Der Sommer hält nun endlich fulminanten Einzug, aber nicht primär aufgrund der herrlich schweißtreibenden Temperaturen, gleisender Sonnenstrahlen, Reisewellen der Sommerferien oder gar der mittlerweile fast abgelaufenen Weltmeisterschaft. Sicherlich, all dies sind beiläufig bemerkt, wohl keine ganz unwichtigen Faktoren für das allgemeine Verständnis eines Sommers, aber vielmehr werden es die Kanadier von Tokyo Police Club sein, die der Hochzeit dieses Jahres mittels ihres neuen Albums „Champ“ ihren Stempel aufdrücken werden.
Seit 2005 begeisterte das Quintett zunächst Ontario, anschließend das frankophile Québec und schließlich, seit der Veröffentlichung ihres Debüts „Elephant Shell“ im Jahr 2008, auch Europa. Vor allem Großbritannien scheint der Band ein besonders gutes Pflaster zu sein- Auftritte bei den namenhaften Festivals Glastonbury sowie Reading/Leeds zeugen von einer gewissen Reputation. Besagtem Erstling im Jahr 2008 gingen gar zwei EPs voraus.
„Elephant Shell“, das aufgrund seines jugendlichen Charmes mit Songs wie „Your English Is Good“ oder „Tesselate“ zu begeistern wusste, erregte allseits positive Aufmerksamkeit. Frisch, ungestüm, euphorisch und dennoch gleichsam intelligent. Es ist fraglich, ob gerade der den High-School-Absolventen innewohnende Intellekt es war, der Tokyo Police Club dazu verhalf ihr Stück „In A Cave“ in der amerikanischen Fernsehserie „Desperate Housewives“ zum Besten geben zu dürfen. Und dennoch, dieser Auftritt dürfte gefruchtet haben. Vier junge Männer aus dem beschaulichen Newmarket, Ontario als Stilikonen.
„Champ“ wirkt jedoch keinesfalls überheblich oder erfolgsschwanger. Vielmehr ist es dem Quartett gelungen, eine Euphorie zu bewahren, die hingegen weitaus abgeklärter klingt, als es bei den voran gegangenen Veröffentlichungen der Fall war. Die Band hat etliche Erfahrungen gesammelt und sich Zeit genommen diese abgeklärt zu verarbeiten, um schließlich daraus frische Songs zu fertigen. Für die Aufnahmen verschlug es Tokyo Police Club an die Ostküste der Vereinigten Staaten, genauer nach Los Angelos. Der Grund ist schnell dargelegt:“Wir wollten immer schon ein Sommer-Album machen und als wir dann soweit waren, hatte sich das kanadische Klima gegen uns gewendet“, erläutert Schlagzeuger Greg Alsop lapiedar.
Ein Konzept, das wunderbar aufgegangen ist. Das eröffnende „Favourite Food“ beginnt musikalisch behutsam, textlich jedoch aufrührend wie bereits vorherige Songs der Formation erwarten ließen. Das Songwriting von Sänger und Bassist Dave Monks wirkt brachial ironisch. „Now do the same things and you’re right/Things are better in black and white.“ Idealistisch? Definitiv. Und gerade das ist es, was an Tokyo Police Club erfrischt. Monks formuliert, was ihm auf der Seele liegt und das sind keine gehaltlosen Gedanken. „We should always pretend/Well, you just start and I say when“ („End of a Spark“). Leidenschaft in Worten und Spiel, die berührt und zur Empathie anstiftet. Sozialkritisch? Wahrscheinlich.
„Wait up“ ist plötzlich gegenwärtig. Animierende Rhytmik, fordernde Melodie und zugleich ein Refrain, in den einfach zwangsläufig eingestimmt werden muss. Diese sommerliche Leichtigkeit, gepaart mit Fragen, die in diesem Zusammenhang banal und irgendwie nebensächlich erscheinen. „I’m on your side/But only for a while of course.“
Das elektroneque „Bambi“ rollt dahin. Monks Stimme wirkt unverwechselbar. Stark und voll auf der einen, zweifelnd in gewisse Höhen vorstoßend auf der anderen Seite. „Hands Reversed“ beginnt mit akzentuiertem Schlagzeug und gipfelt laut Monks in der tiefsten Note, die er zu singen in der Lage sei. „Cool for sure.“ „Not sick“ weist wiederum auf die Fähigkeit der Kanadier hin, umschmeichelnde Melodien zu kreieren, während „Frankenstein“ das Ende, bestehend aus einem Synthesizer und Gitarren-Allerlei, markiert.
„Champ“ ist ein kompaktes Gesamtwerk, das zweifelsohne einen pulsierenden, ereignisreichen Sommer wiederspiegelen und begleiten kann. Sicherlich wird sich dieser Sommer, dieses Werk nicht in Gänze in bleibender Erinnerung verankern, allerdings muss gestattet sein, sich an die Höhepunkte erinnern zu dürfen. Es muss gestattet sein, den Moment zu genießen und Tokyo Police Club können dazu verhelfen. Joy de vivre verquickt mit kritischem Idealismus. Es ist Sommer!
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„Champ“ erscheint am 16. Juli 2010 via PIAS.
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Tokyo Police Club auf Deutschland-Tour
29. Nov. 10 Hamburg – Docks
30. Nov. 10 Berlin – Huxley’s
01. Dez. 10 München – Theaterfabrik