Startseite » unkalkuliert politisch engagiert

unkalkuliert politisch engagiert

Eigentlich waren wir zum Interview mit Lagwagon um zwei Uhr verabredet, doch da die Beschreibung für den Treffpunkt, sowohl für uns, als auch für die Band doch sehr vage waren, hat uns Joey Cape schließlich doch noch gefunden, nachdem er erst mal über das gesamte Festivalgelände geirrt ist.
Wir haben uns schließlich einen Platz auf einer Wiese hinter der Bühne gesucht und uns an das Interview gemacht. Auch ein kleiner Regenschauer konnte Joey nicht daran hindern seine Erzählungen zu unterbrechen. Na ja, vielleicht lag es aber auch eher daran, dass er gesehen hat, dass ich seine Bandkollegen anfingen auf ihre Show vorzubereiten und am ausladen ihrer Instrumente waren.

<b>Lass uns gleich auf Eure neue CD ?Blaze? zu sprechen kommen. Meines Erachtens ist sie sehr politisch geworden!</b>
Ja das ist richtig, einige Songs sind schon politisch geworden, aber das ist nicht wirklich beabsichtigt. Du kannst Dich nicht hinsetzen und sagen, dass Du jetzt politische Songs schreiben willst, so was muss dann frei aus Dir rauskommen. Es war also nicht von vornherein geplant, dass es so politisch werden soll. Aber eigentlich ist ein Lagwagon-Album sowieso nicht von Beginn geplant oder kalkuliert, wie es dann am Ende schließlich klingen soll. In der Regel treffen wir uns, wenn mir ein paar Songs gefallen und feilen gemeinsam an ihnen.
Ich habe mich aber angestrengt, diesmal bessere Riffs für die Gitarre einfallen zu lassen, so dass die ganze Platte ein wenig mehr Gitarrenlastiger ist, daher mussten die anderen dann auch weniger üben.

<b>Du würdest aber Lagwagon auch jetzt noch nicht als eine politische Band bezeichnen?</b>
Ich denke nicht, dass man Lagwagon als eine reine politische Band bezeichnen kann, denn dafür haben wir viel zu wenig politische Songs geschrieben, von denen wir jetzt gerade reden. Das Ganze ist aber auch eine Sache der Wahl, ob man fähig ist, über solche Themen zu schreiben. Viele haben diese Fähigkeiten, ich allerdings habe hauptsächlich über menschliche Dinge und mein persönliches Leben und solche Sachen geschrieben. Mir macht es auch Spaß einen humorvollen Song zu schreiben, oder mal ein ernsteren, aber auch melancholische, das ist besser als Politik. Auf der neuen CD ist aber einiges was sich geändert hat, man fühlt sich aber auch sehr in die Verantwortung gezogen etwas zu sagen, wenn man eine amerikanische Band ist.

<b>Das Booklet scheint mir auch ein wenig ironisch, es sieht wie das Bilderbuch Amerika der 50er Jahre aus.</b>
Ursprünglich war es die Idee, all die Fotos von den Charakteren aus den 50er zu nehmen, die das amerikanische Leben wiederspiegeln sollen. Das Album heißt ja ?Blaze? und die Idee war es zu zeigen, dass jeder in Gewisser Weise eine eigene Vorstellung von Idealismus hat. In der Vergangenheit haben die Urgroßeltern oder Großeltern in einem bestimmten Weg gelebt, da waren Zeiten, in der Frieden war, eine Zeit in der es angenehmer war zu leben, aber die Wahrheit ist, dass jede Generation ihren Krieg hat, jede Generation hat ihre Politik mitsamt ihren politischen Problemen, wirtschaftlichen Probleme.
Na ja, jedenfalls ist die Sache, dass die vermutete Melancholie, die verlorene Unschuld unpassend scheint, aber dann haben wir die Foto-Session gemacht und uns in die Verkleidungen geworfen, bei der dann schon diese lustige Seite aufkam. Der Kerl, der das Layout gemacht hat, hat dann nichts außer den Humor gesehen, was die ganze Sache nur noch lustiger gemacht hat. Na ja okay, eigentlich ist das ziemlich blöd, aber ursprünglich war das ganzer ernster angelegt.

<b>Ihr habt Euch jetzt ziemlich viel Zeit gelassen, um das neue Album zu veröffentlichen. Ich erinnere mich als die ?Double Plaidinum? herauskam, das im Fatwreck Katalog stand ?These Guys won?t stopping put out records.? Diesmal hat es über fünf Jahre gedauert.</b>
Ja, ich denke ganz einfach, dass es normal ist, wenn man länger in einer Band spielt, das es Zeiten gibt in der die Chemie nicht ganz optimal ist und man erst einmal Abstand voneinander braucht, die Moral der Band auch vielleicht auch ein wenig unten ist.
Wir haben in der Zwischenzeit aber auch aufgenommen und sind ja auch glücklich mit der Musik die wir seit einer langen Zeit zusammen machen. Wir sind aber auch in der glücklichen Position, dass wir nicht von seitens des Labels unter Druck stehen und unbedingt ein Album veröffentlichen müssen. Dennoch waren wir ein jetzt ein wenig nervös, da wir durch das lange abwarten ein paar Fans verloren haben, aber wir ein gutes Album gemacht und ich bin stolz auf das Album.

<b>Du bist ja ein ziemlich vielbeschäftigter Mann, Du hast Lagwagon, Bad Astronaut, die Gimme Gimmes, arbeitest bei Fatwreck und hast auch nnoch dein eigens Label. Ist dies vielleicht auch ein Grund warum es solange gedauert hat?</b>
Vielleicht dauert es schon ein wenig länger bis zum nächsten Album. Aber mein Label, das ?My Records? hieß existiert nicht mehr, die Gimme Gimmes machen auch nicht viel arbeit, da die anderen auch in einer Band spielen, daher bewegt sich dafür der Aufwand auf ein Minimum. Bad Astronaut ist auch nicht so das große Ding, daher denke ich, dass ich sich alles im Rahmen bewegt und das ist okay.
Die Sache ist, wenn Du in einer Band spielst, kannst Du nicht einfach nur davon leben, Du musst noch etwas nebenbei machen und ich habe auch keinen normalen Tagesjob mehr, daher ist es okay noch eine andere Band zu haben, ich fülle ja auch nur meinen Tagesplan.

<b>Zurück zum Album, in ?Falling Apart? macht ihr Euch über Ozzy Osbourne und den Rolling Stones lustig. Ihr wollt nicht so enden wie die, oder?</b>
Oh, sie sind einfach die leichtesten Ziele. Ich meine, für die Medien müssen sie auch einfach so sein wie sie sich geben, ich könnte so was allerdings nicht. Anderseits wissen die Leute auch wofür du stehst. Die Stones, Ozzy aber auch Elvis sind richtig gute Beispiele, für ältere Leute die so leben wie es ihnen gefällt, dieses Rock ?n? Roll Ding halt. Aber der Song ist einfach nur frech, er ist ein Witz, er beinhaltet zwar auch Ironie und manche Aspekte sind auch ernst gemeint, dennoch ist er frech aber wiederum auch nicht ganz ernst zu nehmen.

<b>Wie würdest Du es merken, wenn es Zeit wäre aufzuhören?</b>
Wenn es Dir keinen Spaß mehr macht was Du tust. Ich denke aber auch, dass es wichtig ist die Zeit abzustimmen wenn es Zeit wäre aufzuhören. Ich persönlich sehe mich nicht mit Lagwagon auf irgendeiner Bühne herumspringen wenn ich in den 40ern bin. Ich mag es auch nicht jemand so etwas macht, ich find dies dann eher mitleidserregend und ich möchte auch nicht das so etwas mir passiert. Allerdings musst Du auch mit dem Körper den Du hast arbeiten und Musik zu machen ist eine physische Sache. Ich habe aber auch noch die Gimme Gimmes und Bad Astronaut. Mach was Du willst, solange Du fähig dazu bist.

<b>Wer ist E. und worüber handelt E. Dagger?</b>
Oh, sie leitet im Grunde Fatwreck Chords, es ist Fat Mike?s Frau. Vor ein paar Jahren waren wir mit den Gimme Gimmes auf Tour. Wir haben dort ziemlich viel Party gemacht und hatten eine Akustikgitarre dabei. Wir haben wirklich viel getrunken und sie hat sich dann ein wenig Sorgen um die Gesundheit von Mike gemacht. Ich hab dann die Gitarre geschnappt und einfach losgesungen: Come on E. Als wir dann bei den Aufnahmen zu unserem Album jetzt waren, habe ich mich daran erinnert und hab es dann noch ein wenig ausgearbeitet.

<b>?Never Stops? ist vielleicht der am meisten politische Song, der richtige Seitenhiebe in Richtung US-Regierung verteilt.</b>
Oh ja, das ist unsere Reaktion, auf die Reaktion unser Regierung zum 11.09. Also eine Reaktion auf eine Reaktion. Meine Gefühle waren im wesentlichen, als ich aufgewacht bin und es im Fernsehen gesehen habe, war ich geschockt, aber anderseits war ich auch nicht überrascht. Irgendetwas dieser Art musste halt früher oder später passieren. Ich dachte eigentlich, dass die Sache bei einigen die Augen öffnet, dass die Leute eine etwas weitere Sicht haben, dass sie weltoffener werden. Leider hatte die Sache den genauen gegenteiligen Effekt, die Leute sind introvertierter, paranoider geworden. Die Leute in Amerika noch patriotischer geworden und hissten Fahnen, in jedem Vorort hingen Fahnen, das war schon beängstigend für mich.
Aber sind nicht alle Menschen in Amerika so. Es gibt ziemlich große Anzahl die z.B. gegen den Irak-Krieg sind. Wenn Du die Nachrichten einschaltest siehst Du schon eine Menge Protestzüge, die überall im Land sind.

<b>Wie sind denn so die Reaktionen wenn ihr Songs wie ?Never Stops? in den USA spielt?</b>
Hm, das ist schwer zu sagen. Wenn Bands ?Fuck Bush? – Songs spielen, kann es schon mal vorkommen, dass sie von konservativen Kids ausgebuht werden. Wenn Du einen Song schreibst der so etwas wie ?Fuck The Government? beinhaltet, glaube ich wenn ich ehrlich bin, dass es die meisten Leute nicht wirklich verstehen und das ist dann schon ganz schön verrückt.

<b>Was denkst darüber das Arnold Schwarzenegger Euer Gouverneur werden will? </b>
Oh, momentan ist da ne ganz gute Sache. Vor ein paar Tagen sagte er etwas wirklich blödes und es ist überall durch die Presse gegangen. Er sagte, er hätte kein Problem mit homosexuellen Ehen, solange die Ehe zwischen Mann und Frau ist. Und das ist jetzt in allen Überschriften zu hause.
Dennoch ist das schon ziemlich beängstigend. Aber bevor die Debatten zwischen den Kandidaten begonnen haben, hat sich keiner wirklich für Politik interessiert. Nun kommt einer wie Schwarzenegger, der einen gewissen Charme hat und den Leuten ein wenig Vertrauen gibt. Aber dies wird sich dann auch ändern, wenn er erst mal im Amt sein sollte und er damit nicht mehr weit kommen wird. Momentan laufen ja überall die Polls, denen ich eigentlich gar nicht traue. Aber ich will ich nicht als Gouverneur haben! Ich weiß auch gar nicht warum er unbedingt Gouverneur werden will, er kann nie Präsident werden, er kann nichts weiter als Gouverneur werden!

<b>So nun muss ich zur obligatorischen Festival-Frage kommen, spielst Du lieber auf Festival oder in Clubs?</b>
Das ist ziemlich unterschiedlich, ich mag beides gerne. Manchmal spiele ich lieber Clubshows, auf dieser Tour mag ich das lieber. Auf Festivals sind schwieriger, Du bist dort relativ weit vom Publikum weg, daher musst Du ein wenig mehr Performance machen. In Clubs ist das alles viel persönlicher, die ganze Sache ist interaktiver. Beide Sachen haben Vor- und Nachteile, auf Festivals z. B. kannst Du mit Bands zusammenspielen, mit denen Du sonst nicht spielen kannst, das macht schon Spaß. Du kannst Dir andere Bands anschauen und manchmal ist das Essen auch gut.

<b>Viel Erfolg weiterhin und danke für das Interview!</b>

Wir freuen uns über deinen Kommentar: