Jung, deutsch, langweilig. Ganz sicher nicht. Klez.E bilden seit Jahren einen der interessantesten Pfosten im Gegensatz zum Poprockeinheitsbrei. Zweieinhalb Jahre nach dem von der Kritik allgemein begeistert aufgenommenen Vorgänger Flimmern nun der erneute Versuch aufzurütteln.
Der Titel Vom Feuer der Gaben erscheint nicht nur auf den ersten Blick poetischer als der des Vorgängers. Und wenn Flimmern ein Synonym war für die Unruhe, das Wabern und Zerren, den bis zur Perfektion ausgearbeiteten Schleier, dann ist Vom Feuer der Gaben ein Synonym für die neue Epik die bei Klez.E Einzug hält wie auch für eine erneute Wandlung der Band.
Schon mit dem zweiten Lied wird deutlich, dass sich etwas verändert hat, zunächst nur gefühlt wahrnehmbar. Musikalisch klingt es eindeutig nach Klez.E, doch Sänger Tobias Siebert, der irgendwie immer leicht getrieben wirkende, der es meist schafft den Eindruck besonders intensiven Lebens zu hinterlassen, schwört allem ab:
Kein Gott, kein Krieg, kein Held, kein Leid.
Nur um kurz darauf wieder zurück zu weichen. Die Gitarren nehmen überhand, überschlagen sich und verklingen. In die Ruhe hinein:
Wir
und die Wahl
der wir uns verwehren
es scheint egal
es scheint egal.
Stille, zwei, vielleicht drei Sekunden ist man sich des Ende des Songs gewiss, bei Sekunde fünf hört man leise die Gitarre wieder erklingen.
Nichts von dem geht wie ich will weg.
Nichts von dem geht wie ich will weg.
Nichts von dem geht wie ich will weg.
Nichts von dem geht wie ich will weg.
Wiederholung um Wiederholung, nur um immer lauter werdend umzuschlagen.
Ich vermiss eure Worte.
Ich vermiss eure Worte.
Ich vermiss eure Worte.
Immer immer wieder, steigert sich der Satz, überlagert sich mit den vorhergehenden Zeilen und sich selbst, Streicher und Schlagzeug steigern die Kulisse bis zum letzten Moment. Punkt. Aus. Jetzt wirklich. Eigentlich ein Punkt der bereits das Ende eines Albums darstellen könnte, doch wir sind erst bei Song zwei und es geht treibend weiter.
Früher fiel in mindesten jedem zweiten Beitrag zu Klez.E als Referenz oder Einfluss der Name Radiohead, was davon geblieben ist: zumindest diese unglaubliche Wandelbarkeit. Hier werden Grenzen nicht gezogen, sondern gebrochen. Wobei gebrochen ein zu hartes Wort dafür ist, aufgelöst trifft es besser. Als einzige Konstante Sieberts prägnanter Gesang.
Es wäre schwer Lieblingssongs auszuwählen, auch wenn Der Saal, Vom Feuer der Gaben und Gebet für mehr allein ihrer Opulenz geschuldet herausstechen. Auch das sehr knarzige und ein wenig nach Flimmern klingende Madonna oder auch das irgendwie karibisch anmutende Der Welt ein Ort gefallen, bewegen und lassen nicht mehr los. Eine Wanderung durch Stimmungen.
Was man diesem Album hoch anrechnen mag, ist die Fähigkeit Brüche zu erzeugen, beinahe in jedem Song, und doch niemals zerschlagen zu wirken. Mit Fug und Recht könnte man behaupten, dies sei nun das zugänglichste Album der Band. Was man Klez.E hoch anrechnen kann ist der Wille und die Fähigkeit diverse Instrumente einzusetzen, dies bis ins Opulente durchzuziehen und dabei niemals das Mittel zum Zweck zu erheben. Zu Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gefrickel kommt dieses Mal nicht nur jedes irgendwie einen Ton erzeugende Kleinteil hinzu sondern gar Streicher und Bläser(!).
Man liest und hört ja sehr oft das alte Klischee, jede Band stünde mit dem 3. Album vor der Entscheidung, wohin es denn geht. Sollte dies auch auf Klez.E zutreffen, dann mache ich mir keine Sorgen um ihre Zukunft, der sowieso schon unglaublich gute Vorgänger Flimmern wird übertroffen. Es ist noch reichleich früh, aber vorstellbar, dass es in elf Monaten – wenn es wieder an diverse Jahrespolls geht – auf die Frage nach dem Album des Jahres nur die Möglichkeit gibt vom Feuer der Gaben zu schwärmen.
Vom Feuer der Gaben erscheint am 30. Januar bei Loob Musik, als Hardcover Buch incl. Zeichnungen von zwölf Künstlern zu den zwölf Songs, unter anderem René Arbeithuber, Jan Kruse und Andy Potts. Fotos folgen.