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The Vicious – Kassel, Haus, 14. September 2006

Der Name The Vicious mag den Meisten direkt nicht viel sagen. Hört sich halt irgendwie nach Punk an. Wenn man dann hinzufügt, dass diese vier jungen Menschen aus Schweden, genauer aus Umeå kommen, dann bekommt der ein oder andere einen besseren Eindruck: Umeå ist die Heimat von Dennis Lyxzén, der mit Refused Geschichte schrieb, und beheimatet (nicht unbedingt dadurch) eine beachtliche Hardcoreszene. The ViciousThe Vicious jedoch orientieren sich sound- und besetzungtechnisch jedoch am der Indie/New-Wave-Band Lyxzéns The (International) Noise Conspiracy: So ist der „Star“ der Band Gitarristin Sara Almgren, die Ex-Keyboarderin von T(I)NC und Liebe des Lebens Lyxzéns, der er nach der Trennung als The Lost Patrol das Album Songs About Running Away (man möge den Titel abkürzen) widmete. Der Rest der Band ist ebenfalls nicht unbekannt: So spielen Sänger Robert und Drummer André noch in der Lost Patrol Band – Die Szene Umeås erinnert doch ein wenig an die Omahas, rein kooperationsmäßig betrachtet.

Bevor aber The Vicious ihr Können beweisen, tritt eine unerwartete Vor“band“ auf: Einen Tag vorher muss der Kanadokasseler King Khan beim Veranstalter des Konzerts vorbeigekommen sein, um ihn zu fragen ob denn nicht ein Freund des 70’s-Soul-Wasauchimmermusikers auftreten könnte. Also sitzt dann auf einmal dieser Rockabilly-Typ am Set des Vicious-Drummers mit der Gitarre der Vicious-Gitarristin und singt, mit verzerrter Stimme. Irgendwie muss es Country sein, selbst mein australischer Begleiter versteht kaum ein Wort. Nichtsdestotrotz löst die namenlose One-Man-Band bei den rund 40-50, das Haus quasi füllenden, Zuschauern Begeisterung aus. Nachdem er etwa 15 Minuten Drumset, Gitarre und Stimmbänder gleichzeitig bearbeitet, verabschiedet er sich mit einem gejodelten (!) mitreißendem Country-Etwas von den Zuschauern, nur um 10 Minuten später als einer der ihrigen der Hauptband zu lauschen.

Diese legt sofort los und selbst die Biografie-Unwissenden müssen schon nach den ersten Minuten gemerkt haben, dass hier das Etikett „Schwedenpunk“ draufklebt. Die Band macht schnell deutlich, dass sie versteht, wirkungsvoll das reichliche musikalische Angebot ihres Heimatlandes zur Inspiration zu nutzen: So treffen knackige Hives-Riffs auf Aussagen der T(I)NC. Und nicht nur vorm Aussehen ähnelt Sänger Robert Sex-Pistols-Exzentriker (und Namensgeber?) Sid Vicious. Gitarristin Sara, die mit ihrer roten Lederjacke und den hochgesteckten Haaren von mir vor dem Konzert schon fast als Bandmanagerin eingeschätzt wurde, verwirft schnell diesen Eindruck. Und zwar nicht, weil die Jacke ausgezogen wird und die Frisur sich lockert – die Frau weiß mit ihrem Instrument umzugehen; man kann ihr nicht vorwerfen, aus rein persönliche Gründen bei T(I)NC gewesen zu sein. Mit der Zeit wird der Gig enthusiastischer: In den ersten Reihen kann und will niemand mehr stehen und der Sänger unternimmt sogar kurz den Versuch des Crowdsurfings, welches in einem so kleinen Raum und bei einer nicht vorhandenen Bühne zwar problematisch, aber auch verdammt intim mit den Zuschauern ist – irgendwie feiern sowieso alle eine große Party. Und als die Band sich eigentlich verabschieden will, sich dann aber doch den „Zugabe“-Rufen beugt erklärt, dass man statt der aus dem Publikum geforderten „2 more songs“ lieber noch 10 spielen will und letztendlich das noch überschaubare Programm komplett ausspielt, weiß man, dass dieser Auftritt mit aller Leidenschaft junger Menschen, die der Welt ihre ehrliche Musik ans Herz legen möchten, versehen ist.

Mein australischer Begleiter erzählt mir am Ende dieses Abends, dass er seit 2-3 Jahren nicht mehr auf einem so guten Punkkonzert gewesen sei. Er kommt aus Melbourne – dort gibt es deutlich mehr Konzerte als in Kassel. (Aber auch bessere?)

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