Portugal. The Man brachten uns diese Woche zwar bereits mit ihrem neuen Album The Satanic Satanist zu einigen verbalen Höhenflügen, aber auch von ihrer aktuellen Deutschland-Tournee gibt es einiges zu berichten. So besuchten wir von Mainstage Anfang dieser Woche die Konzerte in Düsseldorf und Hannover und liefern Euch nun einen Rückblick auf die beiden Auftritte, die eine geradezu seltene einheitliche Meinung zurücklassen.
Portugal. The Man & Oh Napoleon | 20.07.09 | Düsseldorf, Zakk
von Christopher
Manchmal muss der Perfektionismus dem Gefühl weichen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Dass vollkommen egal ist, was gefällt und was stört, weil alles zu einer Einheit verschwimmt und Vernunft eh keinen Halt finden würde. Um ehrlich zu sein, hätte ich nie gedacht, dass ich so etwas einmal in Düsseldorf erleben dürfte.
Die traditionelle Feindschaft zwischen Köln und Düsseldorf wurde mir zwar nicht in die Wiege gelegt, ist aber unausweichlich, wenn man sein Herz an die Domstadt am Rhein verloren hat. Da liegt es nur nahe, dass man auch außerhalb der Karnevalszeit ein wenig Antipathie gegenüber der Altbier-Stadt beibehält. Grund genug jedoch, die Feindschaft für einen Tag auch einmal ruhen zu lassen, denn Portugal. The Man beehren das Düsseldorfer Zakk und geben der kölschen Seele genug Motivation dem Rhein in Richtung Norden zu folgen.
Den Anfang an diesem Abend macht die Krefelder Band Oh, Napoleon, die ich bereits vor zwei Jahren im Vorprogramm von Roman Fischer genießen durfte. Damals waren sie noch unter dem Namen Your Dumb Invention unterwegs und präsentieren sich nun in einem völlig neuen Gewand. Was früher noch viel zu sehr den Charakter einer Schülerband aufwies, wirkt nun ausgereifter und runder. Zwischen Pop, Indie und einem Hauch Soul ist es gerade die Stimme der Sängerin Katrin Biniaschs, die hier die Persönlichkeit in die Musik bringt. Natürlich ist die gesamte Bühnenpräsenz noch sehr verhaltend und schüchtern, doch mit dem Durchschnittsalter der fünf Musiker von 20 Jahren sei dies absolut verziehen. Wer in dem Alter auf der Bühne schon vollkommen abgebrüht wirkt, ist eh nicht mein Freund. Bleibt nur zu hoffen, dass die Band die nächsten Jahre der stetigen Veränderung durch Studium, Ausbildung und Beruf übersteht und weiter reift. Mein Pop-Herz haben sie jedenfalls erobert.
Man merkt mir schon an diesem Punkt sicherlich an, dass ich bei der Reflexion des Abends vielleicht zu sehr in Lobgesang abdrifte. Das bitte ich zu entschuldigen, aber wer mir bis hierhin gefolgt ist, sollte sich die Einleitung noch einmal zu Herzen nehmen, denn sie kommt nicht von ungefähr. Ich bin als Fan von Portugal. The Man zum Konzert gegangen, habe es als eben dieser genossen und bin nun auch zu keiner anderen Perspektive fähig. Dennoch muss ich an dieser Stelle zum Verständnis einmal kurz ausholen: Mit vier veröffentlichten Alben innerhalb von vier Jahren und jeweils zugehörigen Tourneen kann man sich eigentlich nicht darüber beschweren, Portugal. The Man in der letzten Zeit noch nicht oft genug zu Gesicht bekommen zu haben. Normalerweise bin ich spätestens nach einigen Live-Auftritten einer Band überdrüssig, weil sich vieles wiederholt und man merkt, wie die Individualität der Routine weicht. Nicht so bei dieser Band. Jedes Konzert wurde zu einer völlig neuen Interpretation sämtlicher Song, sodass sich sich eben nicht mehr die Frage stellte, welche Songs sie spielen würden, sondern auf welche Art und Weise.
Dieses Mal ist es nicht anders, bis auf die Ausnahme, dass sie sich im Vorfeld mit ihrem neuen Album The Satanic Satanist einer Reduzierung auf das Minimum unterzogen haben: Die Hinwendung zum Pop und vor allem zu seinen Strukturen, mit dem Versuch in drei Minuten alles zu sagen, was ausschlaggebend ist. Vielleicht ist es charakterisierend, dass Portugal. The Man am heutigen Abend geradezu wenig neue Songs spielen, sondern viel mehr den Fokus auf die älteren Werke legen. Songs wie „AKA M80 The Wolf„, „New Orleans“ oder „Church Mouth“ werden dafür aber im Gegenzug zu neuen Höhen getrieben und mit unerwarteter Energie gespielt. Beeindruckend ist dabei immer wieder die non-verbale Kommunikation der Band auf der Bühne: Ein kurzer Blick von Gitarrist und Sänger John Baldwin Gourley zu seinen restlichen Bandkollegen Ryan Neighbors (Keyboard & Percussion), Zachary Scott Carothers (Bass), Jason Wade Sechrist (Schlagzeug) und Zoe Manville (Synthesizer & Hintergrundgesang) reicht, um der als Konzert getarnten Jam-Session noch ein paar Kohlen mehr einzuwerfen und das Ende hinauszuzögern. Wie aber auch auf The Satanic Satanist gestalten sich die einst beinahe ausufernden Improvisationen nur zu kompakten Einblicken in das volle Leistungsausmaß der Band, sodass die neunzig Minuten Konzert zwar noch viel mehr hätten verlocken können, man am Ende aber dennoch überwältigt ist und mit der Faust in der Luft die letzten Silben der Zugabe „Chicago“ mitsingt.
Natürlich könnte man sich jetzt noch einige Punkte des Konzertes heraussuchen, die es zu bemängeln gäbe. Wer diese finden und wissen will, mag gerne in anderen Konzertberichten auf die Suche gehen. Hier gibt es derzeit nur Pathos und Euphorie, weil man eben manchmal auch auf das hören muss, was man selbst nur zu oft unterdrückt. „Why do we hide behind such ugly faces?“
Hier gibts noch mehr Fotos aus Düsseldorf.
Portugal. The Man & Batrider | 21.07.09 | Hannover, Café Glocksee
von Carsten
Längst sind Portugal.The Man kein szeneinterner Geheimtipp mehr. Vielmehr haben es die Herren aus dem fernen Alaska in großem Stil geschafft, sowohl Kritiker als auch Hörerschaft gleichermaßen mit ihrer fein arrangierten Musik zu verzücken. Erwartungsgemäß begehren einige hundert Menschen in einem hannoverschen Hinterhof vor den Toren des Café Glocksee auf Einlass. Nachdem die Band einen Tag zuvor in Düsseldorf gänzlich überzeugte, verspricht das Konzert in der niedersächsischen Hauptstadt ebenfalls einen unvergesslischen Abend. Unsere Erwartungen sollen nicht enttäuscht werden.
Während die letzten Sonnenstrahlen einen annehmbaren Sommertag ausklingen lassen und sich das Gros der Konzert-Besucher nach Entrichtung des Eintritts und dem damit einhergehenden Erhalt des obligatorischen Stempels noch einige Minuten unter freiem Himmel gönnt, schlendern die Mitglieder des interessantesten, musikalischen Exports aus Alaska ganz selbstverständlich durch die Räume des Café Glocksee. Ein Getränk an der Bar, hin und wieder ein Autogramm sowie ein entspannter Wortwechsel mit einem Fan. Zweifelsohne ist dieser Band ihr stetig steigender Bekanntheitsgrad keinesfalls zu Kopf gestiegen. Dies manifestiert sich zu dem in der Tatsache, dass die Formation selbst Sorge für den Bühnen-Umbau nach der Vorband trägt. Diese Formation wirkt bereits vorab angenehm unkompliziert.
Zu besagter Vorband: Batrider aus Neuseeland werden im hauseigenen Programm als Band angekündigt, die äußerst intensiven Noise-Rock spielt. Leider können wir dieser Beschreibung nur teilweise entsprechen. Die Bass-Linien des Trios wirken zwar treibend, allerdings werden sie selten konstruktiv durch das Schlagzeug unterstützt. Die Rhythmen wirken somit eher monoton und lethagisch. Die Gitarre wirkt selbst für Noise-Rock-Verhältnisse unangenehm verstimmt. Der raue Gesang legt sich wehleidig, unmelodiös über das instrumentale Konstrukt. Allerdings wollen wir ebenfalls das Potential einiger Songs dieses Kollektivs würdigen. So bauen einige Stücke zunächst behutsam auf dem rhytmischen Fundament von Schlagzeug und Bass auf, steigern sich durch die einsetzende Stimme und gipfeln in der brachial hinzu kommenden Gitarre. Letzendlich müssen wir jedoch fest stellen, dass uns diese Vorband nicht positiv überraschen konnte.
Um 23.00 Uhr haben Portugal.The Man ihren Bühnenaufbau selbstverständlich eigenhändig beendet und betreten unter aufbrandendem Applaus erneut die Bühne der prächtig gefüllten Glocksee. Wie üblich präsentiert sich die Band live als Quintett. Zoe Manville hält sich als einzig femininer Part der Männerdomäne eher im Hintergrund, während Bassist Zach und Sänger John keiner Aufwärmphase bedürfen. Die beiden langjährigen Freunde stehen zweifelsfrei an forderster Front von Portugal.The Man. Aber auch Schlagzeuger Jason und Keyboarder Ryan verschmelzen sofort mit der musikalischen Materie.
Diese Band steht als großes Ganzes, als Einheit. Sowohl menschlich, als auch musikalisch sticht kein Musiker übermäßig hervor. Vielmehr sind es gezielte Akzente, die den minutiös arrangierten Songs ihren prägnanten Stempel aufdrücken. Die bebende Orgel, der verzerrte Bass, das donnernde Schlagzeug, die flirrenden Synths und der all gegenwärtige, mehrstimmige Gesang bewirken ein kompaktes Klangbildnis. Psychedelisch entführen die instrumentalen Parts und selbstverständlich beschränkt sich das Kollektiv keinesfalls auf simples Abspielen ihrer Songs, sondern verbindet die einzelnen Kompositionen durch groovende Improvisationen. Ein Portugal.The Man-Konzert unterliegt ohnehin der Interpretation.
Das Auftaktstück des Debüt-Albums „How The Leopard Got Its Spots“ mündet in das bluesig-treibende „Bellies Are Full“ vom Nachfolger „Church Mouth“. Hierbei drischt Keyboarder Ryan stoisch auf eine Tom-Drum ein, Zoe schwingt das Tambourine und die Band hat ihre drei-köpfige Rhythmusgruppe.
Müßig zu erwähnen, dass sich das Publikum längst der Ausstrahlung des Quintetts hingegeben hat und frenetisch applaudiert, wenn sich eine der wenigen Gelegenheiten bietet. Denn vieler Ansagen oder Pausen bedarf es bei diesem Auftritt nicht. Portugal.The Man sind sicherlich nicht für ihre Gesprächigkeit auf der Bühne bekannt. Sie sind keine Entertainer, sie sind von ganzem Herzen Musiker und dieser Leidenschaft gehen sie ohne Kompromisse nach. Große Reden würden der Kunst dieser Band eher schaden als zuträglich sein. Trotzdessen ist der Formation eindeutige Spielfreude anzumerken- Sänger John grinst für seine Verhältnisse übermäßig oft und auch Bassist Zach und Schlagzeuger Jason werfen sich immer wieder freudige Blicke zu.
Nach 75 erfüllenden Minuten erklingt „Aka M80 The Wolf“ und beendet den Auftritt der Nord-Amerikaner. Vorerst. Denn selbstverständlich ist das Publikum nicht bereit, sich umgehend von Portugal.The Man zu trennen. Und so ist es Zach Baldwin Gourley, der als erster wieder vor das begeisterte Auditorium tritt:“Ich weiß, es ist lange her, dass wir hier waren, aber es ist immer wieder etwas Besonderes für uns hier zu spielen. Überall hier werden wir so gut behandelt.“ Aus voller Kehle hält im ein bärtiger, mit Hornbebrille bestückter Hühne ein „We love you!“ entgegen, was ein erneut freudiges Lächeln des Bassisten hervor ruft. Es folgt ein weiterer, in seiner Interpretation ausladender Song, welcher das musikalische Geschehen endgültig abschließen soll. Das Publikum wird jedoch auch nach dieser Zugabe nicht müde die Band für ihre großartige Leistung zu feiern. Minutenlang brandet frenetischer Applaus auf, laute Rufe verlangen nach weiteren Songs. Die Band jedoch tritt nicht erneut auf die Bühne, nimmt allerdings anschließend wieder ihren Platz an der Bar ein, signiert wie zu Beginn des Abend Plattencover und unterhält sich mit ihrer Hörerschaft.
So energisch diese Band auf der Bühne spielt, so entspannt wirken ihre Mitglieder im persönlichen Gespräch. Ständig dankbar dafür, mit ihrer Musik auf solch überwältigend positive Resonanz zu stoßen. Und wir sind dankbar, eine in allen Bereichen derart wunderbare Band wie Portugal.The Man erleben zu dürfen.
Hier gibts noch mehr Fotos aus Hannover.
—
Kommende Deutschland-Termine von Portugal.The Man.
24.07.09 – Weinheim – Café Central
01.08.09 – Elend/Harz – Rocken am Brocken
Für Oktober und November sind bereits weitere Auftritte geplant. Wir halten Euch natürlich auf dem Laufenden.