Der Australier Rob Longstaff hat definitiv das Potential, zum bunten Hund der deutschen Songwriter Szene zu werden, denn das Prädikat ‚gewöhnlich‘ scheint im Wortschatz des Musikers schlicht nicht vorzukommen – seine Musik und Lebenseinstellung gleichermaßen betreffend. Am vergangegen Samstag füllte Longstaff das greifswalder Café Koeppen.
Und auch in die vorpommersche Kleinstadt reiste der Künstler nicht etwa mit dem Auto oder gar Tour-Bus, sondern umweltbewusst mit dem Zug. In diesem Fall kein Problem, da Rob außer seinen Kleidern am Leib, ausschließlich seine Gitarre auf dem Rücken mit sich trägt. Irgendwie auch eine gewisse Art des Luxus. Was augesnscheinlich noch nicht besonders spannend wirken mag, bekommt bei genauerer Betrachtung eine ganz eigene und vor allem spezielle Note. Longstaff verzichtet nicht etwa auf das Auto, weil er keinen Führerschein hätte oder ihm der Sprit dieser Tage einfach zu teuer wäre. Nein, der gebürtige Neuseeländer hat sich bewusst dazu entschlossen langsam zu reisen, was sicherlich mit dem PKW auch möglich wäre, besonders zur Ferienzeit auf deutschen Autobahnen. Es geht also nicht nur darum. Hinzu tritt der Grundsatz der Nachhaltigkeit, denn Rob ist ein überzeugter Umweltaktivist, seit dem er einige Monate bei der militanten Naturschutzorganisation Sea Sheperd verbrachte. Wer jetzt allerdings denkt, Longstaff sei einer dieser laut schreienden Revoluzzer-Typen, der irrt. Davon ist er in etwa genau so weit entfernt, wie die Erde vom Mond. Der Musiker ist vielmehr einer, der durch das Vorleben seiner Ideale Aufmerksamkeit generiert. Wenn sich jemand dafür interessiert, ist das gut. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Von Berlin aus, wo er mittlerweile wohnt, bestritt Longstaff eine Konzertreise nach Hamburg – in einem durch Solar-Zellen betriebenen Boot. Auf den Tisch kam, was die Landschaft gerade hergab und nicht übermäßig in Plastik verpackt war. Davon erzählt Rob gern. Es sei eine der ökologischsten Touren überhaupt gewesen, die ein Musiker je unternommen hätte. „Immerhin sind wir zwischen zwei Metropolen hin und her gereist. Also für mich ist das eine Tour!“, untermalt Longstaff seine Ausführungen mit einem Lächeln, das auch einer der Gründe dafür ist, warum man ihm gerne zu hört. So wie das Wetter Australiens, ist das Gemüt des Künstlers: Sonnig und staub trocken.
Das bekommen auch die Besucher des Koeppen zu spüren, als der Australier mit seiner ledierten Gitarre auf der Bühne steht, die über und über mit Filz-Stift-Kritzeleien übersäht ist. „Ich versuche gerade, ein wenig mehr zwischen den Songs zu erzählen“, leitet er sein Konzert ein, „für alle, die in den vorderen Reihen sitzen: Ich spucke beim Singen und entschuldige mich schon jetzt dafür, solltet Ihr etwas abbekommen!“ Das Eis wäre damit gebrochen. „Let the good times roll“, im Original von Louis Jordan aus dem Jahre 1946, ist der erste Song im Set des Musikers. Für Musik älterer Jahrgänge hat Longstaff also durchaus etwas übrig. Und so muten auch seine eigenen Lieder an: Mit dem Blues in der Stimme und jazzigen Pickings auf der Gitarre, irgendwo zwischen Django Reinhardt und John Butler. „Boogaloo“ heißt das aktuelle Album, das Longstaff in einem Rutsch live aufnahm, sodass er die Songs auch während seiner Konzerte ohne Netz und doppelten Boden darbieten kann. So hatte er vorab seines Auftritts verlauten lassen, er verzichte gänzlich auf „Gimmicks and Tricks“. Die musikalische Klasse des Australiers macht es möglich. Denn was Longstaff auf der Bühne präsentiert ist aller Ehren wert. Als habe er mehrere Instrumente gleichzeitig in Händen und auf den Lippen. Giattern- und Trompeten-Soli reihen sich aneinander. Dazu die lässige, manchmal clownesque anmutende Mimik. Zweifelsohne ist das, was mithin so schwerelos wirkt, Schwerstarbeit des Musikers. Und so erbittet sich dieser eine Pause, nicht etwa vom Musizieren per sé, sondern von seinen eigenen, rhythmisch treibenden Songs. Denn Wünsche dürfen geäußert werden. Ein für Longstaff bekanntes und bewährtes Prozedere, da er desöfteren auch auf den Straßen Berlins zu finden ist. Mehrmals spontan reagiert er auf Zurufe des Publikums. Spielt etwa Michael Jacksons „The way you make me feel“.
Ansonsten gibt es allerhand selbstkomponiertes Material zu hören. „French Kisses“ zum Beispiel, vom Australier durch eine Geschichte eingeleitet, in der er seine gescheiterte Libelei zu einer Französin thematisiert. Die Zeit verfliegt, ob Longstaffs kurzweiligen Auftritts, rasend. Nach 90 Minuten Spielzeit ist dann mit dem Peter Gabriel-Cover „Shock the monkey“ ein erster Schlusspunkt gesetzt, der, wie sollte es anders sein, natürlich alles andere als endgültig ist. Das Publikum honoriert die Leistung des Künstlers mit frenetischem Beifall und Zugabe-Rufen. Vier weitere Songs spielt dieser und wird darauf erneut für zwei weitere Zugaben zurück gerufen. 1 Studen und 45 Minuten stehen schlussendlich auf der Uhr. Am Ausgang steht ein sichtlich ausgelaugter Musiker bereit, seine teils selbst gefertigten Tonträger zu verkaufen. Eine extravagant aussehende USB-Kassette oder in gestempelten Papp-Kartons liegende CDs finden sich in der Auslage. Nachhaltig produziert eben. Genau so wie Longstaffs Konzert in Greifswald.