch das nachfolgende Stück „Hunter“. Die langsam schleppende Melodie und düsteren Gitarren ziehen in eine wohlig warme, lethargische Tiefe. Mit „The Rip“ zeigen die drei Briten eine neue balladeske Seite ihres musikalischen Schaffens auf, die begeistert. Doch Portishead wären nicht Portishead, wenn auch diese Traumsequenz in eine Beatstruktur übergehen würde.
Better if I could find the words to say
Whenever I take a choice it turns awayEmbed are my thoughts I find I can’t explain
I’ve travelled so far, somehow, I feel the same
Ein besseres Schlusslied als das in sich kreisende und beschwörende „Threads“ hätte es – sowohl klanglich als auch textlich – nicht geben können. Hier endet das Album symbolisch mit Pauken und Trompeten und verblasst in einem immer wiederkehrenden elektronischen Sound.
Schon einige Songs zuvor fällt auf, dass Portishead wirklich versuchen, sich mit Samples zurückzunehmen und weniger beatlastig zu wirken. Streckenweise wirkt es, als ob sich die Band gegen ihre eigene Vergangenheit wehren wollte. Letztendlich doch wird die Musik aber von eben jenen Beats und Samples charakterisiert. Irgendwann manifestiert sich aber die Erkenntnis, dass dieses Album – wäre es statt 2008 im Jahr 1999 oder 2000 erschienen – einfach als weiteres gutes Portishead-Album mit vielen wetvollen Songs und einigen Weiterentwicklungen wahrgenommen worden wäre. Hier haben wir keinen Meilensteil, aber eine würdige Fortsetzung einer Erfolgsgeschichte, eines innovative Konzeptes.
Festzuhalten bleibt: Wem Gibbons weinerliche Stimme auf den Alben der Neunziger Jahre schon nicht gefallen hat, für den wird auch dieses Album nichts sein. Denn auf „Third“ steigert sie diese Dramatik teilweise noch einmal. In Anbetracht der vielschichtigen und durchweg hohen Erwatungshaltungen konnten Portishead mit diesem Album mehr verlieren als gewinnen. Doch sie haben sich versucht, fernab von diesen Maßstäben zu positionieren.
„Third“ erscheint am 25. April 2008.
In das komplette Album reinhören kann man bereits hier.
So ein wundervolles Album. :)