Columbiahalle! Da stehen Von Wegen Lisbeth nun und möchten sich die Augen reiben, als könnten sie nicht glauben, dass sie durch eigene Kraft auf diese Bühne gekommen sind und nicht etwa durch Magie.
Die Bedeutung der Columbiahalle kann jemand nur wirklich verstehen, wenn er in Berlin aufgewachsen ist. Hier hat man die besondere Momente seiner Jugend verbracht, hier durfte man hin, wenn die ganz großen Bands in die Stadt kamen, Musiker, von denen Poster an der Wand klebten und deren Namen man in die Eselsohren des Matheheftes kritzelte. Man nahm bescheuerte Ferienjobs an, um sich den Eintritt leisten zu können, vielleicht auch noch für eine zweite Karte, mit der man das begehrte Mädchen aus der 9b auf ein Konzert einladen könnte. Große Momente für junge Herzen in Berlin. Jetzt sind sie selbst die Kulisse für solche Liebesgeschichten, die da vielleicht gerade im Publikum stattfinden. Grund genug, ein bisschen aufgeregt zu sein.
Als Support hat man sich Blond aus Chemnitz eingeladen, die mit einer Mischung aus Pop und Disco, die Wartezeit bis zum Start des Konzertes mit ihrem halbstündigen Set verkürzen.
Pünktlich 21.00 Uhr geht es dann los. Die brodelnden Klänge von „Wieso“, dem Opener ihres neuen Albums treiben die Anspannung auf ein Höchstmaß. Der Vorhang fällt vollendet theatralisch und als die Band zu sehen ist, braust ein ohrenbetäubender Jubel auf. In rasantem Tempo geht es mit „Westkreuz“ weiter, das Blau des Bühnenlichtes gleicht dem Farbton des dazu gehörigen Videos.
Das neue Bühnenbild erinnert mich sofort an diese quadratischen Glasbausteine, aus denen früher die Wände in den Schwimmbädern gemacht wurden und irgendwie auch an eine Flughafenanzeigetafel. Wie passend, da doch der ehemalige Flughafen Tempelhof direkt gegenüber liegt. Die Quadrate sind beweglich, sodass sich passende Messages zu den Songs auf die Wand projizieren lassen. Von Wegen Lisbeth spielen sich quer durch alle ihre bisherigen Tonträger, vom ersten bis zum letzten Ton getragen von textsicheren Fangesängen.
Das zweite Album „sweetlilly93@hotmail.com„ ist gerade erst erschienen und schließt nahtlos an den Vorgänger „Grande“, an. Es sind Lieder aus dem Alltag, Momentaufnahmen und aufmerksame Beobachtungen. Sie handeln von Gentrifizierung und Verdrängung, von Ignoranz und dem Wahnsinn der Welt da draußen. Die thematische Konstante, die sich durch beide Alben und die EP hindurchzieht ist-wie soll es anders sein-die Liebe. Nichts ist wichtiger, größer und allgegenwärtiger als dieses Gefühl. Kaum etwas ist schmerzhafter als die unerfüllte Liebe oder jemanden zu vermissen, den man so sehr mag.
Der musikalische Grundtonus hat sich kaum geändert. Die Musik hat einen hohen Wiedererkennungswert. Läuft im Radio einer ihrer Songs, erkennt man die Band nach wenigen Tönen wieder. So hat man auch beim neuen Album größtenteils auf Bewährtes gesetzt. Wenn man aber etwas genauer hinhört, entdeckt man neben den bekannten Synthesizerklängen hier und da etwas mehr Jazz, bei „Staub und Schutt“ sogar ein bisschen Chanson. Lieder wie „Alles was ich gerne hätte“ bekommen großartige Unterstützung von Trompeten und Posaune, die die Komposition zu einem der schönsten des Albums machen. Auch heute beim Konzert in der Berliner Columbiahalle sind die Blasbläser dabei, es wird kurzzeitig richtig voll auf der Bühne.
Neben den neuen Stücken, bekommt das Publikum all ihre Lieblingslieder gespielt, ob „Kneipe“, „Cherie“ oder „Wenn du tanzt“, erstaunlicherweise wird auch ihr Hit „Bitch“ bereits im Hauptteil gespielt. Die Leute tanzen von der ersten bis zur letzten Minute mitunter so heftig, dass der Balkon bedrohlich zu wippen droht. Im Bereich nah der Bühne können die Ersten bald ihre Shirts auswringen, die verschwitzten Gesichter sehen glücklich aus. Nach gut zwei Stunden und drei geforderten Zugaben genießen Von Wegen Lisbeth den verdienten, langen und warmherzigen Applaus. Zum Abschluss wird „Freigetränke“ gespielt und die zufriedenen Konzertbesucher schwärmen in die Berliner Nacht aus. Dorthin, wo die Party-mit oder ohne Band- noch lange weitergeht.
Und da die Fünf am nächsten Morgen nicht aufwachen wollten, um festzustellen, dass sie das alles nur geträumt haben, haben sie das Ganze am nächsten Abend einfach nochmal wiederholt.
Doppelt hält besser.
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