Das war sie also, die 10. Audio Invasion im Gewandhaus zu Leipzig. Wir blicken mit gemischten Gefühlen zurück.
In blauem Licht steht das Gewandhaus, das nach dem traditionellen Großen Concert des Gewandhausorchesters zum elektronischen Tanz bittet. Etwas verzögert es sich, dass nach dem Konzert unter der Leitung von Wayne Marshall und Nicola Benedetti Brandt Brauer Frick den Anfang machen. Und man merkt schon, dass in diesem Jahr etwas anders ist. Auch nachdem die Inhaber eines Goldenen Tickets für das Große Concert aus dem Großen Saal strömen, bleiben die Flure des Gewandhauses ungewöhnlich leer. Ein bisschen nimmt das bereits die Stimmung, die man von der Audio Invasion seit Jahren gewohnt ist.
Im Mendelssohn Saal geben Brandt Brauer Frick ungeachtet dessen ihr Bestes – vor allem Beaver Sheppard. Für die neue Platte des Trios („JOY“, VÖ: 28.10.2016 via Warner Music) haben sie sich den kanadischen Sänger und Poeten dazu geholt, der in paradiesvogelartiger Kleidung seinen Gesang über das Brandt-Brauer-Fricksche Instrumentarium legt. Leider, denn so steht man stirnrunzelnd und bewegungslos vor dem sich bietenden Schauspiel, fragt sich ‚Sind das noch Brandt Brauer Frick?‘ und sieht sich am Ende aus dem Mendelssohn Saal gehen.
Dagegen ist Alexis Taylor, einer der Stimmen von Hot Chip, die willkommene Abwechslung. Für ihn steht im historischen Großen Saal auf der Bühne ein Klavier – mehr als das und seine unverwechselbare Stimme braucht Taylor für seine zurück genommene Piano-Musik nicht. Es entsteht eine intime, lauschige Atmosphäre, die den Großen Saal für eine Stunde in eine Art Wohnzimmer verwandelt. Ein Wohnzimmer, in dem der Sänger sein um ihn herum stehendes Publikum fragt, was er spielen soll, und sie schließlich mit einer wunderbaren Version von Bruce Springsteens „Dancing In The Dark“ belohnt.
Für viele ist das scheinbar zu ruhig – generell oder für das, was man von der Audio Invasion erwartet. Scheinbar letzteres, denn alle, die nach und nach aus dem Großen Saal schleichen, finden bei John Talabot wieder zusammen. Talabot macht im Mendelssohn Foyer was er am besten kann: seine Zuhörer und endlich auch das Audio Invasion-Publikum zum Tanzen bringen. Danny Daze löst den Spanier gebührend ab und lässt die Audio Invasion mit gleichermaßen feinstem Elektro ausklingen.
So gibt es nur im Mendelssohn Foyer und auf der Barlach Ebene – insbesondere mit Dorothy Parker & ANTR – was man in diesem Jahr sonst vergeblich sucht: Tanzbares. Alles andere lässt einen mit Fragezeichen auf der Stirn zurück oder seltsam unberührt manchmal etwas ziellos durch die Gemäuer des Gewandhauses streunern. Immerhin nimmt man dabei die einzigartige Architektur des Gewandhauses, seine wie in jedem Jahr atmosphärische Beleuchtung und das imposante Gillsche Deckengemälde mit.
Für das 10-jährige Jubiläum der Audio Invasion, die sonst zu den musikalischen Highlights des Jahres und in die Musiklandschaft Leipzigs gehört, war das leider etwas mau, und das obwohl das Line Up vielversprechend war. Von der „Klassik meets Elektro“-Festivität sind wir sonst eigentlich Höhenflüge gewohnt – wie im letzten Jahr mit Martin Kohlstedt im bis an die Decke gefüllten Großen Saal oder Gänsehautmomenten mit SOHN im Mendelssohn Saal. Auch wenn die Audio Invasion eine Herzensangelegenheit ist (und bleiben wird), hatten wir uns ihren 10. Geburtstag etwas anders vorgestellt. Nur vorsichtig möchte man behaupten, dass es am Publikum lag, dass in diesem Jahr mehr als sonst nach geladenen Porsche-FahrerInnen aussah.