Startseite » Beatsteaks – Boombox

Beatsteaks – Boombox

Hallo Beatsteaks, da seid ihr ja wieder. Wir haben uns eine ganze Weile nicht gehört – jedenfalls nicht mit neuer Musik. Die letzte Platte, das war im Frühling 2007. Jetzt, im Winter 2011, seid ihr auf einmal wieder da. Mit einem Knall. Mit einer Boombox. Und die scheint groß zu sein, so groß, dass die Vibes schon im Vorlauf hohe Wellen schlagen. Aber passionierte Surfer wart ihr ja schon immer.

Vier Jahre sind schon eine lange Zeit. Dabei war es nicht einmal die ganzen vier Jahre so still um die fünf Typen aus der Hauptstadt. Erst lief noch eine große Tour, dann kam da ein Live-Album, ein Abschieds-Gig zuhause, in der Berliner Wuhlheide, aber dann… dann war auch mal Schluss mit der Musik. Mit dem Touren, mit der „Arbeit“.
Sieht man sich den Tourkalender der Berliner an, staunt man nicht schlecht – seit 2002, und eigentlich wohl schon viel früher, gibt es kaum einen stillen Moment, einen, bei dem man nicht wenigstens ungefähr wusste: Die Beatsteaks sind wieder auf Tour. Oder: Die Beatsteaks sind gerade im Studio und tüfteln an der neuen Platte.

Nach der langen Tournee zum Album Limbo Messiah seien sie irgendwie müde gewesen, erklärt Sänger Arnim in letzter Zeit häufig. Und dass sie sich so eine Pause auch endlich mal leisten konnten. Man gönnt es ihnen auch. Es gibt genügend Bands, die sich selbst schon verheizt haben – umso besser, wenn eine mal von selbst in die Bremsen tritt.

Wie wichtig es war, kürzer zu treten, das zeigt sich auch darin, dass es gar nicht so leicht war, alle Beatsteaks wieder an einen Tisch zu bekommen. Und dass, als es endlich soweit war, in der Runde erstmal geklärt werden musste, wie es nun weitergeht. Wollen das alle überhaupt noch so, mit der Band? Mit der Musik?
Glücklicherweise war die Antwort schnell gefunden und durchweg positiv, und schließlich ging es doch wieder in den Proberaum und kurz darauf ins Studio.

Seltsamerweise zeigte erst eine kurze Europa-Tour im Sommer 2010, wo es mit dem neuen Album eigentlich hingehen soll und dass so einige Songs, die vor den Konzerten noch so gut gewirkt hatten, danach irgendwie verkrampft und lasch daherkamen. Was also tun, wenn es im Studio nicht funktioniert? Man besinnt sich auf seine Wurzeln. Und back to the roots hieß bei den Beatsteaks: das Geld, das die Plattenfirma eigentlich für die Studioproduktion gedacht hatte, in richtig gute Mikros und Technik zu investieren, den hauseigenen Proberaum ein wenig aufzurüsten – und außerdem die Verantwortung alles in allem ein wenig mehr in die eigenen Hände zu nehmen. So beschäftigte sich Thomas beispielsweise mit dem Mikrofoning, während Arnim in die Rolle eines Band-Trainers schlüpfte und sowohl in der Produktion als auch in der Koordination der Gruppe sein Können bewies.

Dass wir selber viel mehr Verantwortung übernehmen und nicht irgendwem überlassen wie die Snare klingt oder wie der Song zu sein hat, sondern das eben in die eigenen Hände zu nehmen. Das haben wir gemacht – Gott sei Dank hat Moses uns dabei weiterhin begleitet; er hätte immerhin auch sagen können: Nö, dann nicht! Kräfte verteilen, Teamwork starten – und dann rollte der Ball.

(Arnim im Mainstage-Interview)

Danach ging alles ganz schnell und plötzlich waren Arnim und Thomas, während die PR-Maschinerie mit einem Cover-Contest zur ersten Single schon ordentlich anlief, in Amerika, Los Angeles, um ihre Platte von Nick Launay mischen zu lassen – seines Zeichens Produzent von Bands wie The Living End, den Yeah Yeah Yeahs und Nick Cave And The Bad Seeds.

Die Boombox – eine auf internationalen Erfolg ausgerichtete Platte?

Rasant ging es auch in Deutschland weiter. Hier wurde Milk & Honey zum ersten Mal live bei der 1Live Krone präsentiert, dort wurde der Videoclip gedreht, dann eine kurze weihnachtliche Unterbrechung und seit Anfang Januar schlugen diverse exklusive Radiogigs hohe Wellen, bei denen jeweils eine ausgesuchte Handvoll glücklicher Menschen, die ihre Tickets bei den Radiosendern gewonnen hatten, die Beatsteaks, und damit auch ein paar neue Songs, in kleinstem Rahmen erleben durften.

Ein zu großer Hype, der schon um sich greift bevor noch die ersten Songs des Albums zu hören sind?

Tja, liebe Beatsteaks. Hier sind wir wieder, sozusagen an dem Punkt, an dem wir auch 2007 waren – nur dass die vier Jahre an uns allen wohl nicht ganz spurlos vorbei gegangen sind. Zwangsläufig kommen, auch mit kritischem Blick auf diese losgetretene Lawine, die noch vor der Platte für solche Furore sorgt, Fragen auf: Was hat sich verändert? Ist der Zugang noch da, sind wir noch auf einem Nenner nach all der Zeit?
Im besten Fall bedeutet eine neue Platte für eine Band einen weiteren Schritt nach vorne – im Sinne von: weiter auf einem gemeinsamen Weg, vielleicht weiter in Richtung eigene Trademark. Im schlechtesten Fall: Stillstand. Oder sogar einen Schritt zurück.

Von außen betrachtet ist die Boombox ein fast typisches Beatsteaks-Album: etwa 30 Minuten, mit einem überraschenden türkisblauen Cover. Und mit handgeschriebenen Songtiteln und Lyrics im Booklet.

Und dann beginnt es.
Da sind Gitarren. Dreckige, laute Gitarren und rumpelnde Drums. Und ein rotziger Gesang, der an manchen Stellen ein wenig nach Beastie Boys klingt und sich direkt ins Ohr bohrt.
Arnims „pam-pam-pam-pam-pam-pam!!“ bringt da eigentlich alles auf den Punkt.

Die Beatsteaks bieten einen Kickstart, dessen Angriffslust sich beim darauffolgenden „Milk & Honey“, der ersten Single, schon wieder in Luft auflöst. Bei dieser hübschen Nummer brilliert Gitarrist Peter Baumann ausnahmsweise am Klavier. Kaum sind die letzten Töne verklungen wird es wieder böse, wenn Sänger Arnim erklärt: „I think I‘ve had enough of cheap comments & fake attractions…“ und allen, die sich davon angesprochen fühlen, getrieben von einem Donnerbass „get back where you came from, back where you belong!“ entgegenbrüllt, nur um danach schon wieder durchzuatmen mit – und wer hätte das erwartet? – einer Reggae-Nummer. Die trotz des Überraschungseffektes vollkommen authentisch daherkommt und jede Menge Sonne verbreitet.

Die Boombox ist tatsächlich genauso abwechslungsreich, wie man sich das vorstellt, wenn fünf Kerle sich in anderthalb Jahren Bandpause verschiedenste musikalische Einflüsse zu Gemüte führen, um dann irgendwann wieder zusammenzukommen und daraus das Große Ganze zu bauen, mit dem dann alle cool sind.

Under A Clear Blue Sky“ ist das wahrscheinlich verträglichste Stück auf einem Album voller Wechselstimmung. Gitarrenmann Peter glänzt sowohl allein am Gesang als auch beatles-esk mehrstimmig zusammen mit Sänger Arnim.

Neben zwei wunderschönen Off-Beat-Songs („Let‘s See“ und „Automatic“ – eine kleine Perle…) darf der typische Kurtzke-Kracher nicht fehlen. „Behavior“ ist nicht nur der kürzeste Song auf der Platte. Er reiht sich damit auch beinahe übergangslos hinter „Barfrau“, „Schlecht“ und der Turbostaat-Kollaboration „Frieda Und Die Bomben“ ein. Und hinter den Lyrics mit der prägnantesten Zeile „I‘m not gonna wear your shirt!“ verbirgt sich trotz aller Kürze und Schlichtheit noch eine ordentliche Portion Sozialkritik.

Alright“, unter anderem Namen bei der Sommertour 2010 schon auf seine Live-Qualitäten getestet, klingt auf Platte noch ein wenig ruhiger und vor allem melodischer als damals.
Mit „House On Fire“, ebenfalls einer, der sich in den Radios gut machen würde und der auch eine irgendwie verworrene Geschichte zu erzählen scheint, schließt die Platte ab.

Stille.
Ecken und Kanten hat die Boombox, aber längst nicht so viele wie das letzte Album Limbo Messiah. Längst nicht so viel Schmerz, könnte man sagen. Als wären die schwierigsten Zeiten vorbei. Dafür zeigen sich die Beatsteaks hier viel sonniger und, vor allem, unglaublich abwechslungsreich.

Sicher machen sie es damit nicht jedem leicht, den Zugang zu finden, aber wer sagt denn dass es unbedingt darum geht? Genau genommen machen die fünf Berliner schon seit der letzten Platte keine Genremusik mehr, sondern das, was man in den Playlisten vielleicht einfach in „Beatsteaks“ umbenennen sollte. Man hört: sie sind neugierig, experimentierfreudig und so mutig, die Ergebnisse mit uns zu teilen. Und damit ist es auch genug.

Nun haben wir uns also vier lange Jahre nicht gesehen, und plötzlich steht ihr wieder vor unserer Tür, sagt „Hi auch!“ und grinst frech. Ja, liebe Beatsteaks, das passt noch mit uns. Wir sind noch Freunde, und mit jedem Ton von eurer Boombox freuen wir uns mehr. Also kommt doch rein – hier, ein Bierchen! – und lasst uns in Erinnerungen schwelgen und uns gemeinsam auf die Dinge freuen, die da ganz bestimmt noch kommen.

___________________________________________________________________________________________

Die „Boombox“ der Beatsteaks ist heute, am 28.01.2011, bei Warner Music erschienen.

Wir freuen uns über deinen Kommentar: