Als Mensch, der fünf Jahre lang Latein hatte, kein bisschen gelernt hat, aber immer wieder entdeckt, dass jeder hängen gebliebene Fetzen Wissen helfen kann, andere Sprachen zu verstehen, freut man sich doch, wenn eine Band ein Album mit lateinischem Namen veröffentlicht. „Era Vulgaris“ bedeutet so viel wie „die Ära des Gewöhnlichen“; die Queens Of The Stone Age wollen uns den Soundtrack zur dieser liefern.
Durchaus gewagt, klingt der Name wissenschaftlich und für viele dann doch irgendwie uncool. „The Ordinary Era“ hätte sicher auch funktioniert, doch die Queens Of The Stone Age (weiterhin: QOTSA) wagen. „Treffen sich zwei Glühbirnen, sagt die eine zur anderen…“ – Auch das Cover wirkt strange und versammelt sämtliche Farben, die im Team gegen deine Augen kämpfen. Die Songs? Man assoziiere aus sämtlichen vorherigen Beschreibungen.
Der erste Durchgang enttäuscht: Zu viel Scheppern, zu wenig Strukturen… Wo ist das Engagement für den Song? Die tollen Strukturen, die eine Band in ihren gleich zwei großen Alben (namentlich Rated R und Songs For The Deaf) besaß? Auch der direkte Vorgänger, Lullabies To Paralyze, kam nicht mehr daran heran, hatte seine 2-3 netten, catchy Songs, aber das war’s. Die, laut Stand von Juni 2007, drei festen Bandmitglieder haben also offensichtlich beschlossen, einen anderen Weg zu gehen: Weg von der Catchiness, der Tanzbarkeit. 5 Sekunden Zweifel. Didgeridoo-Intro? Bitte? Die sechste Sekunden ist das Zwinkern, die Abnahme der Maske – straighte, aber hingerotze Gitarren, scheppender Drums, ein Mann, der für seine Körpergröße zu hoch singen kann. Erst Misfit Love, der fünfte der elf Songs hat, was beim ersten Durchlauf durch den Industrial-Sound sogar noch überhört werden kann: Ein wenig Ruhe und Melodie. Der siebte, Make It Wit Chu, soll dann anscheinend so etwa wie die Ballade sein, hat zumindest ein Klavier, ist aber in der Balladenliga meilenwert entfernt von Stücken wie der Lagerfeuer-Akustik-Schnulze Mosquito Song, einem der Songs For The Deaf. Direkt darauf folgt Smells Like Teen Spirit. Oder was? Das Intro zumindest macht einen ordentlichen Ripoff-Eindruck, reißt aber kurz vor’m „Jo, geklaut“ wieder ab. Und so zerfahren 3’s & 7’s doch klingt, so ist es doch die versteckte Dancefloor-Nummer. Textlich wird hier übrigens das Thema Poker behandelt, eine Leidenschaft Josh Hommes, die ihn dann doch selbst zu einem ganz ganz gewöhnlichen Menschen macht. Die anfangs so strukturlosen Songs beherrschen Era Vulgaris, doch nach mehrmaligem Hören fallen Dinge auf: Die scheinbar unkotrollierte Gitarre, die in Run, Pig, Run über (oder mit) Homme lacht, die Erkenntnis, dass River On The Road doch wirklich sehr harmonisch ist. Oder die Zweitstimme bei Sick, Sick, Sick. Wohl nur aus Rechtegründen findet man so im Booklet „Julian Casablancas appears courtesy…“ – andere hätten sich mit einem fetten Sticker auf der Front mit dem Strokes-Sänger gebrüstet.
Era Vulgaris wagt viel und kennt nur zwei Ergebnisse: K.O. in der ersten Runde oder Punktsieg. Wohl auch der nicht unstolze Josh Homme muss realisier(t hab)en, dass R und Songs For The Deaf nicht mehr zu toppen sind. Eine wandlungsfähige Band findet andere Wege. Und weil QOTSA nicht nur ob ihrer Mitgliederfluktuation eine wandlungsfähige Band sind, liefern sie mit Era Vulgaris ihr dirttbestes Album ab. Mit ungewöhnlichen Songs.