Zwei Jahre sind vergangen, seit die Punkrock-Kabarettisten Amanda Palmer und Brian Viglione, zusammen besser als Duo unter dem Namen The Dresden Dolls bekannt, ihr Album „Yes, Virginia“ veröffentlichten. Diese Woche wird mit der Veröffentlichung des Nachfolgers „No, Virginia“ ein kleiner Zyklus vollendet.
Das Misstrauen ist zunächst groß: Nur fünf neue Songs wurden im Studio aufgenommen, der Rest des Albums besteht aus Songmaterial, das es 2006 nicht auf „Yes, Virginia“ geschafft hat. Nur ein halbes Studioalbum, mit verwertetem Outtake-Material? Mit Schaudern fühle ich mich bei diesem Gedanken an das zweite, enttäuschende Album der Indie-Durchstarter Clap Your Hands Say Yeah erinnert, das auf ähnliche Weise entstand.
ultima sits in her bedroom in texas and
waits for her hamsters to touch
she lost her legs in a car crash three years ago
she doesnt get around muchbut she is hoping someday
somebody will take her away
Doch „No, Virginia“ braucht sich nicht verstecken. Schnell merkt man beim Anhören der Platte, dass es sich bei den älteren Stücken nicht um bloße B-Seiten handelt und bei den neuen Liedern, vielmehr um solche, die den beiden schon während des letzten Albums im Kopf herumschwirrten, aber erst jetzt gereift sind.
Beste Beispiele sind Stücke wie „Ultima Esperanza“ oder „The Kill“. Ersteres begeistert mit einem unglaublich verschrobenen Text, der zunächst eine verdrehte Liebesgeschichte zu erzählen scheint, sich dann als Gesellschaftskritik umspannende große Metapher entwickelt. „The Kill“ zeigt sich in ähnlicher Weise als ironisierende Abrechnung, in bekannten Sinne des „Brechtian Punk Cabaret“-Duos.
i am anarchist / an antichrist / an asterisk
i am atheist / an acolyte / an alcoholic
i am eleven feet / okay, eight / six foot three
i am an amazon / an ampersand / an accident
i fought the british and i won
i am a rocket ship / a jet fighter / a paper airplanesay what you will / i am the kill
the only, only one that makes you real
the only thing that makes you really truly safe from me
Es zeichnet sich bei diesen neuen Stücken weiterhin wie schon beim Vorgängeralbum die Entwicklung ab, dass der übermäßige Erfolg des Debütalbums aus dem Jahre 2003 nicht zu wiederholen ist. Die anarchische Energie wich geordneten, harmonischeren Liedstrukturen, deren Pfade man nun auch auf „No, Virginia“ durchaus ruhiger weiter verfolgt. Vielleicht entsteht dieser Eindruck auch aus der Tatsache heraus, dass die zwei „Virginia-Alben“ ja dann doch irgendwie zusammen zu betrachten sind.
Festzustellen muss man allerdings auch, dass es sich deshalb dabei nicht um schlechte Songs handelt. „The Sheep Song“, die überdimensionale Liebeserklärung „Boston“ oder der Cover-Song „Pretty in Pink“ aus den Achtziger Jahren – das sind alles großartige Lieder, die begeistern und die musikalische Größe der Dresden Dolls verdeutlichen. Wer aber auf große „Girl Anachronism“-Schreie und treibendes, anarchisches Getrommel hofft, wird vielleicht enttäuscht werden.
„No, Virginia“ erscheint am 16. Mai 2008.