In den 90ern zeigte das TripHop-Dreigestirn Massive Attack-Portishead-Tricky, dass in der britischen Hafenstadt Bristol nicht nur Piraten, Knettiere und Graffitikünstler ihr Unwesen treiben. Die brodelnde Musikszene hat sich seitdem in alle denkbaren Richtungen entwickelt und bietet gestressten Londoner Künstlern wie Sleeping States Asyl. Dessen drittes Album „In The Gardens Of The North“ kombiniert durchdachtes Songwriting mit lässigem Lofi-Folk, experimentell wie sein Entstehungsort.
Aufgenommen hat Markland Starkie, der kreative Kopf hinter Sleeping States, sein Drittwerk in seiner Wohnung und in der denkmalgeschützten Waldhütte seiner Drummerin Rose. Mit viel Klimbim, dem Gegensatz Laptop und altem Vierspur-Kassettenrekorder ging es ans Werk. Der Multiinstrumentalist bekennt sich zu seiner extrem kurzen Aufmerksamkeitsspanne und entsprechend großer Experimentierfreude. Um nicht zu viel Zeit mit den gleichen Songs zu verbringen und nicht schon vor den Aufnahmen von ihnen gelangweilt zu sein, schiebt er das Songwriting meist bis Kurzvorknapp hinaus. Wofür andere Dekaden brauchen, gelingt Starkie mal eben im Hand- und Kassettenumdrehen.
Er verausgabt sich dabei nicht an sperrigen Songmonstern, sondern verwebt puristischen Songwriter-Folk mit an seine Vorbilder Sonic Youth angelenten Noisecollagen („Rings Of Saturn„) und fragilen postrockigen Harmonien („Red King„). Umgebungsgeräusche hauchen frischen Wind in schwärmerisch schwelgende Kammermusik, die auch monotone Bassläufe und poppige Passagen wie in „Showers In The Summer“ integriert, als hätte sie nie etwas anderes getan. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit klingen die neun Stücke auf „In The Gardens Of The North„ überraschend konsistent und heben das Projekt in eine Liga mit Grizzly Bear und Kollegen.
Mit einer ähnlichen Eindringlichkeit wie Zach Condon (Beirut) oder Neil Hannon (The Devine Comedy) hüllt sich Starkies Stimme wie ein melancholischer Schleier aus Nachdenklichkeit über alles und hinterlässt einen zurüchhaltende Schwermut. Fleet Foxes-artige Gesänge wie im nicht-ganz Titeltrack „In The Gardens Of The South“ oder „On The Beach At Aldeburgh“ sind die Ausnahme. In seinen Texten philosophiert Markland Starkie ohne kryptische Gebilde nüchtern über die Welt und deren abgründiger Schönheit. Der Herbst naht mit den letzten bittersüßen Sonnenstrahlen auf der Haut.
Scheint, als würde man in Zukunft wieder öfter was aus Bristol hören.
VÖ: 20. August 2009 bei Bella Union/Cooperative Music/Universal