Tief unten. Psychisch, wie auch physisch.
Sich selbst wieder zusammensetzen, wenn man glaubt komplett in seine einzelnen Bestandteile zerfallen zu sein und dabei erst am Ende merken, dass ein entscheidendes Teil übrig bleibt; das man den rechten Fleck für das Herz nicht mehr findet.
Und so bleibt die Wahl: Dort unten bleiben, für sich, versunken in Apathie, das Herz ratlos in der Hand. Oder einen Weg finden sich selbst gerecht zu werden. Mit dem Herz auf der Zunge und der Gitarre in der Hand ist Rocky Votolato ein vor Herzblut beinahe überlaufendes Album gelungen, dass man sich selbst dabei erwischt jeden Teil seines Seins abzuklopfen, abzutasten und zu befühlen. Jeder Mensch besteht aus vielen kleinen Teilen und nicht jeder davon kann in einem ganzen Leben schmerzfrei bleiben.
Ist es das, was Votolato mit seinem neuen Album True Devotion sagen möchte und in dem Song Fragments
so treffend besingt? Das man keinen Teil seines Seins, so wenig man auch damit zurechtkommen mag, einfach abschütteln kann und oft sehr spät zu der Einsicht gelangt, dass man sich mit ihnen arrangieren muss? Man glaubt ihm fast alles. Jedes Wort.
Der Musiker der von sich selbst sagt, er habe am Rande des Lebens gestanden. Der mittlerweile offen über seine Depressionen und Angstzustände reden kann. Das eines der Hauptthemen seines Singer-Songerwriter Albums der Suizid ist wirkt dabei treffend wie folgerichtig. Das ist die eine Seite. Das der Albumtitel übersetzt „Wahre Hingabe“ bedeutet, ist die andere Seite, nämlich die, die ihm das Leben rettet. Die Hingabe für seine Familie, die Musik und gute Literatur. Sie füllten die Leere. Diesen zwei Polen getreu ist True Devotion ein zweigeteiltes Album. Aufarbeitung und neues Lebensgefühl. Schatten und Licht. Und das macht True Devotion so wertvoll und spannend.
Es ist also ein persönliches Album geworden, das nahe an vergangene Großtaten von Elliot Smith heranreicht, der bekannter weise den Kampf gegen sich selbst verloren hat. Den selbstreflexiven Elementen geschuldet stehen allein Votolatos Stimme und einfache Gitarrenarrangsments im Vordergrund und setzen dabei auf die Intensität der Musik.
Wer Votolato nicht für den größten Sänger hält, hat in diesem Punkt wohl recht. Aber irgendwie stimmt sein Gefühl für Melodien, kleine Geschichten und melancholischem Gitarrenspiel. Und Votolato klingt offensiv. Er hat den Kampf mit sich – mal wieder- angenommen und ein weiteres Mal gewonnen. Ob True Devotion das Ende seiner seelischen Achterbahnfahrt darstellt? Vermutlich nicht, denn diese Umstände prägen Votolatos Schaffen seit jeher. Wichtig ist aber gerade in Zeiten wie diesen weiter darüber zu sprechen und Krankheitsbilder wie diese nicht von der Gesellschaft zu isolieren. Votolato leistet seinen Teil dazu. Übrigens zieren Bilder von Mutter Teresa und Ghandi das Booklet von True Devotion. Vielleicht als Symbole der „Wahren Hingabe“. Votolato selbst ist dafür bekannt gerne für Wohltätige Zwecke einzustehen. Aber ist das nur die Flucht nach Vorne oder eine gesunde Umwandlung negativer Energien in positive Akzente? Nun, man wünscht ihm das Letztere, aber wenn es eines Quäntchens Traurigkeit bedarf um Songs wie das tottraurige, aber wunderschöne Lucky Clover Coin oder Instrument zu schreiben, dann soll es wohl so sein.
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