Es gibt viele Menschen dort draußen, die den eingetretenen Herbst verfluchen und mit dicken Decken, Schmusetracks und weiteren Kniffen gegen die unweigerliche Herbstdepression ankämpfen. Doch dass es auch anders geht, zeigt die Britta-Sängerin Christiane Rösinger mit ihrem ersten Solo-Album „Songs Of L. And Hate“. Sie ist sich dem Leiden wohl mehr als jeder andere bewusst, aber lässt sich viel eher darin einmauern, als dass sie gegen anzugehen versucht.
Die Traurigkeit ist ihr Geschäft. Und auch, wenn bei ihr bestimmt nicht viel mehr schief läuft als im Leben eines jeden anderen – Sie schreibt Texte, die den Eindruck erwecken, als dass alles Pech der Welt auf ihrem Schoß sitzt. Zudem traut sie sich nicht, das böse Wort Love in den Mund zu nehmen und kürzt es mit L. ab. Doch so verzwickt und manisch desolat das auch klingen mag: Christiane Rösinger weiß, damit umzugehen – und sogar ein wenig drüber zu lächeln.
Doch fangen wir von vorne an: Dies ist zwar das Solo-Projekt von Christiane Rösinger, aber ganz allein ist sie eben doch nicht unterwegs. Niemand geringeres als Andreas Spechtl von der (ehemals) österreichischen Supergroup Ja, Panik hat sich für dieses Album zu ihr gesellt. So klingt auch ein wenig Charme seiner Band durch. Doch bleibt die Musik typisch Rösinger. Aufgenommen wurde das Album im Hamburger Clouds Hill Studio. So strahlt der Sound Wärme aus, wenn Akustik-Gitarre, Piano und Mundharmonika verschmelzen. Die Musik erweckt doch viel eher den Eindruck von Hoffnung als von Verzweiflung. Und dies ist der Trick, mit dem Christiane arbeitet. Klar, das Leben hat eine ganze Menge Scheiße zu bieten, aber was soll man schon groß dagegen tun? Würdevoll und intelligent damit umzugehen ist die Devise. Textzeilen wie diese unterstreichen den Eindruck: ‚Die Midlife-Crisis, die hatte ich doch schon, ich warte auf die Altersdepression‘ oder ‚Wär es nicht so furchtbar traurig, ich hätt mich totgelacht…‘
So haben sich mit „Ich muss immer an dich denken“, „Es geht sich nicht aus“ oder „Desillusion“ Songs auf der Platte eingefunden, die die großen und kleinen Leiden des Lebens in herzerwärmende Popmusik verpacken. Doch dann gibt es auch noch den herausstechenden Song „Berlin“, der in eine ganz andere Richtung geht. Wahrhaftig chansonesque singen Christiane und Andreas hier im Duett von ihrer Heimatstadt. Hier wird alles aufgezählt, was Berlin im Negativen ausmacht – und was man vielleicht trotzdem Lieben gelernt hat. Eines der Highlights des Albums, dass das Gesamtbild auflockert. Weiterhin erwähnenswert ist „These Days“. Ein Song von Nico, den bereits Phantom/Ghost mit einem Cover geehrt haben. Christiane Rösinger nähert sich dem Song jetzt auf Deutsch, in ihrer ganz eigenen Version, ohne den Charakter des Originals verblassen zu lassen.
Es bleibt zu hoffen, dass „Kleines Lied zum Abschied“ als letzter Track der Platte nicht wortwörtlich genommen werden darf. Wir würden in Zukunft gerne noch mehr von Christiane Rösinger zu hören bekommen. So erfrischend melancholisch wie sie ist schließlich keine zweite Singer/Songwriterin in unseren Landen. Oder anders gesagt: Sie ist noch immer Lichtjahre voraus.
VÖ: „Songs Of L. And Hate“ erschien am 22.10.2010 auf Staatsakt.
Rezension zu Christiane Rösingers Roman „Das schöne Leben“.