In Zeiten der Klima-Kontoverse blieben eindeutige Bekenntnisse der bedeutenden Regierungschefs bisher aus und somit ist es erneut an der jungen Generation ein nachhaltiges Zeichen zu setzen. Vier Briten bekennen Farbe und sind auf das Fahrrad umgestiegen. Was zunächst wie der Name eines indischen Radsportvereins anmutet, bezeichnet jedoch tatsächlich ein pulsierendes Quartett aus London: Bombay Bicycle Club. Das Debüt „I had the blues but I shook them loose“ hat demnach ebenfalls wenig mit einem entspannten Fahrradausflug gemein.
Vielmehr verquicken die Londoner seichte, ausschweifende Gitarren mit pochenden Noise-Elementen, was ihnen in Großbritannien immerhin einen 46. Platz in den Charts einbrachte. Dort erschien das Album bereits im Juli des vergangenen Jahres. Das Faktum der nackten Zahlen sei jedoch hinten angestellt. Vielmehr interessiert das Urteil des szenestilisierenden Musik-Magazins „NME“, der die 2005 aus der Taufe gehobene Formation als „heißeste Band aus Nord London“ bezeichnete. Dieser Ritterschlag erfolgte bereits 2007, also weit vor der Veröffentlichung des Debüts , welches die Jungspunde 2008 in den Konk-Studios im heimischen London aufnahmen.
Ein Debüt, das sich eindeutig von der Masse britischer Gitarren-Bands abhebt und nicht nur eines flüchtigen Blicks, sondern hingebungsvoller Aufmerksamkeit bedarf. Eine flache Struktur sucht man bei den Engländern vergebens. Vielmehr schmiegen sich die Songs an, benebeln ihren Hörer, spinnen ein Netz um ihn herum, erheben ihn weit über die Dächer der Stadt, ständig jedoch daran erinnernd, dass der freie Fall in die Tiefe nicht ausgeschlossen werden kann. Alles wirkt zerbrechlich, es ist kein Streben nach Sicherheit erkennbar. All die rauen Klänge und verzerrten Worte scheinen einzig der Emotionalität geschuldet.
Und gerade dieser Umstand fesselt an die Musik, da sie authentischer wohl nicht seien könnte. Bombay Bicycle Club transportieren Gefühle, vielleicht intentioniert, vielleicht nur beiläufig, ungeachtet dessen, wie ihre Botschaft durch den Empfänger interpretiert wird. Und so verfasst die Formation keine E-Mail, sondern einen Brief in einer Handschrift, die kein klares Bild aufweist. Streichungen sind vorhanden, einige Buchstaben sind nahezu nicht zu entziffern. Angenehm, da der Absender offensichtlich aufrichtig formuliert und nicht bloß kontrollierte Phrasen zu Papier bringt.
Ständige Zweifel durchziehen die Lyrik, nach einem Patentrezept fragend. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass es keines dieser Patentrezepte zu geben scheint. Dennoch muss die Reise weiter gehen und darf nicht ins Stocken geraten, auch wenn ein längeres Verweilen nahe gelegen hätte.
„I had the blues but I shook them loose“ ist ein absolut bemerkenswerter Erstling, mit dem es sich zu befassen lohnt. Wie erwähnt, dieses Album ist kein fades Fertig-Gericht, sondern facettenreiches Allerlei. Unkonvetionell in seiner Zubereitung, einzigartig im Geschmack.
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„I had the blues but I shook them loose “ erschien am 5. Feb. 10 bei Island/Universal
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Bombay Bicycle Club auf Deutschland-Tour
06. Mrz. 10 Berlin – Lido
07. Mrz. 10 München – 59:1
08. Mrz. 10 Köln – Werkstatt