Was macht ein Sample-Pack plus sechs Acts multipliziert mit einer Prise Improvisation? Einen Abend in der Leipziger Distillery voll guter elektronischer Tanzmusik und ganz vielen Überraschungen!
Um 21 Uhr soll es eigentlich losgehen – eine ungewöhnliche Zeit, sowohl für die „Tille“, die als Leipzigs Techno-Institution gilt, als auch für die Liebhaber elektronischer Musik. Kaum verwunderlich also, dass sich erstmal nur einige wenige Menschen im Club tummeln. Dafür sehr präsent: Viele silberne Laptops, Mischpulte, Samplepads und Unmengen von Kabeln, die einen ersten Eindruck davon geben, was später auf uns zukommen soll. Denn das Konzept des SampleSlams, der uns erwartet, lautet: Sechs Künstler haben einen Monat lang Zeit, um aus vorgegebenen Samples, also einzelnen Tönen, aber auch Gesang, jeweils vier Electro-Tracks zu produzieren, mit denen sie gegeneinander antreten. Zusätzliche Instrumente oder andere Sounds sind nur live erlaubt.
Outis Foulie erklären dann auch direkt, wie das geht: Das Duo hat nicht nur das Paket mit den Sounds für die antretenden Producer zusammengestellt, sondern ist an diesem Abend auch extra als Support aus Berlin angereist. Während Uli vom Computer und Mischpult auch an die Saiten wechselt, singt Olivia live dazu – und das sehr schön. Im etwas größer werdenden Publikum gibt es die ersten Tanz- und Aha-Momente: So kann elektronische Musik also auch gemacht werden!
Mit einer Stunde Verspätung geht für das gut eingestimmte Publikum der Hauptteil des Abends los: Kaltnbrunnr, Friends & Sisco, ganove, Relict & System Failure, Fancy Fools und J-Beats, also vier Solokünstler und zwei Duos (die aber immer einzeln in eine Runde gehen) kämpfen an diesem Abend um Ruhm, Ehre und neues Equipment.
Zuerst präsentiert jeder Künstler (ja, auch im elektronischen Musik-Nachwuchs sind Frauen anscheinend noch unterrepräsentiert) seinen ersten Track. Und? Überraschung! In jeder Hinsicht. Wer dachte, dass ein Sample-Pack für alle zwingend zu Eintönigkeit führt, der liegt falsch. Denn statt Einheitsbrei gibt es zum Beispiel ein rappendes Zebra (ganove), starken Dub (Relict & System Failure) und tiefe, sphärische Ambient-Töne für die Afterhour (Kaltnbrunnr) – und das alles produziert aus dem selben Geräusch-Paket.
Nach der Eröffnungsrunde treten die Künstler dann jeweils im Duell gegeneinander an, um so nach und nach die Plätze 6 bis 3 und schließlich das Finale musikalisch auszufechten. Bewertet wird das ganze übrigens durch eine Jury, bestehend aus einigen Producing-Lokalhelden: Ranko (OverDubClub), Oliver Bernstein (Laubenpiepers Finest) und DJ DFKT. Diese Jury ist – leider und glücklicherweise – auch der einzige Wermutstropfen des Abends. Während die einen (Ranko und Bernstein) eine musikalische Meinung haben, die auf Grund subjektiver Vorlieben allerdings oft vorhersehbar ist und so eben dem ein oder anderen Künstler in die Hände spielt, begnügt sich das dritte Jurymitglied vor allem mit Name-Dropping und Erinnerungen an eigene Erfolge. Außerdem ist der Bewertungstrupp teilweise so unentschlossen, dass selbst der Moderator nicht alles versteht und das Publikum sich mehr als einmal fragt, wer die Runde tatsächlich gewonnen hat.
Also, Jury ignoriert und weiter gestaunt. Im Finale battlen sich dann auch zwei, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Das Duo Relict & System Failure lässt besonders die, die sich auch für Drum and Bass begeistern können, tanzen und jubeln. Den Abend entscheidet schließlich aber J-Beats mit seinen melodischen Hip Hop-Beats für sich. Stimmig sind beide Tracks, doch was J-Beats mit ziemlich schnellen Fingern live aus seinem Sample-Pad herausholt und vor allem wie er den Gesang mit einbindet, beeindruckt die Jury noch mehr.
Zur Belohnung dürfen sich die drei Gewinner (3. Platz Fancy Fools) Zubehör für ihre elektronische Equipment-Kiste aussuchen – und das Publikum wird auch noch beglückt: Rapper Almächtig, Partner von J-Beats, und Lux, der bis dahin moderiert hat, zeigen spontan ihre Freestyle-Künste. Ein angemessenes Ende für das erste elektronische Battle in Leipzig. Euphorisch und staunend verlassen wir den Club und sagen: Lieber SampleSlam, komm doch bitte bald wieder! Wir bringen auch all unsere Freunde mit.
Fotos: Felix Brodowski