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Booka Shade im Interview

Booka Shade veröffentlichten vor kurzem ihr drittes Album „The Sun & The Neon Light“ auf ihrem eigenen Label Get Physical. Anlässlich der Veröffentlichung der neuen Platte sprachen wir mit Arno Kammermeier über das Album, über Livespielen, über die Musik allgemein, sowie über die Resonanz in der deutschen Musiklandschaft – und international.

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Euer vor kurzem erschienenes Album trägt den Namen „The Sun & The Neon Light“. Der erfahrene Clubgänger und Festivalbesucher assoziiert damit zu allererst die Sonnenstrahlen, die einem nach einer durchgefeierten Nacht um 5Uhr morgens begegnen – Doch welche Intention hattet ihr persönlich beim Benennen der Platte?

Arno: Der Name deckt für uns einfach alles ab, was wir in der Zeit, in der wir die Platte aufgenommen haben, also die letzten 15 Monate, erlebt haben und womit wir uns befasst haben. Es ist einerseits der Tag, der für uns sehr wichtig ist, denn wir haben beide eine Familie und Kinder und arbeiten tagsüber auch für unser eigenes Label, Get Phsyical. Und dann gibt es eben noch die Nacht, in der wir hauptsächlich arbeiten, in der wir live spielen und in der wir das Privileg haben, den Leuten den Soundtrack zu liefern, mit welchem sie ihren Tag oder ihre Probleme sogar vergessen können. Wo sie einfach durchdrehen können, bei unseren Konzerten. Außerdem symbolisiert der Name das Elektronische und das Akustische, das Künstliche und das Natürliche, was in unserer Musik auf jeden Fall da ist. Es ist ein elektronisches Album, dennoch haben wir vermehrt akustische Elemente eingesetzt. Wir haben selbst Bass und Gitarre gespielt und haben akustische Percussion-Loops erzeugt. Und nicht zuletzt haben wir eben auch mit einem Orchester aufgenommen, mit dem Filmorchester Babelsberg, was für uns eine tolle Erfahrung war und bei zwei Songs hat es einfach sehr gut gepasst und funktioniert.

Und inwiefern war das viele Livespielen ein Einfluss fürs neue Album?

Arno: Es war uns sehr wichtig, auf diesem Album Booka Shade als Liveband zu zeigen. Wir sind zwar im elektronischen Kontext unterwegs, aber arbeiten da als Band. Wir sind zu zweit auf der Bühne, Walter spielt die Synthies und hat den Mixer und viele Effektgeräte, wohingegen ich die Visuals bei mir habe und elektronisches Schlagzeug spiele. Da ist dann sehr viel physischer Einsatz und Schweiß auf der Bühne – Wir haben uns einen Namen gemacht als Liveact, bei dem sehr viel Energie geboten wird. Und es war uns wichtig, dieses Band-Gefühl irgendwie auf dem Album rüberzubringen. Es war uns auch wichtig, dass wir mehr mit unterschiedlichen Beats experimentieren konnten. Nicht nur dieses 4-To-The-Floor-Ding, nicht nur Disco-Club-Beats, sondern auch Broken Beats und vor allem langsamere Songs.

Es ist das erste Mal, dass ihr auf einem Booka Shade-Album mit Vocals arbeitet. Wie kam es dazu? Und warum hat Walter sich bereitgestellt, den Gesang zu übernehmen, sodass ihr keine Gastsänger auf dem Album braucht?

Arno: Es gab da einmal die Nummer „Numbers“. Das war die Single von der DJ Kicks-Compilation, die wir letztes Jahr gemacht hatten. Dort hatten wir zum ersten mal Vocals ausprobiert und haben sehr gutes Feedback darauf bekommen. Das wurde in Kanada und in den USA viel im College-Radio gespielt, war dort auch in den Radio-Charts und wurde im Daytime National Radio in Australien gespielt. Und das hat uns einfach ein sehr gutes Gefühl gegeben, sodass wir auf dem Album was mit Vocals ausprobieren wollten. Und warum wir den Gesang selber übernommen haben, hat einen ganz einfachen Grund: Wir hatten das anfangs natürlich überlegt, irgendwelche Featured Artists mit einzubinden, aber wir wussten ganz genau, dass wir wieder auf eine ausgedehnte Welttournee gehen würden. Und da stellt sich natürlich die Frage: Wie macht man das dann? Erstmal hat man natürlich das Problem: Je bekannter der Vocalist ist, desto mehr droht er Booka Shade schon allein mit seinem Namen zu erschlagen; und Namedropping war nicht unser Anliegen, wir wollten unsere eigene Musik präsentieren. Und hinzu kommt eben, wenn du so einen Vocalist hast, den kannst du in den seltensten Fällen mit auf Tour nehmen. Da würde es dann nur übrig bleiben, einen Session Vocalist mitzunehmen und das ist dann ja meistens auch nicht so gut. Daher haben wir uns dazu entschlossen, das in dem Rahmen zu machen, in dem wir es machen können. Und wenn man das Ergebnis jetzt hört; das sollen auch gar keine Soul Vocals sein und die Stimme wird nur sehr reduziert eingesetzt, bei ein paar Songs. Die Vocals übernehmen viel mehr die Funktion eines weiteren Instrumentes. Die sind auch sehr leise gemischt, das sind keine Pop-Vocals, die dich anspringen. Und ich denke, das ist eben der Rahmen, in dem wir das letzten Endes glaubhaft rüberbringen können, das funktioniert sehr gut.

Auch abgesehen von den Vocals experimentiert ihr auf dem Album viel mehr als noch bei den beiden Vorgängern. Wie kam es zu eurer Entscheidung, z.B. Countrygitarren oder Streicher mit reinzubringen?

Arno: Das war eben auch eine Sache, die unbedingt umsetzen wollten. Es war nicht unser Anliegen, ein „Movements 2“ – Album zu machen, wir wollten uns nicht wiederholen. Es gibt da natürlich Songs wie „Body Language“ und „In White Rooms“ und die sind toll und sie arbeiten auf eine bestimmte Art und Weise, aber das ist nunmal gesagt und es ist für uns Zeit, was Neues auszuprobieren, denn wir langweilen uns sehr schnell. Und uns zu wiederholen wäre artistisch todlangweilig gewesen, das war einfach keine Option. Wir wollten auch das Cineastische, was besonders auf dem ersten Album, „Memento“, zu hören war, nochmal mehr herauskehren. Insofern haben sich die Songs einfach sehr angeboten, gerade der Opener „Outskirts“ und der Song „Duke“. „Duke“ war der erste Song, den wir für das Album fertig hatten und fast in genau der Form, wie er jetzt vorliegt, schon vor einem Jahr erstellt wurde. Das war der Song, der uns dann gezeigt hat, wo die Reise hingehen könnte, mit etwas darkeren und deeperen Sounds, aber trotzdem mit sehr starkem Songwriting. Und die Gitarre bei „Dusty Boots“ hat sich aus einer alten Session ergeben. Wir hatten da noch dieses Gitarrensampel und irgendwann dachten wir uns dann: Hey, das funktioniert doch gut! Es ist sehr neu für Booka Shade, aber auf der Albumversion gibt es dann ja unter der Gitarre noch diese Melodic Bassline, die dann wiederum für Booka Shade sehr typisch ist und die das dann zusammenhält. Also, kurzum: Wir wollten einfach mal ein par Sachen ausprobieren und weiterführen und unsere Auffassung von elektronischer Musik darbieten.

Wie erklärt ihr euch Folgendes: Ihr seid im Ausland weitaus mehr bekannt, mal abgesehen vom Hit „Body Language“, der auch hierzulande einschlug.

Arno: Das hat mehrere Faktoren. Wir haben eigentlich in Deutschland schon immer gut Platten verkauft, wir haben nur nie sehr viel gespielt. Das hängt damit zusammen, dass z.B. „Body Language“ zuerst wirklich auf Ibiza eingeschlagen hat – Davon abgesehen, dass es nicht so ein Instant Superhit war, das hat schon ein paar Monate gedauert, bis es sich durchgesetzt hatte, denn es klang zu der Zeit schon sehr viel anders, als alles, was da auf dem Dancefloor bisher so passierte. Es war kein Minimal und es klang einfach völlig anders, mit einer melodischen Bassline, das war bisher noch nicht da und da mussten sich die Leute erst einmal dran gewöhnen. und der Song ging dann eben über Ibiza nach England, wurde in England ganz groß und von dort dann in die ganze Welt. Das führte dann eben dazu, dass wir viele sehr schöne Angebote weltweit bekamen. Und für dich als deutscher Act ist es dann faszinierend, wenn du in den Ländern, in denen Pop und Rock erfunden wurde, sprich in England und in Amerika, wenn du da akzeptiert und respektiert wirst und dir dieser Respekt dann auch wirklich so gezeigt wird. Das ist dann natürlich schon was Tolles und du fährst dann gern dahin. Und gerade in den USA war es so, dass wir von Anfang an sehr viel Zuspruch bekamen, was mir wiederum damit erklärt wurde, dass die Amerikaner einfach auf Performance stehen und eine Band sehen wollen – Und eine elektronische Band, die so schwitzt wie wir auf der Bühne, das ist etwas, was die Amerikaner gerne sehen und deshalb waren wir schon einige Male dort und freuen uns sehr, dass das Feedback da so toll ist.

Die Visuals sind ein bedeutender Teil eurer Liveshows – Wie wichtig ist das für euch und welche Bedeutung hat es?

Arno: Wir haben schon seit unserer allerersten Show Visuals dabei, das war uns schon immer sehr wichtig, weil wir dieses Cineastische in unserer Musik auch unterstreichen wollten. Ganz am Anfang sahen wir uns der Gefahr ausgesetzt, dass wir das als Performer einfach nicht tragen würden und wollten uns so ein wenig hinter den Visuals „verstecken“. Das ist zum Glück gar nicht eingetreten und wir haben mittlerweile das Selbstbewusstsein, dass wir auch gut Shows ohne Visuals spielen könnten. Aber wir haben das einfach sehr gerne als Gesamterlebnis dabei, genauso wie wir eben auch unser eigenes Licht dabei haben, wir habe eigene LED-Panels und Scheinwerfer, die alle synchronisiert sind mit der Musik. Und das ist uns einfach wichtig, das alles insgesamt dann als Show mit anzubieten.

Auf welchen Festivals begegnet man euch diesen Sommer?

Arno: Wir spielen diesen Sommer auf sehr vielen großen Festivals europaweit: So Sachen wie Glastonbury, Rock In The Park, Rock Am Ring, wir spielen das MELT!-Festival in Deutschland und internationale Festivals wie das Bennicassim in Spanien, wir spielen sogar das Lollapalooza in den USA, was ein richtiges Rock- und Indie-Festival ist, da freuen wir uns auch sehr drauf. Und so geht es dann eigentlich reihum weiter, wir werden mehrmals in den USA sein, wir werden dann später im Jahr noch nach Australien, Südamerika und Asien gehen, aber den Sommer über sind wir eben hauptsächlich in Europa.

Welche Musik hört ihr derzeit privat?

Arno: Ich höre sehr gerne Bob Marley und auch viele Down-Tempo-Sachen – Überhaupt nichts Stressiges, weil wir einfach den ganzen Tag über und auch beim Touren schon genug Stress haben. Alles, was relaxt ist, ist gut für uns, auch klassische Musik.

Ihr seid u.A. auch Betreiber des Labels Get Physical. Welche Projekte sind dort derzeit am Laufen, mit was darf man nach eurem neuen Album rechnen?

Arno: Den Überblick hab ich da derzeit gar nicht so wirklich, da wir sehr mit den Tourvorbereitungen beschäftigt waren. Aber ich weiß, dass Elektrochemie an ihrem Album arbeiten und freue mich auch schon darauf, dass die bei unserem Berliner Konzert gemeinsam mit uns auftreten. Außerdem arbeitet Jona an einem Album, da sind wir auch froh, dass sich das so gut entwickelt für ihn. Also, es tut sich immer einiges.

Ein paar letzte Worte, ein Appell an unsere Leser?

Arno: Ganz einfach: STAY PHYSICAL! Und bis bald, vielen Dank.

Vielen Dank für das Interview!

Eine Rezension zum aktuellen Album findet ihr auf mainstage hier.

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