In Zeiten von totaler Medialität tut es gut, Bands wie The Dope Gehör und Aufmerksamkeit schenken zu dürfen. Keine Tour-Casts, kein Twitter, höchstens vereinzelte Status-Meldungen samt zugehörigen Bild-Materials via Facebook. Die zwei Musiker besinnen sich auf das, was für eine Band haupsächlich zählen sollte: Die Musik. Mit seinem jüngst erschienen Langspieler „Into The Woods“ stellt das Duo seine aufrichtige Hinwendung zu verworrener Dramatik und ungefilterter Leidenschaft unter Beweis.
Wobei zu dem Erwähnung finden sollte, dass die Formation aus dem niederbayrischen Landshut keinesfalls eine künstliche Aversion gegen die Kommunikationstechnologien des 21. Jahrhunderts stilisiert, sondern unprätentiös keinen Hehl um ihr diesbezügliches Defizit macht. „Ich weiß gar nicht wie Twitter funktioniert“, gesteht Schlagzeuger Franz Neugebauer beiläufig. Und gerade diese Gleichgültigkeit verleiht The Dope einen ganz speziellen Reiz. Wenn auf ihren Internetpräsenzen Bilder erscheinen, auf denen unzählige Medikamentenpackungen zu sehen sind und die dann noch mit der Schlagzeile „Sucht“ überschrieben sind, ist eine gewisse Selbstironie nicht von der Hand zu weisen. So sehr es die Band zu langweilen scheint, ein entsprechendes Erscheinungsbild zu erschaffen, so eindrucksvoll prägen sich die Bayern via ihrer Musik in das Gedächtnis ihrer Hörer ein.
Kategorisierungen fallen allerdings auch hier äußerst schwer. Vielleicht Singer/Songwriteresquer Lo-Fi Garage-Rock? Höchstwahrscheinlich würde diese Stil-Frage den zwei Musikern ebenfalls ein hemmungsloses Achselzucken abnötigen. Sänger und Gitarrist Rudi Maier erzählt und durchleidet seine Geschichten, voller Fragilität, voller Zweifel. Leid in der Stimme, Agression auf der Gitarre. Was zart beginnt bricht sich sukzessive Bahn. Und das darf es auch, denn die Songs erhalten Zeit um sich zu entfalten, wobei ihre Strukturen keinerlei Verschleppung unterliegen, sondern vielmehr Luft zum Atmen erhalten. Fast scheint es so, als ließen sich Maier und Compagnon Neugebauer durch ihre eigenen Songs leiten.
„Old Dogs“ beginnt mit einem leiernden, springenden Gitarrenloop, den The Dope erst untermalen, dann übermalen und sich peut à peut von ihrer Vorlage lösen, eine Rhythmik und ein neues Leitmotiv entwickeln. „I don’t mind being alone, I can be on my own/We take two steps back, we take one step forward, we take another step forward- hurray, we are where we were before.“ Maier und Neugebauer schreien ein markerschütterndes Hurray! heraus und gleiten in tanzbare Gefilde über. Der Loop erklingt. Der Song ist verflogen.
Das Kollektiv bietet verschrobene, metaphorische Lyrik, die in ihrer Artikulation zerbrechlich wirkt und sich wärmesuchend anschmiegt. Denn mag auch ein wenig bissige Polemik mitschwingen, letztlich geht es doch um Mitgefühl. „If you want to, I’d share my last tobacco. And if you’d have the time, another cup of coffee wouldn’t kill you“ („Breakfast On An Afternoon Like This One“). Gastmusiker erweitern den musikalischen Stamm um Piano, Cello und Violine, was dem Album eine zusätzliche Tiefe verleiht.
Wunderlich ist auch die visuelle Gestaltung der Papphülle des Tonträgers, dessen Cover entsprechend des Titels ein Wald ziert, in dem zwei Plastik- oder vielleicht sogar Platz-Hirsche ihre Blicke in die Ferne schweifen lassen. Im Inneren des Pappschubers sind Fabelwissen abgebildet, die wie eine Mischung aus Reptil und Amphibie wirken, von der Band allerdings als „Wolpertinger“ bezeichnet werden. Was rein äußerlich an das wieder stärker aufkeimende Vinyl erinnert, klingt im Kontext auch wie eine gewollte Retrospektive. Es knackt und es rauscht. Eine gekonnte Inszenierung.
The Dope sind eine ernsthafte und anspruchsvoll reife Band, ohne jedoch die unangenehm überheblichen Allüren zu versprühen. Rudi Maier wirkt mit seinem mächtigen Vollbart und der wuchtigen Hornbrille wie ein gestandener, in sich ruhender Philosoph, während Franz Neugebauer eher als explosiverer Gegenpol erscheint, der dem Duo auch eine augenscheinliche Impulsivität verleiht.
„Into The Woods“: Zehn Songs, die kein großes Kino, sondern ehrliche und einfühlsame Literatur sind, die vielleicht der Einsamkeit entspringen, die aber gerade in der Zweisamkeit zu großer Form auflaufen und wunderbaren Momenten verhelfen könnten.
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„Into The Woods“ erschien am 1. Oktober 2010 via Red Can Records
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The Dope auf Tour
04. Jan. 11 München- Café Kult
05. Jan. 11 Wien- Fluc
06. Jan. 11 Salzburg- Denkmal
07. Jan. 11 Frankfurt- Yellowstage
08. Jan. 11 Augsburg- Ballonfabrik
21. Jan. 11 Kassel- Karoshi
22. Jan. 11 Peignitz- Microstock Festival