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Sektion Kuchikäschtli – Affatanz

Sektion KuchikäschtliKuchikäschtli/Chuchichäschtli ist das Wort, welches den Schweizer vom Nichtschweizer unterscheidet. Offensichtlich gerne zur Belustigung von Muttersprachlern genommen, geht sogar die urbane Legende rum, dass man nur mit korrekter Aussprache zum schweizer Staatsbürger werden kann. Kuchikäschtli heißt so viel wie Küchenschrank und ist als Name für eine Hiphop-Band in etwa so banal wie Blumentopf.
Vom Namen ist es nicht schwer, den Hintergrund der Sektion Kuchikäschtli anhand des Namens zu deuten – gesprochen bzw. gerappt wird hier auf schwyzerdütsch. Und ja, lieber Leser, der sich über eine Hiphoprezension aufregen will – auch das ist indie!

„Would you believe in take the lead?“ – der Affatanz beginnt mit viel Soul. Die drei ersten Songs (davon zwei mit Martin Luther aus dem Roots-Umfeld) beginnen ruhig, clever und gut produziert. Als Highlight dieser sticht Mehr Verdiant (samt niedlichem Clip) heraus. Aber auch den Rest der Platte instrumentalisiert das Trio um Rapper Rennie gekonnt ruhig und umsichtig – Bad Situation schmeckt nach Reggae, Männlich überzeugt mit den coolsten Geigensamples seit Kanye Wests Touch The Sky. Songs wie Solidarität und Gnuag hingegen zeigen, dass die Schweiz aber auch nur nach außen poiltisch neutral ist, aber im Inneren junge Menschen wie Rennie durchaus bewegt. Wie es sich gehört, wird auch dem weiblichen Geschlecht gehuldigt, im Falle dieser Platte durchaus amüsant: Crazy In Love ist eine Ode an US-Powerfrau Condoleezza Rice und Minderjährig lässt Augenbrauen anheben, denn trotz wunderbarer Eingängigkeit schlägt die vertonte Anmache an die U-18-Mädels über die Stränge, vielleicht ist aber auch die Ironie nur zu gut versteckt. Die Verwandschaft mit dem Blumentopf wird in Passendi Wort mehr als nur die früher angesprochene grammatische – Topf-MC Holunder ist, neben Rennie, mit nettem Part und schwachem Outro ein großer Teil des Stücks. Wenn im abschließenden Honig und Milch noch gegen Tokio Hotel geschossen wird, sammelt man Sympathiepunkte im gesamten deutschsprachigen Raum.

Mit einer feinen Mischung aus persönlichen, politischen und humorvollen Tracks gelingt der Sektion Kuchikäschtli mit Affatanz ein Erfolg, der sich auch in den schweizer Charts wiederspielgelte: Vertrieben auf dem Indielabel Nation Music schaffte man es als erstes Album seiner Art bis auf Platz 2 – das hat hierzulande nur, genau, Aggro Berlin geschafft.
Für den hochdeutsch sprechenden Hörer ist ein Hiphop-Album aus der Eidgenossenschaft etwa so wie ein beliebiges englischsprachiges Album für einen Fünftklässler – man versteht erstmal nur Fetzen. Mit jedem Hören kommt man aber mehr und mehr durch, man lernt indirekt eine Sprache, die irgendwo zwischen Fremde und Verbundenheit pendelt – durch den klasse Sound schafft das Album dadurch noch einen erwünschten Nebeneffekt: es fesselt.

Die korrekte Aussprache von Kuschikäschtli kann hier gehört werden. Und wer ausgefallen Hüllen so liebt wie ich, der wird vom Original-Riesenstreichholz im Jewel Case begeistert sein.
So, Gnuag, Alles Gsait

VÖ: 05.01.2007

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