Es ist bemerkenswert, mit welch stoischer Berharrlichkeit die Jarman-Brüder Gary, Ryan und Ross ihren Weg in der schnelllebigen britischen Musik-Szene seit jeher verfolgen. Das Trio kategorisch einzuordnen scheint schlichtweg unmöglich und somit verwundert es verhältnismäßig wenig, dass niemand Geringeres als der ehemalige Gitarrist von The Smiths Johnny Marr den familiären Clan um ein weiteres Mitglied bereichert. Mit ihrem vierten Album „Ignore The Ignorant“ verfolgen The Cribs jedoch weiterhin ihren kritischen Kontext und beschwören das Außenseitertum.
Textlich potent wie eh und je, musikalisch allerdings eindeutig salonfähiger. So in etwa lässt sich das neue Werk der Formation aus dem industriell geprägten Wakefield nahe Leeds in Nord-England in einem Satz wohl am trefflischsten zusammen fassen. Das, im Jahr 2004 erschienene, selbstbestitelte Debüt sowie dessen Nachfolger „The New Fellers“, welcher ein Jahr darauf folgte, noch bestens im Gedächtnis, lenkte Franz Ferdinand-Kopf Alex Kapranos als Produzent im Jahre 2006 bei den Aufnahmen zu „Men’s Needs, Women’s Needs, Wahtever“ die kratzigen Jarmans erstmals in merklich ruhigere Bahnen. Ausdruck dessen das epische, in Kollaboration mit Sonic Youth-Mitglied Lee Ranaldo entstandene, Wortkonstrukt „Be Safe“. Zahlreiche Fürsprecher gibt es neben den bereits genannten Persönlichkeiten ohnehin en masse. Kaiser Chiefs-Sänger Ricky Wilson bezeichnete das Kollektiv einst als „am meisten unterbewerte Band der Welt“ und engagierte das damalige Trio für zahlreiche Tourneen jenseits des britischen König Reiches. In der englischen Heimat füllen The Cribs mittlerweile selbst größere Hallen mit Leichtigkeit, was in anderen Nationen noch nicht funktioniert. Und somit geht die Formation im Vorprogramm von Freund Alex Kapranos und seinen Franz Ferdinand im November auf Europa-Tour.
Von der erfrischenden Naivität der ersten beiden Alben ist auf dem dritten Werk und nun auch auf „Ignore The Ignorant“ rein gar nichts mehr zu hören. Die Briten vereinen melodiöse Gitarren mit wütenden Texten. Von Ryan Jarmans nahezu hyperaktivem Gitarrenspiel ist wenig geblieben, das an die frühen The Cribs erinnert. Die Songs wirken glatter und auch chronologischer in ihren Abfolgen, als sie es zuvor, teilweise sogar auf „Men’s Needs…“ waren. Die Platte wirkt in ihrer Ausrichtung pompöser als ihre Vorgänger. Eventuell auch ein Einfluss, den Johnny Marr auf das brüderliche Trio ausgeübt hat. So etwa basiert die Vielzahl der Stücke nicht mehr auf einem minimalistischem Klanggerüst, sonder ist breiter angelegt.
Dies macht sich bereits zu Beginn der Stücke bemerkbar. „We Were Aborted“ sowie „Cheat On Me“ wirken nicht bombastisch, aber umfassend arrangiert. Textlich aufrührend wie eh und je. „To make you feel important, cos you knew we were aborted“ singt Ryan im eröffnenden Stück des Albums. Im darauf folgenden „Cheat On Me“ heißt es durch Gary:“I could be someone else if you’d rather trying to win you over like a new stepfather.“ Von ihrer würzigen, gesellschaftskritischen Attitüde haben The Cribs offensichtlich nichts eingebüßt.
Und bissig war das Kollektiv schon immer. So gab Gitarrist Ryan im Zuge der „Men’s Needs, Women’s Needs, Whatever“ PR-Termine zu Protokoll, dass sich seit dem sie diese Band ins Leben gerufen hätten, niemals ihre Moral oder ihre Werte geändert hätten. Einzig die Meinung der Leute über The Cribs sei eine andere. Sie könnten die Band nicht mehr ignorieren. Eine Aussage, an die das Album konsequent anknüpft.
„City Of Bugs“ beginnt mit einem rückkoppelden Bass und wirkt durch die dezent einsetzenden Gitarren und den zurückhaltenden Gesang auf eine Art und Weise psychedelisch, die man den jungen, brachialen Jarmans nie zugetraut hätte. In „Hari Kari“ erklingen schließlich auch im Rahmen des Albums ungestüme Chöre:“It’s your mind, it’s your voice, it’s your body, it’s your choice“. „Emasculate Me“ groovt gerade zu.
Letztendlich muss The Cribs ein permanenter Entwicklungsprozess bescheinigt werden, denn gewachsen ist das Kollektiv zweifelsohne. Neue stilistische Einflüsse sind hinzu gekommen, der anfänglich rohe Sound ist professionellen Arrangements gewichen. Und dennoch, ihre Ansichten haben die Brüder niemals verleugnet. Eine unbequeme, aber ehrliche Band, die gerade deswegen so sympatisch ist.
„Ignore The Ignorant“ überzeugt nicht durch Altbewährtes, sondern durch Innovation.
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„Ignore The Ignorant“ erscheint am 4. September 2009 bei Cooperativ.
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The Cribs auf Deutschland-Tour im Vorprogramm von Franz Ferdinand
20. 11. 09 Hamburg – Alsterdorfer Sporthalle
24. 11. 09 Berlin – Arena
25. 11. 09 Düsseldorf – Phillipshalle