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Roger Willemsen – Der Knacks

der_knacks„There’s a crack in everything, that’s how the light gets in“ heißt es so schön bei Leonard Coen. Diesem crack, dem Knacks, widmet sich nun auch Roger Willemsens (gar nicht mehr so) unlängst erschienener, in Hörbuchvariante gut 3 ½ Stunden füllender literarischer Essay. Doch was verbirgt sich hinter diesem eher bedingt würdevoll klingenden Begriff? Kein leicht zu fassendes Phänomen, wie es bereits die ersten, sich an selbiges herantastenden Worte anzeigen:

„‚Irgendetwas‘ hat sich gewandelt, ‚irgendwann‘ war es da, ‚irgendwie‘ von innen heraus, gelöst vom isolierten Anlass, nicht logisch und auch nicht im Gegenteil psychologisch.“

Um Veränderung geht es also. Weniger um die an konkreten Daten festzumachende, denn um die allmählich und von innen kommende. In jedem Fall um eine wesentliche – und zudem stets negativ gefärbte. Ausgehend vom Tod seines Vaters beschreibt Willemsen dabei zunächst seine eigene Erfahrung des Knackses – wie er die beständige Arbeit der Zeit, des Alterns umschreibt – weitet den Begriff jedoch schon bald durch eine Reihe an Aussagen anderer Autoren und Philosophen, sowie ebenso vielen Anekdoten des Alltags, die das Große im Kleinen zeigen.

„Etwas Relatives tritt ein. Was kommt, misst sich an diesem Erleben und geht gleichfalls durch den Knacks.“

falschrum Sicherlich. Ein wenig geschraubt mag Willemsens Redeweise dem ein oder anderen erscheinen. Und so sollte man über Formulierungen wie „Abfallen der Lebenstemperatur“ oder „Erschlaffen der Vitalkräfte“ großzügig hinwegsehen können, zumal es sich bei dem Hörbuch um ein selbsteingesprochenes handelt. Gleichsam zeichnet sich Willemsens Sprache jedoch durch eine beachtenswerte Exaktheit aus, welche es vermag auch den Blick des Hörers auf manches zu schärfen. Ohnehin ist es die scharfe, stellenweise fast schon sezierend anmutende Beobachtungsgabe, welche einerseits beeindruckt, andererseits in ihrer abgeklärten Nüchernheit betroffen macht. Geleitet von dem Gedanken, dass sich die Menschen untereinander sehr viel mehr über das, was ihnen fehlt, austauschen, als über die strahlenden Stunden des Optimismus, zeichnet sich das Buch durch eine melancholische Grundstimmung aus. Willemsen spricht vom Ende der Kindheit, von Enttäuschung, von Verlust, von Vergänglichkeit allgemein. Und versteht all dies als das dem Leben wesentliche. Eine denkbar düstere Perspektive. Welche sich demnach auch beim Leser respektive Hörer nicht unbedingt stimmungssteigernd auswirkt. Und so fehlt – bei all den durchaus denk- und zitierwürdigen Einsichten – am Ende das Licht.


VÖ: „Der Knacks“: Das Hörbuch erschien Oktober 2008 bei roofmusic.

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