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*U*N*S – dto.

Es verwundert keineswegs, dass gerade die hochgepriesene Hauptstadt Nährboden für die innovativsten, gewagtesten sowie funkelsten Projekte bietet und dennoch gelingt es dem Berliner Trio *U*N*S bezüglich der Bemessung ihrer Extravaganz, Ratlosigkeit hervor zu rufen. Sei es aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds, sei es der Tatsache geschuldet, dass im Internet kaum Fotos der Musiker zu finden sind, sondern lediglich ein stilistisch an antiquierte Superhelden-Comics erinnerndes Profilbild kursiert. Vor allem jedoch deswegen, weil sich das Kollektiv gegen jedwede scharfe Definition ihrer musikalischen Identität streubt. Deutscher, elektronischer Indie, mit eindeutigen britischen Strömungen, die Ehrerbietung Heinz Rudolf Kunzes und Falcos befördernd.

Und tatsächlich bezeichnet Sänger und Gitarrist SN Cleeman das Frühwerk Kunzes als Einfluss seiner Lyrik, wobei die jüngsten Werke des studierten Germanisten keinesfalls an vormalige Qualität anknüpfen könnten. Auf die Frage, wie der Einflussbereich der Band konkreter einzugrenzen sei, zuckt Cleeman schlicht mit den Achseln:“Ich weiß es nicht. Es ist einfach irgendwie alles zwischen Kunze, Clowns und Helden und Falco.“ Die Neue Deutsche Welle also als prägendes Kulturgut. Textlich vielleicht. Musikalisch partiell. Die 80er Jahre als Hochzeit des Synthesizers und dementsprechend der synthetischen Musik. Modisch scheinen die Musiker in damaligen Zeiten gänzlich assimiliert: Cleeman erscheint während der Konzerte im eigens geschneiderten Anzug- halb Roulette-Teppich, halb Ballonseide, Schlagzeuger Jens Gathemann lediglich in äußerst knapp geschnittene Shorts gekleidet und Keyboarder Sepp Seppinger trägt Glitzer-Weste kombiniert mit wuchtiger Horn-Brille. Dazu Cleemans eckige Bewegungen, die an den jungen Joachim Witt erinnern. Damit wären wohl die deutsprachigen Einflüsse zur Genüge abgearbeitet.

Instrumentell hat anscheinend die angelsächsische Entsprechung der Neuen Deutschen Welle ihre Spuren hinterlassen und so klingen *U*N*S New Wave getränkt, genauer gesagt wie eine hyperaktive Version der Talking Heads. Hecktische und dennoch punktgenaue Rhytmik, wabernde und knackende Synthesizer, die Erinnerungen an die Klangbilder alter Spielkonsolen wiederbeleben sowie akzentuierte, melodische Gitarren-Linien, die den Eindruck erwecken, dem Song spontan die Richtung weisen. Über allem steht das unglaublich exakte Zusammenspiel der Musiker- eine kompakte Einheit, der es gelingt sämtliche Komponenten zu einem anspruchsvollen Ganzen zusammen zu fügen und sich dabei niemals dazu hinreißen lassen, der Einfachheit halber, ihre Instrumente zu einem druckvollen Klangbrei zu vermengen. *U*N*S breiten einen düsteren, fliegenden Klangteppich aus. Hinzu kommt Cleemans undefinierbarer Gesang, der zwischenzeillich gar unterschwellige Wiener Tendenzen eines revolutionären Falcos aufweist. So vor allem in „Transmission“. „Transmission/ Stop/ Der content hängt fest im interrupt.“ Eine Vermengung der deutschen Sprache mit Anglizismen, die sich nahtlos in das Textliche integrieren und diesem ein kosmopolitisches Gesicht verleihen. „Friss meine Liebe in allen Sprachen/ Zermahl meine Liebe in allen Sprachen.“ („Every Sky Must Fall“) Es scheint, als schreie der Sänger das heraus, was im gerade in den Sinn käme und wolle sich dabei keinerlei Konvention unterwerfen. Sei es die Verwendung englischer Sprachfragmente oder das gelegentliche Abgleiten in den Falsett. „Denk an das Ende/ Das Ende kommt nie zu spät.“ („Karnavaral“)

Das berliner Trio vermag zu animieren und zu verstören, auf jeden Fall vermag es zu vereinnahmen. Dieses Kollektiv hat gleichermaßen musikalisch sowie lyrisch eine durchdringende Sprache entwickelt, wobei es schwerlich nachvollziehbar ist, dass *U*N*S erst seit einem Jahr in dieser Besetzung musizieren. Ein Fakt, der sich lediglich auf das Repertoire der Band niederschlägt, denn nach 45 Minuten ist bei den Konzerten Schluss, da bis dato einfach nicht mehr Songs zur Verfügung stehen. Und dennoch, das was die Berliner auf die Bühne bringen ist überzeugend, dringlich und durchweg druckvoll. So ist auch die EP der Band geraten, die es, wen verwundert das schon, nicht im Handel, sondern kostenlos im Internet oder während einem der Konzerte zu bekommen gibt. Drei Songs, Acht Minuten. Kommunikationszeitalter, gesellschaftliche Verirrungen, demographischer Wandel. Alles was folgt ist verbrannte Erde. Gerade aufgrund dieses Umstands bleibt zu hoffen, dass die Band sich nicht lange bitten lässt und übriges, bereits vorhandenes Material zur Aufnahme bringt, um daraus ein Album zu fertigen.

„Die rauchenden Trümmer/ Die Zeichen des Falls […]/ Denk an das Ende/ Das Ende kommt nie zu spät […]/ Die überragende Größe unseres verschlissenen Glaubens/ Wird ewig uns binden/ Und alles wird brennen.“ („Karnavaral“)

Zum Download der EP gelangt Ihr hier.

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